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Seele verkauft oder nicht

Die Kritiker nennen es Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, die Befürworter sehen eine Einnahmequelle für die Uni, die mindestens 6000 Euro einbringen soll. Die Rede ist von der Vermarktung des Uni-Geländes in Rostock durch eine Marketingfirma, die seit dem Vertragsabschluss akribisch auf Werbung in Aushängen von Studenten achtet.

Leonore Lötsch |
    Wer zum Rektor der Rostocker Universität will, der muss an der O2-Werbung im Eingangsbereich vorbei. Ein Aufkleber auf dem grauen Rahmen mahnt: Das unbefugte Auslegen und Anbringen von Werbematerial ist untersagt. Seit Herbst letzten Jahres hat die Universität ein Vertrag mit einer Rostocker Marketingagentur und seit diesem Zeitpunkt vergeht keine STURA- Sitzung, in der nicht darüber diskutiert wird, erzählt der Rostocker Student Christian Berntsen:

    "Begonnen hat es direkt in der Mensa beim Studentenwerk. Und da störte es uns schon n bisschen, aber es war halt nicht unsere Universität. Im September fing der Vertrag an. Es hat uns komplett überfahren. Es wurden sämtliche Sachen weggeräumt, Studentengruppen haben Rechnungen bekommen und das war für uns halt wie ´n Angriff aufs studentische Leben, weil ´s aus unserer Sicht nicht sein kann, dass irgendjemand in der Universität, was zahlen muss, wenn er in seiner eigenen Universität was aushängt."

    Die Marketingfirma wirbt damit, der alleinige Vermarkter der Einrichtungen des Studentenwerks und der Rostocker Universität zu sein. Und durchforstete alsbald die Aushänge der Studenten aber auch der Mitarbeiter auf der Suche nach nicht genehmigter, beziehungsweise nicht bezahlter Werbung. Ein unglücklicher Start, findet auch der Pressesprecher der Rostocker Universität Ulrich Vetter, der den Dreijahresvertrag mit der Marketingfirma initiiert hat. Dass Wirtschaftsunternehmen die Möglichkeit haben, in der Uni für sich zu werben, dahinter steht Vetter nach wie vor.

    "Wir versuchen seit einigen Monaten an der Uni Rostock auch Möglichkeiten zu schaffen, kommerzielle Werbung zu platzieren, also wir sprechen im Moment über ungefähr vierzig A1- und A0- Rahmen, die im gesamten Universitätsgelände angebracht sind, das ist flächenmäßig gesehen sehr sehr wenig, aber es ist ein neuer Weg, den wir da gehen und der stößt auch nicht bei allen Leuten auf Verständnis und Wohlwollen."

    Und während Studentenvertreter von der Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes Universität reden, ist der Pressesprecher überzeugt, eine interessante Quelle für sein eigenes Marketingbudget gefunden zu haben.

    "Wir müssen auch mal sehen die Universität als öffentliche Einrichtung kann natürlich leicht sich hinstellen und sagen: wir möchten öffentlich nur finanziert werden und wir brauchen für alles, was wir vorhaben vom Stadt halt Geld. Aber ich denke wir haben viele Möglichkeiten uns selbst darum zu kümmern, Geld selbst zu verdienen. Und wenn man die Chance hat auf diese Art und Weise Geld einzunehmen, um es für eigene Marketingaktivitäten zu nutzen, dann sollte man überprüfen, ob das nicht n gangbarer Weg ist. Gangbar ist er und Einnahmen bringt er auch, aber die Frage ist: was möchte ich dafür haben als Gegenleistung."

    Entgegnet die Personalratsvorsitzende der Rostocker Universität Sybille Bachmann. 20 Prozent der Gewinne bekommt laut Vertrag die Universität - mindestens aber 6000 Euro im Jahr.

    "Ob uns für die geringe Summe an Einnahmen diese Außenwirkung und diese Debatte tatsächlich wert sind? Weil im Prinzip sind alle unzufrieden: die Studenten, die Mitarbeiter, weil wenn über jedem Kopierer da eine Werbung hängt oder sie nicht mehr ihre eigenen Aushänge machen dürfen, die Dekane haben nicht zugestimmt, wir kennen also auch überhaupt kein Gremium in der Universität, dass überhaupt diesem Vertrag zugestimmt hat."

    Und so regt die Personalratsvorsitzende an, erst einmal eine Diskussion im Konzil zu führen, ob Werbung an der Rostocker Universität erwünscht ist. Geprüft haben viele Hochschulen diesen Weg schon. Eine der ersten war die Fachhochschule in Würzburg Schweinfurth, die vor fünf Jahren für einen medialen Sturm sorgte, mit dem ersten Aldi-Süd-Hörsaal.

    "2011 ist das ein ganz normaler Vorgang. Wir haben sieben Hörsäle von verschiedenen Firmen gesponsert, von Aldi Süd bis zu kleineren Firmen wie die fränkischen Rohrwerke, die man außerhalb der Region wahrscheinlich kaum kennt,"

    sagt der Präsident der Fachhochschule (Prof.) Heribert Weber. Allerdings ist ihm wichtig, dass innerhalb des Hörsaals keine Werbung zu finden ist. Gerade wurden die Verträge für eine fünfstellige Summe um weitere drei Jahre verlängert.

    "Für uns ist der große Vorteil: wir kommen zusätzliches Geld, sehr flexibel einsatzfähiges Geld. Ich hab damit zum Beispiel die Hörsaalbeleuchtung erneuern können. Und es ist aber auch noch `n zweiter Vorteil da: diese Sponsoren - diese sieben - die haben auch die Kofinanzierung der Deutschlandstipendien übernommen, wo ja die Hälfte immer von Unternehmen kommen muss. "

    33 Deutschlandstipendien wird die Fachhochschule Würzburg- Schweinfurth in dieser Woche übergeben. Dank guter Kontakte, die mit einem Schild am Hörsaal vor fünf Jahren begannen.