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Seefahrt
Brennstoffzellen statt Schiffsdiesel

An Land hat sie sich nicht so recht durchsetzen können, vielleicht liegt die Zukunft der Brennstoffzelle ja auf hoher See? Das war 2009 die Idee im Projekt e4ships, das die Einsatzmöglichkeiten für Brennstoffzellen an Bord ausloten wollte. Doch seitdem lief nicht alles nach Plan.

Von Frank Grotelüschen | 24.02.2015
    "Hier sind wir in dem großen Baudock. Vor uns sehen wir die Anthem of the Seas. Dieses Schiff wird Ende Februar das Dock verlassen und dann in die Erprobungsphase gehen."
    348 Meter lang und Platz für fast 4200 Passagiere. Das Kreuzfahrtschiff, an dem die Arbeiter hämmernd und schweißend letzte Hand anlegen, zählt zu den größten der Welt. Zwei solche Giganten baut die Meyer Werft pro Jahr - im größten überdachten Baudock der Welt in Papenburg im Emsland. Superlative, die selbst altgediente Ingenieure wie Gerd Untiedt immer wieder beeindrucken.
    "Ich bin nun seit mehr als 30 Jahren hier auf der Meyer-Werft tätig. Und es ist jedes Mal wieder ein Erlebnis, wenn so ein Schiff fertig wird und weggeht."
    Verglichen damit wirkt das Projekt von Untiedt ziemlich bescheiden. Es passt in einen blau lackierten Industriecontainer, der ein wenig verloren am Rand des Werftgeländes herumsteht.
    "Wir haben einen blauen Container aufgerüstet, weil blau die Meyer-Farbe ist."
    Im Containerinnern ein paar Rohrleitungen, Steuereinheiten - und ein zwei Meter hoher Schrank. Untiedt öffnet eine der beiden Metalltüren.
    "Hier sehen wir den Schrank mit den Brennstoffzellen-Modulen innen drin. Bis zu 16 würden hier reinpassen. Im Moment ist nur ein Modul drin. Die restlichen sind zur Überholung ins Werk zurück."
    Das Brennstoffzellen-Modul, das Untiedt zeigt, ist ein Kraftwerk im Miniformat, Leistung fünf Kilowatt. Das Besondere an der Technik: Sie läuft mit Wasserstoff, den ein vorgeschalteter Reformer aus Methanol und Wasserdampf erzeugt. Ihr Vorteil: Die Zelle erzeugt Strom und Wärme, ohne Schadstoffe wie Schwefeldioxid oder Feinstaub in die Luft zu pusten - anders als jene Dieselgeneratoren, die heute den Bordstrom auf Kreuzfahrtschiffen erzeugen. Und:
    "Die Vorteile sind, dass ich die Energieerzeugung dezentral über das Schiff verteilen kann. Heute habe ich die Situation, dass ich das zentral im Maschinenraum ablaufen lasse", sagt Thomas Witolla, Forschungschef der Meyer Werft.
    Viele kleine Brennstoffzellen verteilt übers Schiff statt einem großen Dieselgenerator im Maschinenraum. Das brächte ein Plus an Sicherheit, aber auch an Effizienz, unter anderem weil weniger Kabelstränge nötig wären. Witolla:
    "Wir brauchen keinerlei große Wege. Wir haben deshalb geringere Verluste. Und dementsprechend wird der Gesamtwirkungsgrad dadurch auch besser."
    Brennstoffzellen für saubere Schifffahrt
    Die Arbeiten in Papenburg sind Teil des Forschungsprojekts e4ships, das 2009 mit einem ehrgeizigen Ziel gestartet war: Die Schifffahrt, die nach wie vor Massen an Schadstoffen ausstößt, soll mithilfe von Brennstoffzellen sauberer werden. Die Agenda:
    "Wie kann ich Brennstoffzellen auf Schiffen verwenden? Wie kann ich die richtigen Kraftstoffe dafür verwenden? Wie kann ich auch die richtigen Regeln und Standards dafür setzen?", sagt Klaus Bonhoff von der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie in Berlin.
    Drei Unterprojekte umfasste e4ships ursprünglich: Das aus Papenburg soll den Einsatz der Technik auf Kreuzfahrtschiffen beleuchten, ein zweites befasst sich mit einer Lösung für Frachtschiffe. Bei Projekt Nummer drei war die Brennstoffzelle sogar als Antrieb vorgesehen, und zwar für eine kleine Fähre zur ostfriesischen Insel Spiekeroog. Doch bald nach dem Projektstart stockte die Sache, und das endgültige Aus kam 2011, als mit der Beluga-Reederei einer der Projektpartner pleite ging. Die Folge, erklärt Bonhoff:
    "Das Konsortium hat gesagt: Diese finanziellen Risiken können wir so für uns nicht tragen. Gerade wenn wir über mittelständische Industrie reden, ist es mitunter schwierig, einen etwas längeren Atem zu haben."
    Doch nun soll das Konzept wiederbelebt werden, und zwar so:
    "Wir haben eine Brennstoffzellen-Anwendung für Flusskreuzfahrtschiffe in der Vorbereitung und gehen davon aus, dass wir dies kurzfristig umsetzen können. Da wäre die Brennstoffzelle als Antrieb vorgesehen, um einen vollkommen emissionsfreien Antrieb für Flusskreuzfahrtschiffe zu gewährleisten."
    Betankt würde so ein Schiff zum Beispiel mit Diesel oder Methanol, den ein Reformer in Wasserstoff umwandeln würde. Daraus würden die Brennstoffzellen den Strom für die elektrisch angetriebenen Schiffsschrauben gewinnen. Wenn alles glatt läuft, so Bonhoff, könnte in drei bis vier Jahren ein erster Prototyp auf einem Flussschiff schwimmen.
    Ruhe an Bord
    Und das Kreuzfahrtschiff-Projekt in Papenburg? Auch hier war der Start schwierig, sagt Gerd Untiedt. Ausgerechnet der Hersteller der Brennstoffzelle hatte sich gleich zu Beginn wieder verabschiedet.
    "Wir hatten mit MTU eine weit entwickelte Technologie vorgesehen gehabt. Mussten wir leider fallen lassen, weil dieser Partner die Brennstoffzellen-Sparte einfach aufgegeben hat. Und somit standen wir dann nach zwei Jahren im Projekt am totalen Anfang."
    Schließlich fand sich ein anderer Hersteller, und Untiedt konnte in seinem blauen Industriecontainer endlich loslegen. Einfach aber war der Einstieg nicht. Schließlich war die Technologie für die Meyer Werft neu.
    "Wir haben viele, viele Probleme gehabt - mechanisch, elektronisch und in der Software. Da waren wohl die größten Macken. Aber mittlerweile haben wir doch einen sehr stabilen Betrieb hingekriegt."
    100 Betriebsstunden sei das System jetzt gelaufen. Und damit rückt für Thomas Witolla endlich das eigentliche Ziel in die Nähe - die Nagelprobe auf einem Schiff.
    "Am Horizont ist dort 2016 zu sehen, das System einzubauen und dann Langzeit an Bord auf See zu erproben."
    Nur wenn dieser Praxistest an Bord gelingt und die Brennstoffzelle den harschen Bedingungen auf hoher See trotzen kann, wird sie für die Schifffahrt interessant. Allerdings wäre da noch ein Problem, sagt Gerd Untiedt - der Preis.
    "Heute ist die Brennstoffzelle mit Gasmotor, Diesel, Turbine usw. bei weitem noch nicht konkurrenzfähig. Es gilt, durch Serienfertigung die Produktionskosten auf die Hälfte zu senken. Und dann setzt sich eine Brennstoffzelle auch durch."
    Zur Sendereihe "Tolle Idee! Was wurde daraus?"