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Ségolène Royal for president

Der Countdown der französischen Präsidentschaftswahlen im April 2007 hat längst begonnen. Im Blick der Öffentlichkeit steht zunehmend die Sozialistin Ségolène Royal. Mit beeindruckend guten Umfragewerten und einer wachsenden Popularität bei den Wählern aller Parteien mischt sie die Karten beim Poker um das Präsidentschaftsamt neu. Zum Ärger des Medienlieblings der Regierungspartei, Nicolas Sarkozy, – vor allem aber ihrer eigenen Parteikollegen: namhafte Sozialisten, die selbst an einer Präsidentschaftskandidatur interessiert sind. Margit Hillmann berichtet.

22.06.2006
    In der Wohnung von Chantal Hassler im Pariser Vorort Pantin: Die Lehrerin, die bald in den Ruhestand gehen wird, hat Besuch. Alda Perrera-Le Maitre, Anfang 40, Handelsvertreterin und nebenbei Kinderbuchautorin, ist gekommen. Die Frauen sehen sich oft in letzter Zeit. Beide sind Mitglied der PS, der Sozialistischen Partei Frankreichs. Was sie aber in diesen Monaten und Wochen besonders verbindet, ist ihre Begeisterung für Ségolène Royal. "Ségolène", sagt Chantal Hassler, "ist eine von uns".

    " Sie hat Erfahrungen als Mutter, als berufstätige Mutter, - mit der Familie, der Schule und der Erziehung der Kinder. Und weil sie die damit verbundenen Schwierigkeiten aus eigener Erfahrung kennt, hat sie auch den politischen Willen, diese Probleme anzugehen, denn sie kann sich in den Alltag der Leute hineinversetzen. "

    Eine familienfreundliche, konkrete und volksnahe Politik, befreit von sozialistischen Tabus - dafür wird Ségolène Royal von all ihren Anhängern gelobt. Auch Alda Perrero-Le Maitre ist begeistert. So war sie denn auch nicht schockiert, als Ségolène Royal kürzlich die pragmatische Politik eines Tony Blair lobte. Selbst der umstrittene Vorschlag von Royal, schwererziehbare Jugendliche in die Obhut militärischer Einrichtungen zu geben, kommt bei der Ségolène-Anhängerin gut an.

    " Sie ist als Politikerin attraktiv, weil sie Bewegung in die Partei bringt. Sie wagt es, über Immigration zu sprechen. Sie hat keine Angst konkret über Gewalt und Kriminalität in der Gesellschaft zu reden. Denn die Themen sind nicht rechts. Auch die Linke - mit ihren Werten - kann darüber sprechen. "

    Die beiden Sozialistinnen aus dem Pariser Nachbardepartement Seine-St-Denis, engagieren sich im Verein "Desir d’Avenir". Dabei handelt es sich um eine von Ségolène Royal per Internet gegründete Initiative zur Unterstützung ihrer Kandidatur für das Präsidentenamt. Dort wurde auch die Idee der Ségolène-Cafés entwickelt: von lokalen Parteimitgliedern organisierte Diskussionsforen in den Cafés ihrer Bezirke. Eine Methode, die sehr wirksam ist, bestätigen die beiden Ségolène-Fans aus dem 93. Departement.

    " Die Leute kommen zu uns in Scharen, um über das, was sie beschäftigt, zu diskutieren: über die Erziehung der Kinder, Schule, Wohnungsprobleme und über das Thema Arbeit. Sie fühlen sich betroffen. Vor Ségolène war es genau das Gegenteil. Haben wir Einladungen verteilt, haben die Leute gesagt, lasst uns mit der Politik in Ruhe. Jetzt reißen sie uns die Handzettel aus den Händen. "

    Nach den neuesten Umfragen halten gut 40 Prozent der Franzosen die Sozialistin für die beste Präsidentschaftskandidatin ihrer Partei. Bei den Wählern der PS ist es sogar über die Hälfte der Befragten. Doch je erfolgreicher Ségolène Royal in der Bevölkerung ist, desto bitterer die Reaktionen jener Parteimitglieder, die auf einen anderen sozialistischen Kandidaten setzen: auf die so genannten "Elefanten", wie man in Frankreich sagt. Gemeint sind Politiker aus der PS-Führungsriege, die die sozialistische Partei seit 20 Jahren dominieren.

    Eine Bezirksparteiversammlung in "Les Lilas" bei Paris. Hier sind die Anhänger Roland Fabius, der schon unter Mitterand Premier war und die französische Linke erfolgreich für das Nein zur EU-Verfassung mobilisierte, in der Mehrheit. Und hier ist man denn auch gar nicht gut auf Ségolène Royal zu sprechen.

    " Sie redet sehr viel. Und ich bin nicht immer mit ihr einverstanden, überhaupt nicht. Aber, na ja. Jeder hat das Recht seine Meinung zu sagen. Sie tut das. Na gut.

    Ich stelle mir eher einen sehr starken Mann als Präsidentschaftskandidaten vor, einen ausgeglichen und erfahrenen Mann, wie Laurent Fabius. "

    "Argumente, die ich schon in- und auswendig kenne. Besonders die frauenfeindlichen Bemerkungen", sagt, Philipe Degendre, 46 Jahre, erfolgreicher Autor von Kochbüchern. Der Ségolène-Fan aus dem 20. Pariser Arrondissement, der bisher keiner politischen Partei angehörte, hat sich vor drei Monaten bei der PS eingeschrieben. Damit er im Herbst, bei der parteiinternen Abstimmung über den offiziellen Präsidentschaftskandidaten, seine Stimme zu ihren Gunsten abgeben und seiner Kandidatin bis dahin tatkräftig in der Partei den Rücken stärken kann. Das wird sie brauchen, prophezeit das neue Parteimitglied:

    " Das wird eine fürchterliche Schlacht werden. Ich glaube, sie werden alles unternehmen, um sie zu massakrieren. In ihrer eigenen Partei! Sie ist einfach zu beliebt; sie stört die Elefanten und wirft alle Pläne über den Haufen. "