Montag, 06. Mai 2024

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Science Fiction auf dem Acker

Umwelt. - Die Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft (

30.03.2004
    FAL) lud Experten, um Ideen und Visionen zu erörtern, wie Bauern hierzulande dereinst ihre Felder bestellen werden. Die Tagung "Ackerbau 2025" in Braunschweig geizte dabei nicht mit Faszinierendem und teilweise auch Erschreckendem. Hochtechnologie wird die Landwirtschaft erobern, aber auch die Klimaerwärmung wird die Karten des Ackerbaus umschreiben.

    Ob in 20 Jahren Roboter auf dem Melkschemel sitzen werden oder mit der Mistgabel fuhrwerken, dazu hielten sich die angereisten Teilnehmer der Tagung "Ackerbau 2025", die am Dienstag in Braunschweig stattfand, bedeckt. Sicher waren sich indes alle, dass auch Landmaschinen viel stärker automatisiert und mit raffinierter künstlicher Intelligenz versehen sein werden. Erste Forschungsprojekte etwa zum Hightech-Traktor, der seinen Fahrer gleich mit verschiedenen elektronischen Systemen unterstützt, befinden sich derzeit in der Entwicklung. Dabei helfen beispielsweise Sensoren, den Pflug optimal einzustellen, um so einerseits Energie zu sparen und andererseits den Boden zu schonen. Moderne Bilderkennungssysteme lernen bereits, Getreidepflanzen von Unkraut zu unterscheiden. Das Ziel hierbei ist, eines Tages Pflanzenschutzmittel ganz gezielt nur gegen das unerwünschte Gewächs einzusetzen und die Nützlinge weitestgehend unbehandelt zu belassen. "Das Fernziel könnte dann lauten, mechanische und hochgenaue Hackgeräte zu entwickeln, die Unkräuter aus den Kulturen entfernen, ohne dass dazu überhaupt Chemikalien eingesetzt werden müssen. Aber das ist noch Zukunftsmusik", spekuliert Franz Josef Bokisch, Leiter des FAL-Instituts für Betriebstechnik und Bauforschung.

    Insgesamt sieht der Experte einen Trend zu schweren und großen Landmaschinen, die aber ihren Reifendruck mittels intelligenter Sensorik den jeweiligen Bodenverhältnissen anpassen können und so die produktive Umwelt schonend traktieren. Auf Fahrer werden diese stählernen Ackergäule dereinst dann dank Satellitennavigation vermutlich auch verzichten: "Der Hauptvorteil ist mehr Umweltschutz, der bereits heute durch gesetzliche Rahmenbedingungen vielfach gefordert wird. Aus produktionstechnischer Sicht versprechen autonome Systeme vor allem deutliche Effizienzsteigerungen." Die Intelligenz solcher Großgeräte erlaube es überdies, sie auch auf kleinen Parzellen mittlerer Betriebe einzusetzen.

    Auch auf eine andere, bedrohlichere Entwicklung gingen die Fachleute in Braunschweig in ihren Visionen ein: die Klimaerwärmung werde die Landwirtschaft vor ganz neue Probleme stellen, so urteilen die Auguren. Dazu Professor Peter Wehling von der Bundesforschungsanstalt für Züchtungsforschung an Kulturpflanzen in Groß Lüsewitz bei Rostock: "Hier ist an erster Stelle die Toleranz gegen abiotische Stressfaktoren wie etwa besondere Trockenheit oder Hitze zu nennen. Davon werden wir auch in Deutschland in der Zukunft nicht verschont bleiben, darauf gab der vergangene Sommer ja bereits einen Vorgeschmack." So könnten neue Maissorten in 20 Jahren möglicherweise sehr viel besser gegen Hitze und Trockenphasen gewappnet sein als ihre heutigen Vorfahren. Heiße Länder insbesondere unter den Entwicklungsländern werden bei wahrscheinlichen Szenarien mit erheblichen Ertragseinbußen rechnen müssen, während nordisch-kühle Regionen wie etwa Dänemark und Deutschland von höheren Temperaturen sogar mit besseren Ernten profitieren könnten, schätzt Professor Hans-Joachim Weigel vom FAL-Institut für Agrarökologie: "Unter einer Klimaerwärmung ist in Zentral- und Nordeuropa durchaus mit einer positiven Reaktion zu rechnen, wenn wir zwei Aspekte betrachten. Einerseits werden höhere Temperaturen das Wachstum von Kulturpflanzen eher fördern. Zweitens werden wir eine stark positive Wirkung der zunehmenden Kohlendioxid-Konzentration direkt auf das Wachstum der Pflanzen feststellen." Experten schätzen daraus für Dänemark ein Ertragsplus von ganzen 40 Prozent. Länder der dritten Welt dagegen werden, so sind Fachleute sicher, dann noch weit abhängiger sein von Nahrungsmittelimporten aus den USA und Europa.

    [Quelle: Michael Engel]