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Sein "bester Mann"

In der amerikanischen Öffentlichkeit hat sich Michelle Obama bereits als vielleicht wirksamste Waffe des neuen Präsidenten entpuppt. Schon wird sie als sein "bester Mann" bezeichnet - auch weil die Mutter zweier kleiner Töchter den weltweiten Hoffnungsträger menschlicher erscheinen lässt. Eine Eigenschaft, die auch den Wahlkampf beeinflusste, schreibt Liza Mundy in ihrer Biographie "Michelle Obama".

Von Gregor-Peter Schmitz | 19.01.2009
    Er war der Träumer und sie die realistische Hälfte, die ihm Bodenhaftung gab. "Barack richtet seine Augen zum Himmel. Aber als seine Frau kann ich Ihnen versichern, dass seine Familie dafür sorgt, dass seine Füße fest auf dem Boden bleiben", schrieb Michelle in einer Postwerbesendung aus dem Mai 2007.

    Liza Mundy, Reporterin bei der "Washington Post", hat sich als erste renommierte Biographin des Phänomens "Michelle" angenommen. Die Amerikaner haben anfänglich gespalten auf sie reagiert. Nicht unbedingt weil sie eine "First Lady" mit eigenen politischen Ambitionen à la Hillary Clinton fürchteten, sondern weil Michelle Obamas Abstammung von Sklaven und ihre tiefschwarze Haut für Amerikas politische Bühne vielleicht noch eine größere Herausforderung darstellen als die exotische Misch-Herkunft des künftigen Präsidenten. So sieht es zumindest Mundy:

    Wenn die Amerikaner daran erinnert werden müssen, wie unangenehm es ist, über Rassenfragen zu reden, dann hat der aktuelle Wahlkampf eine Fülle neuer Beispiele geliefert. Michelles Versuch, diese Auseinandersetzung anzustoßen, war vielleicht nicht immer gelungen, aber allein ihre Präsenz an der Seite Obamas als Nachfahrin von Sklaven zwingt die amerikanische Gesellschaft, diese Diskussion zu führen. Letztlich kann es durchaus sein, dass Michelle Obamas widerwillig angetretene politische Reise einen nachhaltigeren Einfluss auf den amerikanischen Traum von der Gleichheit, auf die Hoffnungen und den Wagemut haben wird als der Weg ihres Mannes ins Weiße Haus.

    In einer der stärksten Passagen des Buches zeichnet Mundy die Kindheit und Jugend der neuen "First Lady" in Chicago nach - wo Rassentrennung und Rassenkonflikte an der Tagesordnung waren.

    Sie ist ein stolzes Produkt der South Side, ein Mädchen aus der Arbeiterklasse, das es geschafft hat und das seinen Aufstieg zum einen der gesellschaftlichen Mobilität nach dem Zweiten Weltkrieg und der Bürgerrechtsbewegung verdankt, zum anderen aber auch der eigenen Initiative und Intelligenz. Sie empfindet immer noch eine große Verpflichtung gegenüber all jenen in der schwarzen Gemeinschaft, die es nicht so gut getroffen haben wie sie.

    Das ist auch ein Vorteil für Obama, der dadurch an Glaubwürdigkeit in der schwarzen US-Gemeinschaft gewann, die ihn zunächst skeptisch beäugte. Doch Mundy beschreibt gekonnt das Zögern der jungen Mutter ob der politischen Ambitionen ihres Mannes und die Unsicherheit über ihre eigene Rolle - die wohl auch auf Narben aus der Vergangenheit zurückgeht. Die junge Michelle schaffte es an die Elite-Uni Princeton, fühlte sich aber nach eigenem Bekunden in den ehrwürdigen Uni-Hallen wie eine "Besucherin". Ihre College-Abschlussarbeit widmet sie den Rassenbeziehungen auf dem Campus:

    Sie sandte dafür Fragebögen an schwarze Princeton-Absolventen, in denen sie danach fragte, ob sie ihre Zeit lieber mit Schwarzen oder mit Weißen verbringen würden und was sie von Afroamerikanern dächten, die nicht so viel Erfolg wie sie selber hätten. Sie schrieb: "Gegenstand dieser Untersuchung sind das Gefühl der Verantwortung für eine Verbesserung der Lebensverhältnisse der schwarzen Unterklasse, Schuldgefühle, weil man die schwarzen Unterschichten im Stich gelassen hat, sowie Gefühle der Scham und des Neids gegenüber der schwarzen Unterklasse.

    Im Wahlkampf spielte diese Arbeit einer 22-Jährigen plötzlich eine große Rolle - die Republikaner wollten ihr wegen solcher Sätze einen Angriff auf amerikanische Werte unterstellen. Genau wie aufgrund missverständlicher Äußerungen Michelles, angesichts der Wahlerfolge ihres Mannes zum ersten Mal richtig stolz auf ihr Land zu sein. Sie machte es solchen Kritikern zugegebenermaßen leicht, wie Mundy beschreibt:

    In ihren Reden zählte sie immer wieder Beispiele von Menschen auf, denen es in Amerika überhaupt nicht gut ging, und erwähnte nur ganz selten ihre eigene Lebensgeschichte, die ein Beweis für die Chancen in diesem Land ist. Es wirkt fast so, als betrachte sie ihr eigenes Leben als einen ungewöhnlichen Sonderfall. Das zeigt etwa der folgende Redeausschnitt: "Das Leben, über das ich hier spreche und das die meisten Menschen hier führen, hat sich ständig verschlechtert, seitdem ich ein kleines Mädchen war."

    Hinzu kam ihre Neigung zu sarkastischen Bemerkungen, die oft auch ihren Mann nicht verschonten:

    Da gibt es Barack Obama, das Phänomen, Barack Obama, das Genie, den Herausgeber der Harvard Law Review, den Verfassungsrechtler, den Bürgerrechtsanwalt, den Sozialarbeiter, den Bestsellerautor, den Grammy-Gewinner. Dieser Barack Obama ist ganz schön beeindruckend", sagte sie in New York. "Und dann" - sie machte eine kleine Paus - "gibt es da den Barack Obama, der bei mir zu Hause lebt." "Der Bursche ist nicht so beeindruckend. Er schafft es immer noch nicht, das Brot wegzuräumen und seine Socken tatsächlich in den Wäschekorb zu legen, und meine fünfjährige Tochter Sasha kann jetzt schon ihr Bett besser machen als er. Sie müssen mir also verzeihen, wenn mich diese ganze Barack-Obama-Sache etwas verwirrt.

    So spricht man nicht als mögliche "First Lady" und so spricht man nicht über den möglichen Präsidenten, schimpften Kolumnisten. Also verlagerte sich Michelle auf dringenden Rat ihrer Berater in der Endphase des Wahlkampfes auf eine traditionellere Rolle als Mutter und liebende Ehefrau. Beim Parteitag in Denver betonte sie in ihrer Rede vor allem ihre Familie, sie verkniff sich bissige Bemerkungen über Barack, sie traf sich mit den Redakteuren einschlägiger Frauen-Magazine wie "US Weekly". Überschrift der Titelgeschichte des Magazins: "Warum Barack sie liebt". Der Trend scheint sich auch nach der Wahl fortzusetzen.

    "Nur gut eine Woche nach dem Sieg ihres Mannes versuchte Michelle, die Spekulationen ein wenig einzudämmen, indem sie erklärte, dass sie sich in der Stellung der First Lady als "Mom-in-Chief", als oberste Mutter, sehe. Statt die Spekulationen zu beenden, löste diese Ankündigung unter Frauen jedoch nur neue Diskussionen aus. War es gut, dass Michelle Obama sich verpflichtet fühlte, ihre Identität als Mutter hervorzuheben - oder nicht?

    Wird das ihre künftige Rolle vorgeben? Und ist Michelle, die manche als intelligenter und ehrgeiziger als ihren Ehemann einstufen, damit auf Dauer zufrieden? Nachdem sie neben Princeton noch ein Jurastudium in Harvard absolvierte, bei einer noblen Anwaltskanzlei Anstellung fand und erfolgreiche Krankenhausmanagerin in Chicago war? Wie drängend werden ihre Ambitionen sein, Amerika und der Welt mit ihrer Rolle im Weißen Haus ein neues Bild vom Schwarz-Sein zu vermitteln?

    Auf diese Fragen erhält man in Mundys informativem und flüssig geschriebenem Buch leider kaum Antworten. Denn Michelle Obama hat der Autorin zwar zu Beginn des Wahlkampfes noch Zugang gewährt, doch später die Kooperation beim Buchprojekt verweigert. Mundy gewann zwar eine Reihe von Interviewpartnern, kann aber mit wenigen Insider-Informationen aufwarten. So bleibt am Ende vor allem das Resümee einer ungewöhnlich engen Bindung zwischen dem neuen Präsidenten und seiner Frau - die er "The Boss" nennt.

    Gregor Peter Schmitz über Liza Mundy: Michelle Obama. Das dreihundert Seiten starke Buch ist vergangene Woche auf Deutsch im Fackelträger Verlag erschienen und kostet 19 Euro und 95 Cent.