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Selbsthilfe in Äthiopien

Medizin. - Der Kampf gegen die Lepra ist ein Erfolg. Seit wirksame Medikamente kostenfrei zur Verfügung stehen, gehen die Infektionszahlen weltweit zurück. In der Gesundheitsstatistik der meisten Länder spielt der Aussatz keine Rolle mehr, andere Krankheiten, Aids, Tuberkulose oder Malaria erfordern mehr Aufmerksamkeit. Trotzdem infizieren sich jedes Jahr noch fast eine Viertel Million Menschen mit der Lepra, sie benötigen nach wie vor Hilfe.

Von Volkart Wildermuth |
    Eine staubige Straße zwischen Wellblechhütten, die Menschen sitzen in der Nachmittagssonne und unterhalten sich, gerade kommen Kinder in Schuluniformen nach Haus, ein paar Esel mit Kornsäcken auf dem Rücken drängen sich durchs Gewühl. Eine Szene wie überall in Afrika. Doch halt. Viele Menschen hier gehen an Krücken oder Stöcken, im Cafe halten sie die Tassen mit den Handflächen, weil ihnen Finger fehlen. Hier, rund um das Alert-Hospital in Addis Abeba haben sich schon seit Jahrzehnten Menschen angesiedelt, die an Lepra leiden. Der ehemalige Elektrotechniker Arega Kassa ist einer von ihnen. Schon vor Jahrzehnten hat das Lepra-Bakterium die Nerven in seinen Händen und Füßen zerstört.

    "”Ich habe das nicht verstanden. Manchmal fiel mir der Schraubenzieher aus der Hand, oder der Lötkolben hat mich verbrannt, im Bus habe ich mich am Fuß verletzt und ich habe nichts gemerkt. Ich hatte meine Empfindungen verloren. Meine beiden Füße mussten amputiert werden, weil sich Geschwüre gebildet hatten, die ich nicht gespürt habe.""

    "”Die Leute haben das Bild, dass die Lepra Finger und Zehen wegfrisst, aber das stimmt nicht. Es ist so, wenn man keine Empfindungen hat, dann verletzt man die Finger und Zehen.""

    Mit den Geschwüren, den fehlenden Gliedmaßen kommen die Vorurteile meint Professor Diana Lockwood vom Londoner Institut für Tropenmedizin. Arega Kassa spürt sie, wann immer er das Lepraviertel verlässt. Kassa:

    "”Du kannst sehen, sie hassen dich. Sie halten es für einen Fluch, eine Sünde, für die dich Gott bestraft, Die Gesellschaft hier ist sehr rückständig, sie wissen nichts, deshalb verachten sie mich.""

    Dabei ist Arega Kassa schon lange nicht mehr ansteckend. Eine mehrmonatige Therapie mit verschiedenen Antibiotika hat die Bakterien abgetötet. Schnell diagnostiziert, ist die Lepra eigentlich kein Problem mehr. Doch gerade wegen der Vorurteile kommen viele Patienten erst zur Behandlung, wenn schon Nerven abgestorben sind. Und auch nach der Therapie kann es zu weiteren Ausfällen kommen, erklärt Diana Lockwood0

    "”Die Nerven werden durch das körpereigene Immunsystem zerstört und diese Entzündung geht weiter, sogar wenn das Bakterium längst vertrieben wurde. Es finden sich immer noch Bruchstücke des Erregers in den Nerven und die können immer wieder Entzündungen auslösen.""

    Solche sozusagen verspäteten Immunreaktionen werden mit Kortison behandelt, aber das, so Diana Lockwood hilft nur der Hälfte der Patienten.

    "”Wir sehen uns andere Medikamente an, um festzustellen, ob eine intensivere Unterdrückung des Immunsystems das Ergebnis verbessert. Wir haben zwei Wirkstoffe eingesetzt, die schon bei andren Krankheiten verwendet werden, und haben untersucht, ob sie die Funktion der Nerven erhalten können.""

    Erste Ergebnisse aus Kathmandu und Addis Abeba sind vielversprechend, jetzt wird in der Äthiopischen Hauptstadt eine große Studie vorbereitet. Diana Lockwood hofft, dass sich so Behinderungen in Zukunft besser verhindern lassen. Genauso wichtig wie Fortschritte in der Medizin ist aber der Kampf gegen die Vorurteile, davon ist Arega Kassa überzeugt. In Äthiopien hat er eine Patientenorganisation gegründet.

    "”Die Vorurteile sitzen tief, sie lassen sich nicht einfach beseitigen. Aber wir klären in den Medien auf, und vermindern sie. Nicht auf einmal aber Tag für Tag.""

    Damit seine Nachbarn ohne Angst ihr Viertel verlassen können und damit andere schnell zum Arzt gehen und ihnen sein Schicksal erspart bleibt.