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Seekühe als Klimaarchiv

Klimaforschung. - Um das Klima in der Vergangenheit zu erforschen, greifen Forscher immer wieder auf die vielfältigsten Tricks zurück. Ein US-Forscher benutzte jetzt die Zähne von Seekühen, um das Klima vor 56 bis 34 Millionen Jahren zu untersuchen. Anhand der darin archivierten Sauerstoffisotope konnten er sehen, dass das Klima in den Tropen damals sehr viel nasser war, als bisher bekannt.

Von Tomma Schröder |
    Seekühe sind nicht gerade die Stars in den Weltmeeren. Im Vergleich zu Robben oder Walen werden die massigen Tiere, die zu den drittgrößten Meeressäugern gehören, kaum wahrgenommen und nur wenig erforscht. Und das völlig zu unrecht, meint Mark Clementz von der University of Wyoming. Der Paläobiologe untersucht die Evolution der Meeressäuger und hat dabei eine spannende Entdeckung gemacht: Im Mund der fossilen Seekuh-Vorfahren befindet sich eine Art Klimaarchiv:

    "Was sie so besonders macht im Vergleich zu anderen Meeressäugern wie Walen oder Seelöwen sind ihre Zähne, die viel Zahnschmelz enthalten. Dieser Zahnschmelz ändert sich nicht mehr, nachdem er einmal aufgebaut wurde und ist daher ein sehr gutes Archiv für Informationen über die Isotope der Umwelt."

    Denn in den Zähnen ist auch die Zusammensetzung der Isotope gespeichert, die zu Lebzeiten der Seekühe im Wasser zu finden war. Über 150 solcher fossiler Zähne verfügt Mark Clementz mittlerweile. Sie stammen aus dem Eozän, einer sehr warmen Klimaperiode vor 34 bis 56 Millionen Jahren. Eigentlich wollte der Paläobiologe diese Zähne auf Sauerstoff- und Kohlenstoffisotope untersuchen, um mehr über die Lebensumstände der Seekuh-Vorfahren zu lernen und den Zeitpunkt zu bestimmen, wann die Säuger vom Land ins Meer wanderten. Doch dann stieß er dabei plötzlich auf Unregelmäßigkeiten.

    "Wir hatten zwei sehr gute Datensätze von fossilen Seekühen aus der Karibischen Region vor Florida und aus der Europäischen Region rund um das Mittelmeer, also der früheren Tethys-See. Und als wir diese beiden Datensätze abgeglichen haben, zeigte sich, dass sie nicht zusammenpassten."

    Die geografische Breite, in der die Fossilien gefunden wurden, und die Anzahl der schweren Sauerstoffisotope O-18 passten nicht zusammen. Eigentlich nimmt die Konzentration des schweren Sauerstoffisotops vom Äquator über die mittleren Breiten zu den Polen hin ab. Das hätte sich auch in den Seekuhzähnen so widerspiegeln müssen.

    "Unsere Datensätzen aber, die aus den Fossilien hervorgehen, zeigen, dass die O-18-Konzentration in niederen Breiten viel geringer war, als erwartet. Und das ist wahrscheinlich deswegen der Fall, weil es mehr Niederschlag gab."

    Denn während heute sehr viele der leichteren Sauerstoff-16-Isotope am Äquator verdunsten und polwärts ziehen, scheint das zu Zeiten des Eozäns anders gewesen zu sein: Durch wesentlich stärkeren Niederschlag in den Tropen regnete ein Großteil der verdunsteten leichten Sauerstoffisotope gleich wieder zurück ins Meer und verdünnte damit wieder die Konzentration der schweren O-18-Isotope. Demnach war der Wasserkreislauf in den Tropen auch sehr viel schneller und kräftiger, was wiederum starke Auswirkungen auf das Klima insgesamt hatte. Das ist lange her und scheint alles andere als eine bahnbrechende Entdeckung zu sein. Und doch ist es für die Klimaforschung eine wichtige Erkenntnis. Denn das Eozän ist ein Zeitalter, in dem sehr viel mehr Treibhausgase in der Atmosphäre waren als heute. Und es wird daher gerne als Modell für jene Prozesse genommen, die uns aufgrund der stetig wachsenden CO2-Emissionen erwarten könnten.

    "Lange Zeit hat man angenommen, dass sich die Sauerstoffisotope entlang der Breitengrade in der Vergangenheit genauso verteilt haben wie heute. Und hier haben wir einen Hinweis, dass es wahrscheinlich nicht immer so gewesen ist. Es ist interessant zu sehen, dass es immer noch Dinge gibt, die wir nicht wissen, und die wir trotzdem als Annahmen in Klimamodellen verwenden. Deshalb kann ein besseres Verständnis der Vergangenheit uns helfen, einige der Schätzungen zu präzisieren, wie das Klima auf vermehrte Treibhausgase reagieren wird."

    Und es scheint, dass die Zähne der fossilen Seekühe hier ganze Arbeit geleistet haben. Wenn dabei auch die vom Aussterben bedrohten, bescheiden unauffälligen Nachfahren von heute wieder stärker ins Bewusstsein rücken, so meint Mark Clementz, dann habe auch er ganze Arbeit geleistet.

    "As long as we are giving some credits to the lowly sea cow I think we did a good job."