
Fütterungszeit im Zentrum für Aquakulturforschung in Bremerhaven. Mirko Bögner schraubt eine große Plastikdose auf. Mit einer Kanne holt er eine Handvoll Pelletfutter heraus. Dann wirft er die kleinen Bröckchen in die riesige Plastikwanne vor sich.
"Mal gucken, ob sie was fressen."
Blitzschnell erkennen die Fische im Versuchsbecken das Futter. Sie schwimmen nach oben und schnappen danach: Japanische Flundern, Ende letzten Jahres aus Südkorea importiert und inzwischen schon bis zu 20 Zentimeter lang und bis zu 150 Gramm schwer.
"Die Fische schwimmen in künstlichem Meerwasser. Das wird bei uns in der Anlage künstlich angesetzt. Das ist ein rezirkulierendes System. Das bedeutet, das Wasser wird nicht ausgetauscht. Das Wasser zirkuliert zwischen den einzelnen Filterstufen, wird gereinigt, und Wasser, was durch Verdunstung und Reinigungsprozesse verloren geht, wird ersetzt wieder mit künstlichem Meerwasser."
Die überdimensionalen blauen Plastikbadewannen könnten theoretisch überall stehen; in Bayern genauso wie in Berlin. So ließe sich Salzwasserfisch auch fern der Küsten züchten und ernten. Lange Transportwege vom Hafen ins Landesinnere entfielen, sagt der Biologe Bögner.
Ein weiterer Vorteil der Aquakulturen: Mit der Natur kämen die Fische nicht in Berührung. Das einheimische Ökosystem könnten die fremden Japanischen Flundern also nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Bislang ist der Wissenschaftler mit dem Verlauf des Forschungsprojektes zufrieden. Die Tiere wachsen schnell, vermehren sich gut und sind einfach zu halten.
Aquakultur-Standort Deutschland stärken
"Die Langzeitperspektive des Projektes ist es, diese Arten, die wir hier im Projekt untersuchen, hier in Deutschland zunächst zu etablieren, diese Tiere hier in Kreislaufanlagen zu züchten und auf lange Sicht so den Aquakultur-Standort Deutschland zu stärken."
Das Projekt war überfällig, findet Dietmar Hoffmann. Er leitet beim Unternehmen "Nordsee" das Qualitäts- und Nachhaltigkeitsmanagement. Salzwasser-Aquakulturen könnten in Deutschland eine große Zukunft vor sich haben, meint er. Deshalb hat das Unternehmen Bögners Versuche mit ein paar zehntausend Euro unterstützt; um am Ende selbst davon zu profitieren. Das Forschungsprojekt könnte die Fischindustrie ein Stück weit unabhängiger machen, meint Hoffmann.
"Insgesamt gesehen ist es natürlich so, dass die Aquakultur viele positive Möglichkeiten für uns bietet. Wir sind nicht mehr davon abhängig, dass irgendwelche Energiekosten die Fischer fast in den Ruin treiben, weil die Spritpreise so teuer werden oder aber irgendwelche große Meeresstürme verhindern, dass frischer Fisch gefangen werden kann, oder ein dritter Effekt könnte auch zum Beispiel sein, dass man dann halt wirklich eine kontinuierliche Verfügbarkeit in verschiedenen Ländern dann halt aufbauen kann."
Fernab des Meeres gezüchtet und trotzdem fangfrisch
Zwei weitere Industriepartner haben investiert: ein Netze-Hersteller und ein Kunststoff-Verarbeiter. Bögner und seine Kollegen arbeiten nämlich auch an einem System, das die Fische dazu bringt, sich im Becken freiwillig nach Größe zu sortieren; damit die großen nicht die kleinen fressen oder ihnen das Futter wegschnappen.
Zunächst aber wollen die Wissenschaftler am Zentrum für Aquakulturforschung herausfinden, wann sich die Fische am besten rechnen; das heißt: wie groß und schwer man sie werden lässt bis zum Fang. Ein gutes Jahr haben die Japanischen Flundern noch. Und in ein paar Wochen bekommen sie Gesellschaft. Dann trifft eine weitere Plattfischart ein: die "Sternflunder". Ein besonders schöner Fisch, sagt Bögner. Wenn es gut läuft, vielleicht der neue Lieblingsfisch der Deutschen – fernab des Meeres gezüchtet und trotzdem fangfrisch auf dem Teller.