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"Sein Nachfolger übernimmt große Baustellen"

Auch wenn Kulturstaatssminister Bernd Neumann (CDU) viele Debatten im Kulturbereich indirekt angeschoben habe, werde sein Nachfolger die Reform der Künstlersozialkasse, eine Stärkung des Urheberrechts oder auch eine Filmfördernovelle angehen müssen, sagt "Tagesspiegel"-Kulturchefin Christiane Peitz.

Christiane Peitz im Gespräch mit Christoph Schmitz | 23.10.2013
    Christoph Schmitz: Tebartz-van Elst kommt nicht zurück, Bernd Neumann, Kulturstaatsminister, geht. Er will das Amt unter der neuen Regierung nicht mehr antreten. "Das Wunder von Bernd" - so hieß es in einem Kommentar nach zwei Jahren Neumann im Amt. Das war 2007. Neumann, der Fußball-Fan, hatte den Anfang seiner Amtszeit verstolpert.

    Die Kulturszene fremdelte mit dem spröde wirkenden Bremer. Im Vergleich mit seinen intellektuellen Vorgängern, Michael Naumann, Julian Nida-Rümelin und Christina Weiß, wirkte er ungelenk. Wunder hin oder her – was dann kam erstaunte: Förderung des deutschen Films mit 60 Millionen Euro jährlich, 220.000 Euro für den von Tintenfraß befallenen Goethe-Schiller-Briefwechsel, Hilfe für die verbrannte Anna-Amalia-Bibliothek. Neumann packte an und wurde das, was er angekündigt hatte: der am längsten amtierende Kulturstaatsminister. Acht Jahre sind es geworden. War er ein guter, oder war er ein schlechter Kulturstaatsminister? Das habe ich Christiane Peitz, Kulturchefin beim "Tagesspiegel", gefragt.

    Christiane Peitz: Am Ende war er ein von allen hoch respektierter und insgesamt für gut befundener Kulturstaatsminister. Das Wichtigste was er gemacht hat, ist, dass er das Amt einfach konsolidiert hat, der Kultur Stimme und Gewicht verschafft hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit inzwischen, dass der Bund Kulturpolitik macht.

    Schmitz: Er hat aber auch hin und wieder, wenn vielleicht nicht oft, sein Wort erhoben, wenn es um Freiheit der Meinung geht, "Idomeneo"-Opernstreit etwa, oder auch bei der Aufklärungsausstellung in Peking.

    Peitz: Er hat es selten getan, aber immer in diesem Zusammenhang. Wenn es um, sagen wir mal, Rücksichtnahmen auf wirtschaftliche, auf Wirtschaftsverhandlungen oder so was ging, da wurde er sehr deutlich und hat immer die Freiheit, die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Kunst, der Kultur als hohes Gut verteidigt, hat sich da dann auch zum Teil nicht gescheut, sich in eigenen Reihen auch mal in die Nesseln zu setzen oder unbeliebt zu machen.

    Ansonsten ist er aber jemand, der Debatten indirekt angeschoben hat, ohne lautstark Position zu ergreifen oder das Wort überhaupt zu ergreifen. Das letzte große Beispiel war der Berliner Museumsstreit, im Sommer 2012 war das: er sorgt dafür, dass im Nachtragshaushalt zehn Millionen Euro für den Anfang der Umsetzung des Masterplans bewilligt werden, also für den Umzug der Gemäldegalerie, so hieß es damals noch. Dann gab es eine Riesendebatte, die recht ungesteuert und auch recht unglücklich lief, nicht zuletzt, weil er das hätte besser vorbereiten müssen, glaube ich. Er hat dann selber diplomatisch hinter den Kulissen wieder für Frieden gesorgt, indem er eine Machbarkeitsstudie angeregt hat, und eine seiner letzten Amtstätigkeiten war jetzt, dass er empfohlen hat, versprochen hat im Grunde, dass der Bund einen Neubau für die Kunst der Moderne, die ja unter riesiger Platznot in Berlin leidet – und Berlin ist nun mal die Kunsthauptstadt der Moderne in Deutschland -, dass es einen Neubau hinter der neuen Nationalgalerie geben soll und die Alten Meister, die so geliebt sind bei vielen hier in der Hauptstadt, dass die in der Gemäldegalerie bleiben können.

    Schmitz: Das ist die Habenseite gewesen von Bernd Neumann. Wie sieht es mit der Sollseite aus? Was hat er nicht geschafft, was muss sein Nachfolger leisten?

    Peitz: Sein Nachfolger übernimmt große Baustellen, auch tatsächlich reale Baustellen. Um die wird es viele Debatten geben und auf der Sollseite steht ein bisschen, dass einige der Debatten ein bisschen von ihm hätten mehr angeregt, gesteuert werden können.

    Schmitz: Welche?

    Peitz: Nicht nur, was die Neuordnung der Berliner Museumslandschaft angeht, sondern vor allem das Schloss. Die größte Baustelle sieht man ja deutlich in der Mitte der Hauptstadt. Da ist seit Jahren von einer konstanten Summe die Rede, die ist einmal erhöht worden, die steht jetzt bei einer Gesamtsumme von 590 Millionen Euro. Da sind aber sehr viele Dinge überhaupt noch gar nicht eingepreist gewissermaßen.

    Zum Beispiel die erst teilfinanzierte Schlosskuppel, ohne die ein Schloss kein richtiges Schloss ist, die Spenden, die erbracht werden sollen, damit der Fassadenschmuck, ohne den ein Schloss auch kein Schloss ist, finanziert werden kann. Auch diese Zahl steht bei 80 Millionen Euro. Die steht da schon, seitdem ich mich als Kulturjournalistin mit dem Schloss beschäftige, also seit vielen, vielen Jahren, und wie durch ein Wunder ist das inflations- und sonst wie preissteigerungsresistent. Also da werden wir noch einige unangenehme Überraschungen erleben, auch was die Diskussion innen und außen angeht. Da sollen die außereuropäischen Sammlungen rein, da passt außen und innen nichts zusammen, das wird noch sehr, sehr viel Streit und sehr viel Diskussionen geben, und das soll ja auch so sein. Das ist Deutschlands wichtigstes Kulturprojekt und auch teuerstes. Da soll die Öffentlichkeit ganz viel diskutieren, damit es am Ende von einer breiten Mehrheit auch in der Bevölkerung getragen ist.

    Die virtuellen Baustellen sind auch nicht zu unterschätzen: Reform der Künstler-Sozialkasse, die Stärkung des Urheberrechts im Internet-Zeitalter, die Notwendigkeit einer ganz großen Filmförder-Novelle, die Herausnahme der Kultur aus dem Freihandelsabkommen, alles Sachen, an denen sich auch Neumann die Zähne ausgebissen hat und zum Teil in den eigenen Reihen der CDU keinen Rückhalt hatte. Das werden die anderen großen Baustellen sein.

    Schmitz: Christiane Peitz zum Ausscheiden von Bernd Neumann als Kulturstaatsminister.


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