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Scrum macht Programmierer kreativ

IT.- Programmierer kämpfen mit dem schlechten Image eines Berufs, der Menschen auslaugt und immer weniger Raum für gute Arbeit und Kreativität lässt. Effizientere Methoden zur Projektsteuerung könnten helfen, verspricht Scrum-Erfinder Ken Schwaber, Gast auf dem Entwicklertag in Karlsruhe.

Von Pia Grund-Ludwig | 26.06.2010
    Karlsruhe war diese Woche mit dem Entwicklertag eine Anlaufstelle für Unternehmen, die sich über Trends und Erfahrungen mit IT-Projektsteuerung und Softwareentwicklung auf dem Laufenden halten wollten.

    Das Programmierwerkzeug Ecplise, Softwareentwicklung in unterschiedlichen Open-Source-Umgebungen, mobile Anwendungen, Cloud-Computing und damit zusammenhängende Sicherheitsfragen sowie agile Softwareentwicklung standen im Mittelpunkt. Innovative kleine Softwareschmieden präsentierten ihre Erfahrungen ebenso wie Microsoft, Google, 1&1 oder SAP.

    Die Bezeichnung Entwicklertag war typisch badische Untertreibung: Mit Tutorien und Vorträgen erstreckte sich das Programm über fünf komplette Tage mit bis zu vier parallelen Sitzungen. Eines der zentralen Themen am "Agile Day", dem Tag der agilen Programmierung, war die Projektplanung mit Scrum. Scrum ist eigentlich ein Begriff aus dem Rugby und heißt wörtlich übersetzt Gedrängel oder Geschubse. In der IT ist es ein Ansatz der Softwareentwicklung und Projektplanung und hat mit dick eingepackten Muskelpaketen, die sich um ein Leder-Ei balgen, eher wenig zu tun. Ganz im Gegenteil: Scrum-Erfinder Ken Schwaber, der in Karlsruhe zu Gast war, will das Programmieren als kreative Aufgabe motivierter und teamfähiger Mitarbeiter wiederbeleben:

    "Einer der Gründe, warum wir Scrum ins Leben riefen, ist, dass viele Leute aus unserer Branche abwandern. Sie sehen im Programmieren eine unangenehme Arbeit mit unendlichen Überstunden, mangelhafter Qualität, wo man sich unprofessionell verhält und Produkte abliefert, die die Kunden nicht mögen. Wer würde so einem Berufsstand gern angehören wollen? Scrum ist der Versuch, dem Programmierer seinen Stolz zurück zu geben und Kunden glücklich über seine Produkte zu machen."

    Dazu schlägt Schwaber ein komplettes Umdenken bei der Anlage von Projekten vor.

    "In den letzten 20 Jahren lief das so ab: Manager haben einen Plan erarbeitet. Wurde der umgesetzt, hieß das: Wir lösen jetzt das Kundenproblem mithilfe von Software. Die Manager wissen aber häufig nicht, wie man das macht. Deswegen schlage ich vor, dass man den Programmierern das Problem beschreibt, und sie finden dann selbst heraus, wie sie es lösen."

    Scrum soll den Programmierern ihre Kreativität zurückgeben. Es entlaste aber auch das Management, betont Schwaber. Scrum ist in vielen Unternehmen bereits Praxis. Nach Einschätzung des Forrester-Analysten Dave West zählt es derzeit zu den beliebtesten Werkzeugen der agilen Softwareentwicklung. Agile Softwareentwicklung arbeitet mit der Zergliederung komplexer Programmiervorhaben in abgeschlossene und testbare Teilstücke. Diese Methode hat sich in den vergangenen Jahren durchgesetzt, zahlreiche große Softwarehersteller bieten dazu Entwicklungswerkzeuge an. Jedes dritte Unternehmen gab bei einer Befragung im Mai 2010 an, agile Softwareentwicklung zu praktizieren.

    Die Methode von Schwaber stellt dabei das bisherige Vorgehen in der Projektsteuerung grundlegend in Frage. Gearbeitet wird bei Scrum in überschaubaren Teams. Sie entscheiden, welche Probleme sie in einem vordefinierten Zeitraum lösen wollen. Wichtig ist dabei, dass nach dieser Zeit das Produkt wirklich fertig und einsatzbereit ist. Verantwortlich dafür ist das komplette Team. Dafür sind Teamfähigkeit und der Blick über den Tellerrand hinaus notwendiger als bislang üblich:

    "Beim ersten Mal sagen die Analysten vielleicht: Moment mal, Jungs, ich, der Analyst, analysiere das Problem. Der Designer sagt: Ich mache das Design. Während sie reden, tun die anderen bereits ihre Arbeit. Dann sagt vielleicht der Analyst: Ich mache jetzt die Analyse, und der Tester ergänzt: Ich schaue mir das unter dem Aspekt der Testbarkeit an. Der Programmierer sagt, er sieht zu, wie sich das gut programmieren lässt. Sprechen wir beim Arbeiten darüber, dauernd."

    Ob dieses mehr an Selbstbestimmung, das der Scrum-Erfinder verspricht, auch in der Praxis ankommt, hat sich ein Forscherteam des Instituts für Sozialforschung aus München angeschaut. Sabine Pfeiffer und Stefan Sauer haben 20 Experteninterviews mit Mitgliedern von Scrum-Teams durchgeführt, Sauer hat auf der Tagung in Karlsruhe erste Ergebnisse vorgestellt. Der Soziologe sieht nach seinen Erfahrungen durchaus Chancen, dass Scrum den enormen Druck vermindern kann, der derzeit auf den Softwareentwicklern lastet:

    "Es kann insofern etwas ändern als die Programmierer selbst innerhalb der jeweiligen Sprint-Planung für einen festgelegten Zeitraum ihre Aufgaben selbst priorisieren, ihre Aufgaben selbst schätzen, auch den Aufwand, den sie dafür benötigen selbst schätzen. Das hängt natürlich auch davon ab, ob das Team tatsächlich die Hoheit über diesen Prozess hat und ob nicht doch auch Anforderungen von außen immer wieder dazukommen."

    Sauer warnt aber auch vor der Tatsache, dass Scrum zwar zu mehr Selbstbestimmung führe könne, aber nicht unbedingt zu einer Reduzierung der Belastung:

    "Da war das Interessante dabei, dass auch eine sehr hohe Arbeitsbelastung sehr häufig noch nicht dazu geführt hat, dass die Leute unzufrieden waren. Das genau ist auch eine Gefahr, das ist erst Mal sehr schön, dass Leute trotz hoher Belastung mit ihrer Arbeit zufrieden sind, hat aber die Kehrseite, dass das auch Überlastungen Tür und Tor öffnet."