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Selbstbewusstsein trainieren

Wirklich vorbereiten kann man sich auf ein Assessment Center nicht, man kann aber dafür üben. Die Coach Academy in Stuttgart bietet unsicheren und glücklosen Teilnehmern Trainings von verschiedenen typischen Situationen eines Assessment Centers an: Selbstdarstellung, Selbstsicherheit und Teamfähigkeit sind die zentralen Aspekte an denen dort gefeilt wird.

Von Thomas Wagner |
    "Also ich denke, Übung macht den Meister. Also ich denke, wirklich vorbereiten kann man sich wahrscheinlich nicht. Na ja, doch, ein bisschen so, wenn man so etwas schon mal gemacht hat, ist man beim zweiten Mal auf jeden Fall besser."

    Vicky Peininger aus Stuttgart ist eine weitere Teilnehmerin am Assessment Center von ZF. Wie sich auf diesen Tag vorbereiten? Die junge Wirtschaftswissenschaftlerin war da genauso ratlos wie die meisten übrigen Teilnehmer. Kann man sich überhaupt sinnvoll auf ein Assessment Center vorbereiten, wo es neben den fachlichen Fertigkeiten doch so sehr auf die Sozialkompetenz und auf das Verhalten in der Gruppe ankommt?

    "Man kann sich darauf vorbereiten, indem man sein Selbstbewusstsein stärkt. Indem man sich klar wird, was man kann und was man will. Die Teilnehmer sollten an ihrer Kommunikationsfähigkeit arbeiten, an ihrer Fähigkeit, Kontakte zu knüpfen und nicht permanent weg schauen. Denn viele Tests in einem Assessment Center sind Tests, die gar nicht als solche ausgeschrieben sind. Die finden in einer Kaffeepause statt oder beim Essen oder in einer kleinen Runde, wo man in einer kleinen Runde zusammensteht und über Kleinigkeiten redet. Auch da wird man beobachtet."

    Stellt Heiko Lüdemann fest. Er betreibt zusammen mit seiner Frau Carolin in Stuttgart die Coach Academy - eine Einrichtung mit einem vielfältigen Aufgabenspektrum: Wie schreibe ich eine richtige Bewerbung? Wie gehe ich ein Vorstellungsgespräch an? Und natürlich auch: Wie bereite ich mich auf ein Assessment vor? Die Lüdemanns bieten dazu Trainingseinheiten an. Finanziert wird die "Coach Academy" zum einen durch Teilnehmerentgelte. Eine Stunde Coaching kostet 60 Euro. Daneben erhalten Carolin und Heiko Lüdemann Zuschüsse von einzelnen Firmen und Unternehmensverbänden. Durch diesen Kontakt halten sie sich auch stets über das, was in den Firmen gefragt ist, auf dem Laufenden. Ich spiele die Rolle eines Hochschulabsolventen, der in zwei Wochen bei einem großen Unternehmen zu einem Assessment Center eingeladen ist. Wie sich darauf vorbereiten?

    Heike Lüdemann führt mich durch die hohen Räume jenes Altbaus in der Stuttgarter Innenstadt, in der die Coach Academy untergebracht ist. Es geht in ein eher kleines Besprechungszimmer. Lüdemann nimmt an einem Schreibtisch Platz. Ich sitze ihm gegenüber. Die Situation ähnelt einem Arztbesuch.

    "Warum haben Sie das Gefühl, dass ein Assessment Center für Sie eine besondere Herausforderung darstellt?"

    Ich erzähle etwas davon, dass es bei einem solchen Prüfverfahren wohl sehr auf das Verhalten eines Einzelnen in der Gruppe ankomme, ich damit aber kaum Erfahrungen habe. Heiko Lüdemann hakt nach:

    "Arbeiten sie am besten im Team. Oder erzielen Sie die besten Ergebnisse, wenn Sie alleine arbeiten?"

    Ehrlicherweise gebe ich zu, bislang ein Einzelkämpfer gewesen zu sein. Als solcher habe ich stets auch meine besten Arbeitsergebnisse erzielt - "falsche Antwort", muss ich Augenblicke später feststellen.

    "Dann haben Sie im Assessment Center ein Problem. Weil gerade im Assessment Center auch die Teamfähigkeit mit anderen Menschen getestet wird und die richtige Antwort oder eine gute Antwort wäre: ’sowohl als auch’. Ich kann beides. Ich arbeite zwar gerne im Team. Aber ich weiß, dass es auch sehr wichtig ist, alleine zu arbeiten. Und alleine erziele ich durchaus sehr gute Ergebnisse. Aber ich würde niemals von vornherein ausschließen, dass man auch teamfähig ist. Das ist aber etwas, wo viele Schwierigkeiten haben, wenn sie vor so eine Alternativfrage gestellt werden und denken: Es gibt nur diese beiden Antworten, und legen sich dann fest. Und in dem Moment sind sie im Prinzip einer Fangfrage auf den Leim gegangen."

    Fangfragen, belehrt mich mein Coach, wie sie häufig in einem Assessment Center auftreten können. Um darauf gewappnet sein, müsse man sich solcher Fangfragen erst einmal bewusst werden.

    "Das ist doch die Idee in einem Assessment Center, dass ich prüfe, inwieweit kann ich eine Aussage treffen, dass der später im realen Arbeitsumfeld gute Ergebnisse erzielt. Ich möchte also im Prinzip nichts anderes, als Sie im Laufe des Gesprächs aus dem Gleichgewicht zu bewegen. Ich möchte Sie ein wenig ’kippeln’ sehen und dann sehen, wie Sie in Anführungsstrichen in einer extremen Situation reagieren."

    Die Kunst besteht also darin, sich nicht so schnell aus dem Gleichgewicht bringen zu lassen. Nun gut. Nächste Aufgabe:

    "Was machen Sie zum Beispiel, wenn Sie ihren Chef im Fahrstuhl treffen? Viele Mitarbeiter schauen, wenn sie im Fahrstuhl unterwegs sind, ihren Chef nicht an. Sie schauen auf das Zählwerk, in welcher Etage man gerade ist, oder schauen auf ihre Schuhe oder sonst wo hin. Aber sie haben eben Angst, auch mal ihren Chef anzusprechen oder den Vorstandsvorsitzenden anzusprechen und vielleicht in zwei, drei Sätzen mal deutlich zu machen, wer sie gerade sind, in welcher Abteilung sie arbeiten, woran sie gerade arbeiten und dabei eben auch lernen, Kontakte herzustellen, also ’small-talk’-fähig zu sein. Und das können eben auch viele der jungen Menschen gerade nicht. Wir haben festgestellt, dass viele von denn in ihrer Kommunikationsfähigkeit unwahrscheinlich limitiert sind."

    Das, sage ich meinem Coach, könne ich mir bei mir nun nicht vorstellen. Ich sei nicht nur im Fahrstuhl durchaus gesprächig. Mein Gegenüber blickt auf.

    "Sagen Sie mir zwei, drei Sätze, warum ich sie weiterempfehlen soll? Wir machen das im Training gerne so, dass wir eine Visitenkarte ausgeben. Und da ist auf der Rückseite ein begrenzter Raum. Und auf diesen begrenzten Raum soll der Kandidat schreiben, warum man ihn weiterempfehlen soll. In eine Geschichte gepackt, sieht das folgendermaßen aus: Stellen Sie sich vor, Sie haben jemanden kennen gelernt, während einer Zugfahrt oder in einem Bahnabteil. Und es kommt zu einem richtig guten Gespräch. Und plötzlich sagt der Gesprächspartner, der zufälligerweise ein Personalchef ist: Jetzt muss ich aussteigen. Schreiben Sie mir schnell auf die Rückseite meiner Karte, warum ich sie weiter empfehlen soll und meine Mitarbeiter melden sich dann bei ihnen. So, und wenn die Karte dann weiß bleibt, also sprich leer bleibt, dann haben Sie halt ein Problem, weil sie überhaupt nicht wissen, was Sie können, wo ihre Stärken sind und wo ihre Schwächen liegen und sie sich dementsprechend nicht ordentlich positionieren können. Und da können Sie tun, was Sie wollen. Sie können noch so viele Tests üben. Wenn Sie in dieser Frage nicht sattelfest sind, werden Sie immer Schwierigkeiten haben."

    Immerhin, bescheinigt mir Carolin Lüdemann, habe ich in der Trainingssituation eines richtig gemacht: Ich bin nicht, wie so viele Kandidaten, auf eine eher unverbindliche Sprache ausgewichen. Selbst im Training auf ein Assessment Center ist es wichtig, mit dem Coach ’Tacheles’ zu reden.

    ""Richtig gut vorbereitet bin ich, wenn ich mich bereits im Vorfeld der Realität stelle. Das bedeutet eben, dass ich meine Antworten auch in direkter Rede dann gebe. Dass ich nicht sage: Ja, wenn ich dem Personaler gegenüber sitzen würde, dann würde ich ihm antworten, dass ich besonders teamfähig bin. Nein, ich muss gleich sagen: Ich bin teamfähig, weil…Und wenn wir in unseren Gesprächen mit den Teilnehmern eben in dieser direkten Rede diese Situation üben, sind sie in der realen Situation auch sehr viel selbstsicherer. Weil es kommt Ihnen ja bekannt vor: Sie haben irgendwann die gleiche Antwort schon gegeben und auch begründen können."

    Trainiert wird in der ’Coach Academy’ auch der richtige Umgang mit den Zeitvorgaben: Fast zu jeder Aufgabe, die im Assessment Center gestellt wird, gibt es ein festes Zeitkorsett. Doch so mancher Kandidat, bemerkt Carolin Lüdemann, hält sich nicht daran.

    "Er macht eben auch den Fehler, wenn man ihm sagt, Sie haben jetzt drei Minuten Zeit für ihre Selbstpräsentation, dass er sich nicht an die Zeit hält. Wenn er zweieinhalb Minuten redet, dann ist es nicht so fatal. Wenn er da vorne steht und fünf Minuten redet, dann ist es schon in gewisser Weise auch ein Minuskriterium. Und das ist schon so, was die meisten Teilnehmer im Vorfeld nicht beachten: Einmal, dass sie sich nicht auf elementare Dinge vorbereiten und zum anderen sich auch nicht in diese Situation versetzen, dass ihnen klar ist, dass alles zählt, dass sie sich eben auch an die Zeit halten, wenn ihre Worte auch noch so schön sind."

    Auf einzelne Aufgaben eines Assessment Centers sei, sagt Carolin Lüdemann, eine inhaltliche Vorbereitung so gut wie unmöglich. Sehr wohl ließen sich aber bestimmte Elemente trainieren, die in nahezu jedem Auswahlverfahren dieser Art vorkommen.

    "Wir können nur sagen: Aller Wahrscheinlichkeit nach wird Selbstpräsentation mit dabei sein, dass er einige Worte über sich selbst sagen muss, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Gruppendiskussion mit dabei ist. Wir gehen her und analysieren die ausgeschriebene Stelle und fragen uns dann: Was sind denn da für Fähigkeiten besonders wichtig? Und diese Fähigkeiten, man könnte auch soziale Komponenten, werden im Assessment Center geprüft oder hinterfragt. Wir machen häufig die Erfahrung in puncto Selbstpräsentation. Also es ist so vorhersehbar, dass der Teilnehmer einige Dinge über sich selbst sagen muss. Aber er kann es trotzdem nur sehr schlecht, gerade weil er sich selbst nicht darüber bewusst ist, was er eigentlich ist, was er will, was er kann und dann auch dementsprechend nicht gut präsentieren kann."

    Daneben sind sich Carolin und Heiko Lüdemann von der Stuttgarter Coach-Academy in einem Punkt ziemlich sicher: Dass der Ablauf von Assessment Center zukünftig einem erheblichen Wandel unterworfen ist - und damit auch die Möglichkeit, sich darauf vorzubereiten:

    ""Wir gehen davon aus, dass in den kommenden Jahren durch die neuen Medien, durch die neuen Technologien, wie zum Beispiel Skype, vor dem Vorstellungsgespräch oder vor dem Assessment Center kleine Vortelefonate oder kleine Videokonferenzen durchgeführt werden, um eben die Kandidaten besser einschätzen zu können."

    Das heißt: Die Kandidaten müssen sich dann noch früher und noch effektiver auf die entsprechenden Gesprächssituationen einstellen als derzeit. Manche von ihnen bedienen sich allerdings bereits jetzt eines Tricks, um bei dem Assessment Center ihrer Wahl erfolgreich abzuschneiden. Sie bewerben sich vorher ganz einfach bei anderen Firmen mit dem Ziel, auch dort an solchen Auswahlverfahren teilzunehmen. Dabei wollen sie damit gar keinen Job ergattern, weiß Heiko Lüdemann. Er spricht von einem regelrechten "Assessment Center Tourismus":

    "Wir stellen fest, dass sich eben viele Kandidaten zu Assessment Centern einladen lassen, einfach, um hier sicherer zu werden. Das ist in der Tat eine sehr einfache Methode. Nur für die Unternehmen ist das natürlich unglücklich, weil die in der Tat eine Stelle zu besetzen haben. Und es hilft nicht, wenn dort Kandidaten kommen, die einfach mal vorbeischauen wollen und ihre Kompetenzen in Assessment Centern trainieren wollen."