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Selbstdarsteller oder Botschafter?

Podcasts, kurze und oft tagesaktuelle Audio-Produktionen, erfreuen sich nicht nur bei Internet-Surfern großer Beliebtheit, sondern auch bei berufenen Hobby-Produzenten. Welche Motivationen dahinter stecken, untersuchte jetzt die Universität Bremen.

Von Marcus Schuler | 04.08.2007
    Podcaster aus mehr als 49 Ländern haben sich an der Umfrage beteiligt. Für den Macher der Studie, den Freiburger Medienwissenschaftler Dr. Dennis Mocigemba ein erstaunlicher Umstand. Sogar Podcaster von den Färöer-Inseln, aus Thailand, aus Saudi-Arabien und vielen anderen Ländern haben an der Umfrage der Jacobs Universität Bremen teilgenommen. Daten von fast 1700 Podcastern konnten Mocigemba und sein Co-Autor Gerald Riechmann so erfassen. Das Gros der Teilnehmer rekrutierte sich allerdings aus den USA, Deutschland und Großbritannien. Der Medienwissenschaftler Mocigemba:

    "Wir hatten drei zentrale Fragen. Die erste Frage war: Wer sind diese Podcaster weltweit überhaupt? Also die privaten Podcaster. Da war das interessante Ergebnis, dass es eine relativ große Altersspanne ist. Es sind nicht unbedingt die Teens, die podcasten, sondern der Mittelwert lag bei 34 Jahren. Wir hatten eine relativ große Spanne – von zwölf bis 72 Jahre, wobei die hohe Altersgruppe relativ stark besetzt war."

    Mehr als fünftausend Podcast gibt es nach einer vorsichtigen Schätzung des Verzeichnisses podcast.de allein in Deutschland. Die etablierten Medienunternehmen hierzulande dominieren mit ihren Sendungen und Beiträgen mittlerweile den Podcast-Markt. Beide – nicht-kommerzielle private Podcaster und die Angebote – beispielsweise von Deutschlandfunk und den Landesrundfunkanstalten der ARD – tun sich keineswegs weh.

    "In vielen Fällen – das sieht man ja auch, wenn man die Verzeichnisse durchstöbert, sind das eben auch Themen, die sehr speziell sind, die oft sehr klein gewählt sind, und nicht das breite Spektrum abdecken, wie es bei den etablierten Medien der Fall ist."

    Podcasting ist kein besonders teures Hobby. Nur sechs Prozent der Befragten geben dafür im Monat mehr als 50 Euro aus. Und: Um selbst einen Podcast zu produzieren, benötigt man keine teure Technik oder Spezialwissen. Fünfzig Prozent der weltweit befragten Podcaster sind Autodidakten.

    "Das heißt, sie haben das Senden von Audio- oder Video-Content in der Form nie gelernt, haben nie Journalistik studiert oder in der Medien- oder Werbeindustrie gearbeitet. Sie haben sich das mehr oder weniger selbst beigebracht, so dass man beim Podcasting von so einer Art Graswurzel-Bewegung sprechen kann."

    Medienwissenschaftler Mocigemba ist aber auch den Unterschieden beim Podcasting in den verschiedenen Ländern nachgegangen. Ein Ergebnis: Amerikanische Podcasts sind im Schnitt länger. Während der US-Podcaster Sendungen von durchschnittlich 36 Minuten produziert, kommen die europäischen Podcasts auf rund 25 Minuten. Ein Grund, so schätzt Mocigemba, ist, dass die Amerikaner einen etwas längeren Weg zum Arbeitsplatz als die Europäer haben. Deswegen haben sie auch mehr Zeit, sich einen Podcast anzuhören. Rund ein Drittel der weltweit befragten Podcaster sendet übrigens anonym oder unter einem Phantasienamen im Netz.

    "Man stellt fest, dass relativ viele Podcaster den Podcast benutzen, um einfach bestimmte Facetten an sich selbst auszuprobieren oder zu verfeinern, die sie vielleicht im echten Leben nicht ausleben können."

    Ein Viertel der Podcaster geben sogar offen zu, dass sie ihren Podcast dazu nutzen, um eine bestimmte Rolle zu spielen.

    "Und das ist wiederum auch im interkulturellen Vergleich interessant, weil diese Tendenz gerade unter asiatischen Podcastern stärker ausgeprägt ist, als zum Beispiel in Nord-Amerika oder Europa."

    Doch auch zwischen Amerikanern und Europäern gibt es deutliche Unterschiede: US-Podcaster haben beim Podcasten offenbar stärker das "Geld verdienen" im Blick als ihre europäischen Kollegen.

    "Wir hatten fünfzehn Prozent der nordamerikanischen Podcaster, die gesagt haben, dass sie mit ihrem Podcast in irgendeiner Form Geld verdienen. Während das in Europa ungefähr acht Prozent waren. Und auf der anderen Seiten hatten wir in Europa über 60 Prozent, die gesagt haben, dass sie keinerlei kommerzielle Ziele verfolgen."

    Während man in den Anfangstagen des Podcasting, das war im Jahr 2005, den Rückkanal, also die Interaktion mit den Hörern, als eine Besonderheit anpries und dabei an Brechts Rundfunktheorie dachte, ist man zwei Jahre später, etwas nüchterner.

    "Obwohl diese Interaktion stattfindet und Feedback gegeben wird durch die Podcast-Hörer, ist es doch ganz selten eine kontroverse Diskussion, die sich dann entspinnt. Es sind dann zwei, drei Kommentare, die die Podcaster auf ihre Sendung bekommen, aber in den seltensten Fällen sind es richtig ausführliche Diskussionen über bestimmte Themen oder richtige Diskurse, die sich da entwickeln."