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Sekt oder Selters

Chemie. - Polizisten haben es nicht immer leicht. Schon gar nicht, wenn sie nachts um zwei auf Promillestreife unterwegs sind, um betrunkene Fahrer aus dem Verkehr zu ziehen. Doch die Ausreden für den Ethanolgehalt im Blut sind dank modernster Messverfahren überflüssig. Ein neuer Test kann jetzt sogar belegen, wann welcher Alkohol konsumiert wurde.

Von Ralf Krauter. |
    Man fühlt sich unweigerlich ein wenig in die gute alte Studentenzeit zurück versetzt, wenn Professor Herbert Käferstein von den Experimenten an seinem Institut erzählt. Der Rechtsmediziner von der Universität Köln lädt nämlich öfter mal Probanden zu einem ordentlichen Schluck ins Labor.

    Das waren so genannte Trinkversuche. Das bedeutet: Unter kontrollierten Bedingungen müssen eben Versuchspersonen beispielsweise Kölsch trinken, jedenfalls an einem Versuchstag. Und an einem anderen Versuchstag trinken sie Weißwein. Und am dritten Versuchstag trinken sie Wodka. Wir hatten diese Getränkeklassen hier im Rahmen dieser Arbeit ausgesucht.

    Beim Trinken für die Wissenschaft wird nichts dem Zufall überlassen. Unter Berücksichtigung von Körpergröße, Gewicht und Geschlecht wurde für jeden Probanden die nötige Dosis ermittelt, um einen bestimmten Promillewert zu erreichen. In 90 Minuten kamen da schon einmal zwölf Kölsch oder einige Gläser Weißwein zusammen. Der einzige Wermutstropfen für die Test-Trinker: Sie mussten in regelmäßigen Abständen Urin-Proben abgeben. Mit deren Hilfe wollten die Forscher herausfinden, inwieweit sich anhand des ausgeschiedenen Urins Aussagen über die Art und Menge des konsumierten Alkohols ziehen lassen. Das besondere Augenmerk galt dabei den so genannten Begleitalkoholen. Das sind Alkohole, die neben dem berauschenden Ethanol, das bei Promilletests nachgewiesen wird, in Getränken enthalten und für deren Geschmack mit verantwortlich sind.

    Voraussetzung ist zunächst mal, dass eben unterschiedliche alkoholische Getränke auch unterschiedliche Begleitalkoholmuster aufweisen. Und man kann die Getränke da in unterschiedliche Gruppen einteilen. Beispielsweise Gruppe Bier, Gruppe Wein und die hochprozentigen alkoholischen Getränke wie Wodka, die letztlich nur verdünntes Ethanol sind. Und letztere enthalten dann praktisch keine Begleitalkohole.

    Das Ergebnis der Versuchsreihe der Gerichtsmediziner aus Köln: Die im Urin enthaltenen Stoffwechselprodukte des getrunkenen Alkohols, die so genannten Glucuronide, spiegeln die ganze Palette der in einem Bier oder Cocktail enthaltenen Alkoholsorten wieder.

    Das neue bei unserem Verfahren ist, dass man diese Alkohol-Glucuronide, speziell auch die Glucuronide der so genannten Begleitalkohole direkt nachweisen kann.

    Heraus kommt eine Art alkoholischer Fingerabdruck, der eindeutig verrät, ob die Aussage "ich habe doch nur drei Bier getrunken" stimmt, oder ob daneben auch noch Wein oder Hochprozentiges im Spiel war. Auch wenn der Kölner Alkohol-Test damit wertvolle Informationen liefern kann - er basiert auf der so genannten Gaschromatographie-Massenspektrometrie und ist somit relativ aufwändig. Zur Routine-Anwendung beim Promilletest am Straßenrand wird es also wohl nie kommen. Zumal der Gesetzgeber dafür sowieso Atem- und Bluttests als rechtlich verbindlich vorschreibt. Einen Vorteil aber hat die neue Methode, und der könnte Polizisten in anderen Fällen nützlich sein. Und zwar bei der Überprüfung einer so genannten Nachtrunk-Situation bei Fahrerflucht. Die Urin-Probe verrät nämlich nicht nur, ob Wein oder Wodka geflossen ist. Sie erlaubt auch Rückschlüsse darauf, wann das letzte Glas getrunken wurde.

    Wenn wir uns eben vorstellen, dass es eben zu einem Verkehrsunfall kommt und die Polizei erst einmal nicht vor Ort ist. Der Unfallverursacher entfernt sich, fährt nach Hause oder sonst irgendwo hin und hat dann Gelegenheit, etwa Wodka oder sonst irgendein alkoholisches Getränk zu sich zu nehmen. Meistens wird dann gesagt: Auf den Schreck musste ich erst mal einen Schnaps trinken, oder auch eine Flasche Schnaps oder was ähnliches.

    Ob der Fahrer nun tatsächlich erst nach dem Unfall zu trinken begann oder schon vorher - der Urin-Test bringt es ans Licht. Eine weitere mögliche Anwendung des neuen Verfahrens sehen die Wissenschaftler in der Abstinenzkontrolle. Wer mehrmals betrunken am Steuer erwischt wurde, bekommt den Führerschein häufig nur unter der Auflage wieder, in Zukunft überhaupt nicht mehr zu trinken. Die gängigen Testverfahren zur Überprüfung der verordneten Abstinenz schlagen aber nur bei exzessivem Alkoholkonsum Alarm. Das Gläschen Rotwein am Vorabend bleibt unentdeckt. Die Stoffwechselprodukte der Begleitalkohole im Urin könnten auch hier für Klarheit sorgen.