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Seit sieben Jahren DAAD-Lektor in Estland

Dirk Müller unterrichtet als DAAD-Lektor Deutsch an der Pädagogischen Hochschule in der estnischen Hauptstadt Tallin. Ursprünglich hat er in der DDR Englisch und Russisch studiert, sich nach einem Jahr in der damaligen Sowjetunion und nach der Wende aber für das Baltikum entschieden. Ein Faible für den Norden hatte er ohnehin schon immer.

    Für mich ist das spannend und interessant, sonst hätte ich nicht schon sieben Jahre hier unterrichtet, und wäre nach einer kleinen Pause auch wieder zurückgekommen.

    Dirk Müller unterrichtet als DAAD-Lektor Deutsch an der Pädagogischen Hochschule in der estnischen Hauptstadt Tallin. Ursprünglich hat er in der DDR Englisch und Russisch studiert, sich nach einem Jahr in der damaligen Sowjetunion und nach der Wende aber für das Baltikum entschieden. Ein Faible für den Norden hatte er ohnehin schon immer. Seine Studenten hier in Estland wollen überwiegend Deutschlehrer werden. In dem kleinen Land, dessen Sprache jenseits der Landesgrenzen kaum jemanden interessiert, sind Fremdsprachen ein Muss. Ausser Englisch und Finnisch ist auch Deutsch bei den Esten recht beliebt. Russisch können viele noch aus den Zeiten, als Estland zur Sowjetunion gehörte. Das Studium in Estland ist zwar ziemlich verschult, aber Dirk Müller kann als Lektor aus Deutschland seinen Unterricht ganz nach seinen Vorstellungen gestalten.

    Das war auch das Fantastische in meinen sieben Jahren hier, ich hatte sehr viele Freiheiten, am Anfang schienen es fast zu viele Freiheiten. Wichtig ist, das etwas dabei rumkommt, aber das weiss ich auch sehr zu schätzen und noch mehr nach bestimmten zwischenzeitlichen Erfahrungen auch in Deutschland, dass man mir soviel freie Hand lässt. Am Anfang, wenn man noch nicht soviel Erfahrung hat, möchte man vielleicht ein bisschen an die Hand genommen werden, aber mittlerweile… Das geniesse ich schon.

    Etwas schwieriger war es da schon mit dem zurückhaltenden Temperament der Esten zurechtzukommen. Die sagen über sich selbst, dass sie nicht zu Gefühlsausbrüchen neigen und auch nicht zuviele Worte machen.

    In dem ersten Jahr hatte ich immer das Gefühl, das dort nicht dieses Feed-back kommt von den Studierenden und ich war völlig verunsichert, ich kam damals natürlich auch frisch vom Studium und hatte nicht soviel Unterrichtserfahrung und ich hatte immer das Gefühl ich bin ganz schlecht und kann nichts erklären, es kommt nichts rüber was ich sagen will, vielleicht ist das alles umsonst, manchmal hatte ich so das Gefühl ich spreche gegen ne Wand oder bin alleine im Zimmer, aber mir gegenüber wurde auch keine Kritik geäussert, es kam eher so null Reaktion, so wie ich das gedeutet hatte.

    Irgendwann beruhigten ihn dann seine Kolleginnen, dass es in Estland einfach länger dauere, bis die Menschen auftauen. Dirk Müller hat sich daran gewöhnt, man werde einfach auf Dauer selbst auch ein bisschen so, erklärt er mit einem Schmunzeln. Der Kontakt zu den anderen Dozenten ist nett, viel Privates läuft allerdings auch da nicht. Seit der Lektor im September 1993 zum ersten mal in Estland ankam, hat sich viel verändert.

    Also heute, das ist ja fast schon wie zuhause, was so den Lebensalltag angeht, mit den kulturellen Besonderheiten, die es hier gibt, aber ansonsten, es ist ja ne richtige moderne Stadt und ein modernes Land, aber vor zehn Jahren da war die Unabhängigkeit noch sehr jung und da stand man vor den Trümmern des Sowjetsystems und war mit ganz anderen Problemen konfrontiert. Man konnte was zu essen kaufen aber die Auswahl war klein, im Winter wurde so schlecht geheizt dass man mitunter 13/14 Grad in der Wohung hatte, Telefonverbindungen irgendwie funktionierten, aber auch nicht immer, Wasser gab es meistens, konnte auch mal unterbrochen werden, solche Sachen sind heute nicht vorstellbar. Damals war das schon ne Herausforderung, aber da ich auch schon davor Erfahrungen hatte aus einem Jahr Sowjetunion 90/91 wo es gar nichts gab, abgesehen von Brot und Weisskohl, das war für mich jetzt nicht so n grosses Problem. Improvisieren, das konnte man irgendwie schon. Kannte man, konnte man. Ging.

    Damals war auch Politik noch ein wichtiges Thema. Das ist unter den Studierenden inzwischen nicht mehr so. Kein Wort sei zum Beispiel zum Irak-Krieg gefallen, weder unter seinen Studierenden, noch unter den Kollegen, erzählt Dirk Müller. Wenn es nicht um Studiengebühren oder andere eigene Belange geht, plagt die estnischen Studierenden wie in anderen europäischen Ländern eine große Politikmüdigkeit. Ein Thema, dass in der Gesellschaft und auch an den Hochschulen beständig unter der Oberfläche brodelt, ist der Umgang mit der grossen russischen Minderheit. Sie macht fast ein Drittel der Bevölkerung aus und ist kaum wirklich integriert. Auch an der Uni lebt man eher nebeneinander.

    Selbst nach zwei Jahren hier an der Uni merke ich, dass die Gruppenbildung da ist und sehr stark ist. Sie würden das auch nicht im Unterrichtsgespräch thematisieren, aber ich hab die Bestätigung auch aus kleinen Essays, Aufsätzen zu dem Thema: was hat Ihnen bisher am Studium am besten gefallen, was nicht. Immer dort wurden ganz stark, besonders von estnischen Studierenden, die Probleme, die sie mit den russischen haben, mit dem Temperament und auch die Probleme Kontakt zu finden oder sich überhaupt irgendwie zu arrangieren. Ist leider so.

    Nur wenige Veranstaltungen an estnischen Hochschulen werden auf Russisch angeboten, obwohl die Schulen immer noch in russische und estnische unterteilt sind. Wie auf Dauer im Bildungssektor mit der Minderheit umgegangen werden soll, ist noch unklar. Für Dirk Müller bringen seine Estland Erfahrungen keinen grossen Karrieresprung. Trotzdem ist er nach Intermezzi in Finland und Deutschland gerne zurückgekommen.

    Jemand der in sehr engen Karrierekategorien denkt, an sein persönliches Vorankommen, der ist wahrscheinlich in Estland nicht ganz so gut aufgehoben, das mag sich jetzt mit dem Beitritt zur EU, der hoffentlich stattfindet, etwas ändern, aber Estland als das grosse Sprungbrett in der Karriere zu betrachten, nein. Ich hab es ja auch selbst erfahren, nach 5 Jahren in Estland bin ich ja nach Deutschland zurückgegangen mit dem festen Plan, dort Fuss zu fassen auch beruflich, und das ist leider nicht gut gelungen, obwohl ich sehr viel versucht habe. Das Land ist zu klein, es wurde zumindest bis in die späten 90er Jahre noch kaum wahrgenommen, ich bin hier deshalb nicht vorangig aus Karrieregründen,sondern ich konnte hier über ne relativ lange Zeit das machen, das verwirklichen, was ich möchte, viele von meinen beruflichen Vorstellungen kann ich hier fast ideal umsetzen, natürlich immer mit so n bisschen besorgten Gedanken im Hintergrund, was wird dann, was wird später.

    Inzwischen promoviert der DAAD Lektor an einer finnischen Universität. Ein Jahr will er auf jeden Fall noch in Tallinn bleiben. Schliesslich weiss er auch wie man den manchmal endlos scheinenden Winter in Estland übersteht. Der Sommer dauert nämlich nur drei Monate.

    Mit ner möglichst positiven Einstellung dazu, mit nem guten paar Skier und es gibt genug Perioden, Wochen, Monate im Winter wo es richtig schönes Winterwetter ist und dann ist es fantastisch, über die dazwischenliegenden häufig auch sehr langen grauen, stürmischen, regnerischen, ungemütlichen Perioden kommt man am besten hinweg, indem man sich dem nicht widerstandslos hingibt, sondern was macht, es ist manchmal nicht einfach und ich selbst weiss auch von mir es gibt immer Phasen wo man fast zu Depressionen oder zu solchen Stimmungen neigt – was machen einfach. Es gibt auch im winter tolle Angebote, es gibt zum Beispiel ein tolles Filmfestival, da ist man 10 Tage nur unterwegs, also ich zumindest, da kommt man zu nix anderem und ausserdem ist immer die Vorfreude auf den Sommer, denn da weiss man, da gibts viel Licht, tolle Sachen, die entschädigen und diese Vorfreude, die hilft auch den Leuten hier.