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Seefisch aus Völklingen

In Völklingen im Saarland soll im großen Maßstab eine Fischfarm entstehen. Eine Zucht-Anlage für mehrere hundert Tonnen Fisch ist dort in Planung. Dabei will man den üblichen Problemen von Aquafarming aus dem Weg gehen. Denn die massenweise gehaltenen Zuchtfische sind besonders anfällig für Krankheiten.

Von Tonia Koch |
    Die Salzwasserbecken sollen Schwimmbadgröße erreichen. Jedes der fünf Becken soll mindestens 30 Meter lang und 25 Meter breit werden. Schließlich sollen sich Wolfsbarsch, Dorade oder Stör darin auch wohlfühlen. Gut 400 Kilometer von der nächsten Küste entfernt müssen viele technische Probleme gelöst werden, damit das gelingen kann. Denn Meerwasser kann der Zuchtanlage für Seefisch mitten im Binnenland, nicht zugeführt werden. Trotzdem, das Projekt Aqua-Farming im Binnenland wird funktionieren, davon ist der Völklinger Oberbürgermeister Klaus Lorig überzeugt. Auch um den Markt für jährlich 500 Tonnen fangfrischen Meeresfisch aus Völklingen müsse sich niemand sorgen:

    "Der Markt ist überall, die Meere sind überfischt und der Bedarf in Deutschland steigt, allein in Frankfurt werden jeden Tag 600 Tonnen Seefisch angeliefert. Und wenn in den Meeren nicht mehr gefischt werden kann, dann brauchen wir Ersatz und das sind Aqua-Kulturen im Binnenland."

    Pro Jahr verzehrt jeder Deutsche im Durchschnitt etwa 15 Kilogramm Fisch. Ein großer Teil davon stammt bereits jetzt aus Aquakulturen in Küstennähe. Die Massentierhaltung in schwimmenden Käfigen ist jedoch problematisch. Die Zuchtfische sind zum Beispiel anfällig für Krankheitserreger. Das soll in Völklingen vermieden werden, sagt Friedrich Esser, Geschäftsführer der Firma International Fish Farming Technology, IFFT. IFFT ist finanziell am Projekt beteiligt und verantwortet es technisch:

    "Grundsätzlich geht es darum, eine Aquakultur aufzubauen, die ökologisch nachhaltig die Frische der Zucht ausnutzt, aber die große Umweltproblematik der bestehenden Netzkäfige vor der Küste kontrolliert und ausschließt."

    Das verwendete Wasser verbleibt in einem Kreislauf und soll durch eine aufwändige Filtertechnik gereinigt werden. Auf diese Weise würden weniger Keime eingeschleppt, die den Fisch-Bestand bedrohen könnten. Alles, was in den Filtern hängen bleibt, soll in einer Biogasanlage zu Energie verarbeitet werden. Mit der gewonnen Wärme werden die Becken beheizt, denn die Meeresbewohner in der Völklinger Anlage mögen es warm. Eine vergleichbare Fischzucht-Anlage hat IFFT noch nirgendwo gebaut. Bislang beschränkte man sich auf Großaquarien und eine Versuchsanlage in Niedersachsen. Völklingen gewinnt damit Pilotcharakter. Friedrich Esser:

    "Der Ansatz ist neu, die Technik aber nicht."

    Und damit nichts schief läuft, soll das Projekt wissenschaftlich begleitet werden. Zu diesem Zweck stellen die Stadt Völklingen und das Saarland Geld zur Verfügung und richten für die Dauer von drei Jahren an der HTW, der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken, eine Stiftungsprofessur Aquakultur ein. Eine Entscheidung, die sich auf den ersten Blick nicht unbedingt erschließt, gibt Wolfgang Cornetz, der Rektor der HTW, gerne zu:

    "Auf den zweiten Blick gibt es bei Aqua-Farming viele Berührungspunkte zum Ingenieur-Bereich. Es wird in diesem Bereich Angebote für Verfahrenstechniker, für Prozesstechniker vielleicht auch für die Medizintechniker ein Angebot in Wahlmodulen vorgehalten."

    Durch die wissenschaftliche Begleitung hofft die Stadt Völklingen, ihr wirtschaftliches Risiko zu minimieren. Denn für das Projekt hat sich mit Ausnahme der IFFT kein privater Investor gefunden. Die Stadt steckt in einem ersten Schritt 12 Millionen Euro in die Anlage, damit Barsch und Brasse dort ihre Bahnen ziehen können. Das Engagement der Stadt hat die CDU-Mittelstandvereinigung auf den Plan gerufen. Ihr Vorsitzender Jürgen Presser:

    "Wenn ein Projekt sich rechnet, wenn es gewinnbringend ist, dann finden sich auf dem Markt Investoren, und wenn es sich nicht rechnet und kein öffentliches Interesse damit verbunden ist, dann sollte man genau überlegen, ob man den Steuerzahler damit belastet."

    Das Projekt sei zukunftsweisend, argumentiert der Völklinger Oberbürgermeister. Deshalb sei auch die Änderung des saarländischen Kommunalrechtes gerechtfertigt, die es der Stadt erlaubt, als kommerzieller Fischzüchter aufzutreten.