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Selbst die Butter ein Kubus

Schlicht, klar, minimalistisch: Die Formsprache des deutsch-amerikanischen Architekten Ludwig Mies van der Rohe ist bis heute unverkennbar. Als Bauhaus-Direktor prägte van der Rohe die deutsche Baukunst, 1938 begann seine Karriere in den USA.

Von Bernd Polster | 27.03.2011
    "Der Mann, dem ich hier in Aachen gegenübersitze, ist wohl einer der großen Architekten unserer Zeit: Ludwig Mies van der Rohe. Für ein paar Tage ist er nach Aachen, in seine Heimatstadt gekommen, um einmal nach dem Rechten zu sehen."

    Als Ludwig Mies van der Rohe 1959 ein Radiointerview gab, fuhr dem Reporter die Ehrfurcht in die Glieder.

    "Ich lebe in Chicago, wo auch unser Hauptoffice ist. Dann bauen wir in Detroit, in New York, Newark, in Cuba, Mexiko und in Brazil", erklärt Mies van der Rohe.

    Reporter: "Das sind ja fast weltweite Pläne. Wie können Sie die überhaupt koordinieren?"

    Mies van der Rohe: "Ach, das ist ganz einfach. Das ist immer dasselbe."

    Mies van der Rohe war auch sprachlich ein Minimalist. Gerade hatte er in Manhattan das 38 Etagen hohe Seagram Building fertiggestellt. Einen schlanken Kasten aus Stahl und Glas, der Inbegriff des modernen Büroblocks.

    Am 27. März 1886 als Sohn eines Steinmetzes geboren, war der gelernte Maurer - wie so viele junge Glückritter - in die brodelnde Hauptstadt Berlin gezogen, und hatte dort die richtigen Leute getroffen: zuerst Bruno Paul und dann Peter Behrens, beides Wegbereiter der Moderne. Im Büro Behrens arbeitete damals auch Walter Gropius, der spätere Bauhausgründer, der noch öfter seinen Weg kreuzen sollte. Der ehrgeizige Ludwig Mies legte sich einen Künstlernamen zu. Van der Rohe war der Mädchenname seiner Mutter. In dem Willen, nach oben zu kommen, lag vielleicht auch eine Ursache für die ihm eigene, so rigorose Anwendung der Regeln der Begradigung und des Weglassens.

    "Ich bekenne mich dazu. Die haben wir nur weiterentwickelt im Laufe der Jahre. Und ob es ein hohes Haus ist oder ein flaches Haus ist, ein Regierungsgebäude oder ein Office-Gebäude, das spielt keine große Rolle", so Mies van der Rohe.

    Es muss 1930 gewesen sein, da waren Ludwig Mies van der Rohe und seine Partnerin Lilly Reich einmal bei den Kollegen Anni und Josef Albers zum Essen eingeladen. Auf dem gedeckten Tisch erspähten sie einen Berg kleiner Butterbällchen, ein damals übliches Zierwerk. Welch ein Fauxpas! Lilly und Ludwig belehrten ihre Gastgeber: Am Bauhaus habe auch die Butter ein Kubus zu sein!

    1927 als Leiter der Stuttgarter Weißenhof-Siedlung hatte Mies van der Rohe den weißen Baukubus weltweit bekannt gemacht. Zwei Jahre später zeichnete er die Pläne für den deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Barcelona, einen Glaskasten mit freiem Grundriss, durch den er Spezialist für eine repräsentative Architektur wurde. Auch das elegante Mobiliar, heute alles Designklassiker, hatte er selbst entworfen. Während andere Arbeitersiedlungen planten, baute er nun in Brünn für das Unternehmerpaar Fritz und Grete Tugendhat eine Villa. Allein das Wohnzimmer war knapp 300 Quadratmeter groß.

    "Ich habe immer gerne große Räume gehabt, wo ich drin machen konnte, was ich wollte. Und ich habe gesagt, Menschenskind, mach doch die Bude groß genug. Da kannste hin- und her drin laufen."

    1930 wurde Ludwig Mies van der Rohe Direktor am Bauhaus. Obwohl die Zeit für sein Werk relativ unbedeutend war, wird er damit bis heute identifiziert. 1933 haben die Nationalsozialisten die Hochschule geschlossen. Dass Mies van der Rohe kurz darauf einen Wahlaufruf für Hitler unterschrieb, haben ihm viele nie verziehen. Fünf Jahre lang hat er versucht, sich mit dem Regime zu arrangieren. Vergeblich. Als er dann 1938 nach Amerika ging, fand in New York im Museum of Modern Art gerade die erste Bauhaus-Ausstellung statt, in der Mies van der Rohe nicht vorkam. Walter Gropius, ihr Kurator, hatte ihn gestrichen. Seinem Erfolg in Amerika hat es jedoch nicht geschadet:

    "Ich bekam eine Direktorstelle der Architekturabteilung am Illinois Institute of Technology. Das war eine ganz einfache Geschichte. Ich wusste genau, wie man Architektur unterrichtet. Und ich habe die Schule umgekrempelt und sie auf eine vernünftige Basis gestellt. Und sie florierte dann auch."

    Und weil es in den USA so gut lief, war Ludwig Mies van der Rohe nach dem Krieg auch in Deutschland bald wieder gefragt. 1968, ein Jahr vor seinem Tod, wurde in Berlin seine Neue Nationalgalerie eingeweiht: schlicht und monumental zugleich, ein ganz neuer Typus des Kunstmuseums.