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Sechster Sinn aus Silizium

Technik. - Wer interagieren will, muss zunächst seine Umwelt erfassen - das gilt auch und vor allem für elektronische Systeme, die dem Menschen das Leben erleichtern sollen. Was bei den künstlichen "Sinnen" für Computer heute alles möglich ist, diskutieren Experten auf dem .

Von Uta Bilow |
    In einem Auto stecken bis zu einhundertfünfzig elektronische Fühler. Während der Fahrt kontrollieren sie nahezu alle Funktionen - vom Benzinstand über den Verdichtungsdruck im Krümmer bis hin zur Beschleunigung, um dann eben im Notfall den Airbag auszulösen. Ständig kommen neue Aufgaben dazu.

    "In den nächsten Jahren sind Klimaanlagen in den Autos einzubauen, die FCKW-frei sind. Nach den neuen Prinzipien kann in den neuen Klimaanlagen Kohlendioxid entstehen. Wenn das in den Fahrgastraum eindringt, wäre das natürlich höchst gefährlich, das heißt: Dort braucht man Kohlendioxid-Sensoren..."

    ...sagt Professor Gerald Gerlach vom Institut für Festkörperelektronik der Technischen Universität Dresden. Das giftige Kohlendioxid ist im Prinzip einfach nachzuweisen, sagt der Experte. Es verrät sich zum Beispiel beim Bestrahlen mit Infrarot-Licht, weil es bestimmte Anteile der Strahlung absorbiert, also herausfiltert. Doch die lange Lebensdauer eines PKW stellt die Sensorentwickler vor große Herausforderungen. Zehn Jahre sind es im Schnitt, die ein Auto fährt.

    "Das heißt: Der Sensor muss sicher, zuverlässig über zehn Jahre funktionieren. Wenn man sich heute chemische Sensoren anguckt, dann kann man sehen, dass viele Sensoren zwei Jahre gut arbeiten, und dann die Lebensdauer aber begrenzt ist... "

    ...weil es bei vielen Kohlendioxid-Sensoren zu Abbaueffekten an der Oberfläche kommt. Gerlach setzt deshalb auf besondere Infrarot-Sensoren, die die Strahlung nicht nur an der Oberfläche auffangen. Diese Bauelemente basieren auf einem so genannten Pyroelektrikum, einer Substanz, die einfallende Infrarot-Strahlung absorbiert und in ein elektrisches Signal umwandelt. Der pyroelektrische Fühler kann somit messen, ob und wie viel Kohlendioxid in einer Luftprobe steckt, die mit Infrarot-Licht bestrahlt wird.

    "Der Vorteil solcher Sensoren - hier die Nutzung von Infrarot-Strahlung - ist, dass die relativ langzeitstabil arbeiten und keine Oberflächeneffekte vorliegen. "

    Ein weiterer Vorteil: Pyroelektrische Kohlendioxid-Sensoren können mit Technologien der Mikroelektronik hergestellt werden. Sie sind daher relativ preiswert und lassen sich einfach integrieren. Die Arbeitsgruppe für Festkörperelektronik an der Technischen Universität Dresden ist noch auf einem weiteren Feld aktiv: Sie entwickelt elektronische Bauelemente, die verschiedene Chemikalien messen können, etwa Säuregrade - also den pH-Wert - oder Lösungsmittelkonzentrationen. Dazu beschichten die Forscher einen Siliziumchip auf der Rückseite mit einem so genannten Hydrogel.

    "Hydrogele sind ein außerordentlich interessantes Material. Dort handelt es sich um Polymere, die unter dem Einfluss von chemischen Substanzen stark quellen können. Der Quellungsgrad, der kann bis zu zwei- oder dreihundert Prozent sein."

    In dem Siliziumchip steckt außerdem ein druckempfindliches Element. Quillt nun die Hydrogelbeschichtung auf der Rückseite des Siliziums auf und ändert dadurch ihren Raumbedarf, sendet das druckempfindliche Element ein entsprechendes elektrisches Signal aus. Der quellende Lackmus-Test arbeitet nach den bisherigen Erfahrungen sehr zuverlässig - auch über lange Zeiträume. Denn die elektronischen Komponenten des Sensors kommen gar nicht mit den Chemikalien in Kontakt. Diese Aufgabe übernimmt allein das entsprechend stabile Hydrogel. Projektleiter Gerlach über dieses Sensorprinzip:

    "Wir haben also die Chance, auf der Basis von Hydrogelen chemische Sensoren zu bauen, die gegenüber bekannten Prinzipien auf Elektroden verzichten, wo wir die Chance haben, deutlich langzeitstabiler zu werden, und wo wir die Möglichkeit durch die mikroelektronische Herstellung haben, sehr preiswerte Sensoren auch für Massenanwendungen zur Verfügung zu stellen. "