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Segeltörn mit fraglicher Beweiskraft

Archäologie. - Seit gut einer Woche ist der Chemnitzer Hobbyarchäologe Dominique Görlitzer mit seinem Schilfboot "Abora 3" auf dem Atlantik unterwegs. Er wolle, so sagte er vor der Presse in New York, den Beweis führen, dass schon in der Frühzeit Handelsbeziehungen zwischen Amerika und Europa gab. Dazu segle er die schwierige Route von West nach Ost über den Atlantik. Heiko Prümers vom Deutschen Archäologischen Institut in Bonn nimmt zum dem Vorhaben im Gespräch mit Grit Kienzlen Stellung.

19.07.2007
    Kienzlen: Herr Dr. Prümers, was wird die Crew um Görlitz dann wirklich bewiesen haben?


    Prümers: Ja, er wird bewiesen haben, dass man mit einem Schilfboot auch von Amerika nach Europa reisen kann, heute. Ob das auch in vorspanischer Zeit, so wie er das postuliert, geschehen ist, ist eine ganz andere Sache.

    Kienzlen: Gibt es denn irgendwelche Hinweise, archäologische Hinweise, dass es Handelsbeziehungen gab zwischen Amerika und Europa, schon vor den Wikingern?

    Prümers: Eindeutige Beweise gibt es eigentlich bislang keine. Es gibt natürlich immer wieder sensationelle Funde, die gemacht werden, es gibt eine kleine, ja einen kleinen Kopf, der römisch sein soll, in Mexiko gefunden worden. Es gibt möglicherweise römische Amphoren in Brasilien, die aber auch durchaus aus dem Mittelalter stammen können. Aber insgesamt, wenn man einmal vergleicht, die Evidenzen, die es gibt für die Präsenz der Wikinger in Nordamerika, die ja recht eindeutig sind, und das gegenüberstellt mit den wesentlich länger bereits untersuchten Gebieten Mittelamerikas und Südamerikas, wo dann eben Kulturen wie die Ägypter, Phönizier oder was auch immer gelandet sein sollten, wo eben keine Evidenzen bislang aufgetreten sind, so spricht eigentlich alles dafür, dass diese Kontakte nicht existiert haben.

    Kienzlen: Aber wenn Sie jetzt solche Funde nehmen, wie die, die Sie gerade genannt haben, oder der Dominique Görlitz führt ja an, die Funde von Spuren von Nikotin und Kokain an der Mumie von Ramses II., und Nikotin, also Tabak und die Kokapflanze sind ja beides Neuweltpflanzen, können also nicht zu jener Zeit in Ägypten angepflanzt worden seien. Wie können solche Funde dann erklärt werden, wenn es nicht Handelsbeziehungen gegeben hat?

    Prümers: Ja, da muss man trennen. Einmal das Kokain und dann das Nikotin. Nikotin kommt nicht nur im Tabak vor, sondern in allen nach seinen Gewächsen und auch in anderen Pflanzen, wie zum Beispiel Mandrake, das ist eine Heilpflanze, die in der Alten Welt beheimatet ist. Oder auch in grünem Pfeffer. Das heißt, es kann durchaus sein, dass die Nikotin Werte, die wir haben für die ägyptischen Mumien, auf ganz anderen Weg als durch Rauch oder durch Tabak in die Mumien gelangt ist. Das ist eine der gängigen Kritiken an den Analysen von Balabanova gewesen.

    Kienzlen: Was ist mit den anderen Sachen, Kokain, Amphorenfunde?

    Prümers: Es gibt einen amerikanischen Kollegen, Cartmill heißt der, er hat eigene Proben genommen, in Ägypten, und die untersucht. Er hat Nikotin gefunden, bestätigend die Funde von Balabanova, aber kein Kokain. Da sollen dann allerdings auch Zellstrukturen von Tabakpflanzen bis hin zu diesen Käferresten, also Tabakkäferspuren, gefunden worden sein. Wie das zu erklären ist, darüber rätselt man noch. Aber von der archäologischen Seite her würde ich ausschließen, dass es auch transatlantische Kontakte zurückzuführen ist. Jedenfalls in vorspanischer Zeit.

    Kienzlen: Jetzt würden ihnen wahrscheinlich die Begleiter von dem Dominique Görlitz entgegnen, dass auch Thor Heyerdahl, das Vorbild von Herrn Görlitz, damals erst einmal kritisiert worden ist und nicht für voll genommen wurde, weil er eine Hypothese vertreten hat, die damals abwegig schien. Was unterscheidet denn aus Ihrer Sicht trotzdem Dominique Görlitz von Thor Heyerdahl?

    Prümers: Also, die These von Thor Heyerdahl war zunächst einmal, als er Kontiki gestartet hat - also seine erste Expedition - dass die Osterinseln, oder Teile des Pazifiks von Südamerika aus besiedelt worden sind. Das hat er mit der Fahrt von Kontiki mehr oder weniger bewiesen. Dann die zweite Expedition war Ra, die verschiedenen Ras. Da ist er von Ägypten aus gestartet nach Südamerika, hat es fast geschafft, das Schiff ist ja vorher abgesunken. Aber da ging es darum, ob die Ägypter oder Phönizier nach Amerika hätten segeln können. Es ist interessant, dass in den ägyptischen Quellen unglaublich viel über Drogen geschildert wird. Jedes Mal wenn eine Expedition aus fremden Ländern ins Niltal zurückkehrte, wurde alles, was mitgebracht wurde, eigentlich auch in Darstellung gezeigt. Also exotische Bäume, exotische Pflanzen, es gibt sehr viele, es gibt sehr viele Berichte über die diversen pharmakologisch interessanten Pflanzen. Tabak taucht nicht auf, die Kokapflanze taucht nicht auf, also von der archäologischen Seite ein, für mich eindeutig ein Gegenbeweis, dass es diese Kontakte gegeben hat. Thor Heyerdahl war, anders als Herr Görlitz, ging er eigentlich von der wissenschaftlichen Seite schon aus, weil er hat sich sehr intensiv um die Kontakte auch zu den Archäologen bemüht, er hatte sie immer gehabt, er hat wissenschaftliche Untersuchungen begleitend zu seinen Abenteuern gemacht, er hat selbst Grabungen initiiert und geleitet, auf den Osterinseln, und er hat später auch in seinem Leben dann in Peru gegraben, das zeigt sein großes wissenschaftliches Interesse. Das ist bei Herrn Görlitz bislang noch nicht, zumindest in Publikationen oder auf der Homepage sichtbar. Und ich hoffe das kommt noch. Das wird man dann sehen, daran wird sich dann auch letztendlich messen lassen müssen, wie wertvoll oder wie nicht diese Reise auf dem Schiff Abora 3 ist.