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Selbstkontrolle statt staatliche Eingriffe

Bundeskanzler Konrad Adenauer wollte dem Staat mit rigiden Aufsichtsmaßnahmen eine bessere Handhabe gegenüber Zeitungen und Zeitschriften verschaffen. Doch zehn Zeitungsverleger und Journalisten gründeten in vorbeugender Abwehr eine Instution der freiwilligen Selbstkontrolle. Verstöße gegen die guten Sitten sollten intern geregelt werden.

Von Bernd Kallina |
    "Zum Prinzip des Presserates gehört: Journalisten und Verleger haben sich den publizistischen Grundsätzen aus freiem Willen unterworfen. Sie haben ohne äußeren Zwang ein Sanktionssystem gemeinschaftlich vereinbart, das einzelne Mitglieder durchaus schmerzen kann, aber das zugleich den übergeordneten Interessen der Gemeinschaft nützlich ist."

    Bundespräsident Horst Köhler heute während des Festaktes zum 50jährigen Bestehen des Deutschen Presserates im Berliner Museum für Kommunikation. Anerkennende Worte für eine Institution, die am 20. November 1956 in Bonn das Licht der Welt erblickte und auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken kann.

    Bundeskanzler Konrad Adenauer stand indirekt an der Wiege dieser Institution, die sich in ihrer Ausgestaltung am British Press Council in bester demokratischer Tradition orientierte, aber auch auf deutsche Freiheitstraditionen zurückgreifen konnte. Der erste Kanzler der noch jungen Bundesrepublik Deutschland wollte gleich in den 50er Jahren mit Gesetzesinitiativen dem Staat bessere Handhaben gegenüber Zeitungen und Zeitschriften verschaffen. Zwar stand von Anfang an im Grundgesetz Artikel 5 unmissverständlich festgeschrieben, dass Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet sei und eine Zensur nicht stattfinde, aber, so Lutz Tillmanns, der heutige Geschäftsführer des Deutschen Presserates in Bonn:

    "Da sollte ein Bundespressegesetz erlassen werden, da liefen die konkreten Vorbereitungen und dieser Gesetzentwurf sah bereits rigide Aufsichtsmaßnahmen, Rechtsaufsicht über Landespresseräte und überhaupt die Einrichtung von Presseräten vor, die sich mit der inhaltlichen Arbeit befasst haben oder befassen sollten und die Verleger und die Journalisten, jeweils durch ihre Verbände hatten den Eindruck, dass man das besser in die eigene Obhut übernimmt."

    Und so kam es dann auch: zehn Zeitungsverleger und Journalisten gründeten in - sozusagen - vorbeugender Abwehr staatlicher Eingriffs-Pläne eine Institution der freiwilligen Selbstkontrolle. Verstöße gegen die guten Sitten in der Branche wurden somit im Gefolge intern reguliert, es bedurfte also keiner staatlichen gesetzlichen Einschränkungen.

    Inzwischen steht der nach wie vor in Bonn ansässige Deutsche Presserat auf einem breiteren Fundament als in seiner Startphase: Er wird heute getragen vom deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlegerverband sowie von der Deutschen Journalistenunion und dem Deutschen Journalistenverband, hat einen derzeitigen Jahresetat von rund 700.000 Euro, darin enthalten sind auch Bundeszuschüsse in Höhe von ca. 180.000 Euro. Letztere werden per Gesetz seit 1976 gewährt, das heißt der Bund honoriert mit diesem Beitrag vor allem die Beschwerdearbeit des Jubilars. Zu seinen Zielen und Aufgaben benennt der Deutsche Presserat:

    "Das Eintreten für die Pressefreiheit.

    Die Wahrung des Ansehens der Presse.

    Die Beseitigung von Missständen im Pressewesen.

    Das Eintreten für den unbehinderten Zugang zu Nachrichtenquellen.

    Die Behandlung von Beschwerden über redaktionelle Veröffentlichungen und journalistische Verhaltensweisen auf der Basis des Pressekodex

    Die Selbstregulierung des Redaktionsdatenschutzes sowie

    Der Ansprechpartner für Leser, Journalisten und Verleger zu sein."

    Ein Blick in die Geschichte des Presserates zeigt eine Reihe von besonderen Ereignissen, von denen einige hier in Erinnerung gerufen werden sollen. So rückte die Printmedien-Institution nur zwei Jahre nach ihrer Gründung im Jahre 1958 mit einer Stellungnahme zur Berichterstattung über die persische Ex-Kaiserin Soraya ins Licht der großen Öffentlichkeit. Der Presserat wendete mit Erfolg die Durchsetzung des in der Folge als "Lex Soraya" bezeichneten Gesetzentwurfes ab, der eine Verstärkung des Ehrenschutzes für ausländische Staatsoberhäupter vorsah, gleichzeitig aber eine erhebliche Einschränkung der freien Presseberichterstattung bedeutet hätte.

    Während der Spiegel-Affäre 1962 und den damit verbundenen Polizeiaktionen gegen das Hamburger Nachrichtenmagazin sprach der Presserat eine öffentliche Warnung zum Schutz der Pressefreiheit aus.

    1973 wurden die Grundsätze für die publizistische Arbeit im so genannten Pressekodex erstmals aus einer ganzen Anzahl von verstreut erschienenen publizistischen Empfehlungen und Richtlinien zusammengefasst und damit verbindlich festgeschrieben.

    Zu einer gewissen Krise der Presseratesarbeit kam es in der ersten Hälfte der 80er Jahre. Die Behandlung der Beschwerden, die sich aus der Einschleich-Tätigkeit des Publizisten Günter Wallraff bei der Bild-Zeitung ergaben, stellte den Presserat vor eine harte Belastungsprobe mit starker Blockbildung zwischen Verlegern und Journalisten. Während die Verleger die Recherche-Methoden von Wallraff strikt rügen lassen wollten, fanden die Journalisten diese weniger angreifbar und kritisierten eher den Arbeitsstil der Bild-Zeitung. Aufgrund der ungeklärten Frage des Abdrucks damit zusammenhängender öffentlicher Rügen stellte der Presserat dann in den Jahren 1982 bis 1985 seine Arbeit vorübergehend ein bis es zur Gründung des "Trägervereins des Deutschen Presserates" kam einschließlich des Entwurfs einer neuen, überarbeiteten Satzung, Geschäfts- und Beschwerdeordnung - mehrheitlich stimmten alle Verlage dem Abdruck öffentlicher Rügen in den eigenen Publikationen zu, der Presserat konnte somit - neu formiert - weiterarbeiten.

    1991 verurteilte der Presserat die im Rahmen des Golfkrieges verhängte Nachrichtensperre, weil sie einer Pressezensur gleichkomme, so der Presserat.

    2001 wurde ein neuer Pressekodex an Bundespräsident Johannes Rau überreicht und im Jahre 2005 forderte der Presserat eine klare Kennzeichnung von Werbung verbunden mit dem erneuten Appell an die Zeitungen und Zeitschriften, Werbung und redaktionellen Teil strikt zu trennen.

    Insbesondere dieser letzte Punkt, also die immer wieder anzutreffende Nicht-Kennzeichnung von bezahlter Werbung, die in Redaktionstexten auftaucht, stellt ein aktuelles Sorgenkind des Presserates dar. Spiegel-Verlagsleiter und Sprecher des Deutschen Presserates, Fried von Bismarck aus Hamburg, zur Problematik:

    "Was man in den letzten Jahre tatsächlich spürt, ist eine Zunahme an Beschwerden zum Thema 'Schleichwerbung'. Das hat einfach was damit zu tun, dass die Verlage offenkundig eben - gerade auch die regionalen Zeitungsverleger - immer mehr unter den Druck von lokalen oder überregionalen Anbietern geraten eben doch, bitte schön, ihr Produkt oder ihr Warenhaus im Text zu erwähnen und zu begleiten. Und die Redaktionen dann dort häufig unter dem Druck stehen, wenn sie das eben nicht tun, das dann usw. Das ist ein ernsthaftes Problem mit dem wir uns zunehmend auseinandersetzen müssen, das heißt die Zahl solcher Beschwerden nimmt deutlich zu."

    Wie sehen Zeitungsmacher, wie sehen Journalisten, die täglich im redaktionellen Geschäft stehen, die also Berichte und Artikel schreiben, Kommentare verfassen und Interviews führen, wie sehen sie als Praktiker der schriftlichen Formulierungskunst die Hintergründe zunehmender Verstöße gegen das Trennungsgebot ? Gernot Facius von der Tageszeitung "Die Welt" meint:

    "Im Grunde genommen muss man sagen, achten Redaktionen schon darauf, dass die Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung gegeben ist. Aber: im Zuge der ganzen wirtschaftlichen Probleme die vor allem auf die Printpresse zugekommen ist, ist hie und da natürlich diese Trennung angetastet worden, das kann man ohne weiteres feststellen ... .Wir haben es hier mit einem Phänomen zu tun, dass ja international gegeben ist, wenn man sieht, wie gerade von europäischer Seite her an der Lockerung dieser bisher bewährten Trennung gearbeitet wird, dann schlägt das natürlich auch auf die nationalen Medien zurück. Und hier ist tatsächlich Sorgfalt angebracht, jede Redaktion muss sich vergewissern, ob sie entsprechend den publizistischen Grundsätzen, ... ... die ja jetzt noch einmal bekräftigt werden aus Anlass des Jubiläums - nämlich beim Bundespräsidenten - ob man sich unbedingt an diese bewährte Regelung hält."

    Stichwort "Publizistische Grundsätze" bzw. der viel zitierte Pressekodex, in dieser Sendung jetzt schon mehrfach erwähnt, worin liegt die Bedeutung dieses Richtlinien-Katalogs, dessen Ziffer 1 "die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit" als das oberste Gesetz der Presse beschreibt? Könnte man den Pressekodex als die normative Ethik des Deutschen Presserates bezeichnen, eine Art 10 Gebote für Journalisten und Verleger? Fried von Bismarck meint:

    "Genau das ist es. Es geht genau darum, dass der Einzelne, der da tätig ist, im Grunde immer weiß, wenn er was falsch macht, das heißt das Bewusstsein dafür wachzuhalten, dass jemand das Böse zwar, oder das Nicht-Korrekte zwar tut, gegebenenfalls gelegentlich, dass aber im Grundsatz wach gehalten wird, dass es eine journalistische Ethik gibt, das ist die eigentliche Aufgabe des Presserates.""

    Sieht man sich den 16 Gebote umfassenden, aktualisierten Pressekodex näher an und fragt beim Presserat danach, gegen welche Ziffern am meisten verstoßen wird, so taucht an erster Stelle Ziffer 2 auf, Sorgfalt.

    "Recherche ist unverzichtbares Instrument journalistischer Sorgfalt. Zur Veröffentlichung bestimmte Informationen in Wort, Bild und Grafik sind mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Ihr Sinn darf durch Bearbeitung, Überschrift oder Bildbeschriftung weder entstellt noch verfälscht werden. Unbestätigte Meldungen, Gerüchte und Vermutungen sind als solche erkennbar zu machen.
    Symbolfotos müssen als solche kenntlich sein oder erkennbar gemacht werden."

    Auf Verstöße gegen diese zitierte Ziffer 2 richten sich also die meisten Beschwerden, von denen es im vergangenen Jahr 746 Eingaben gab. Jeder kann sich übrigens beim Presserat über Missstände in Zeitungen und Zeitschriften beschweren. Der schriftlichen Begründung seitens des Beschwerdeführers ist der entsprechende Artikel beizufügen, so der Presserat zum Procedere der Beschwerde-Eingaben.

    An zweiter Stelle der Beschwerde-Anlässe steht dann die Kodex-Ziffer 8 - Persönlichkeitsrechte, zu dem Lutz Tillmanns erläutert:

    "Ein wesentlicher weiterer Punkt ist der Komplex, wo es um Persönlichkeitsrechte, um das Recht an Privatheit geht. Wann dürfen Bilder, Fotos gebracht werden, wann nicht - von Tätern, von Tatverdächtigen, von Opfern, was überwiegt im einzelnen das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen, also privat und eben nicht öffentlich vorgestellt zu werden ? Oder das Interesse der Öffentlichkeit, etwas mitgeteilt zu bekommen ?"

    Wie sehen typische Fälle hierbei aus mit denen sich der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserates befassen musste ? Wodurch fühlen sich Bürgerinnen und Bürger in ihren Rechten durch Zeitungsveröffentlichungen verletzt? Dazu Lutz Tillmans:

    "Ja, das sind ganz unspektakuläre Fälle. Da wird über die Schulpraxis berichtet und dass in irgendeiner Schulklasse Eltern Kritik am Lehrer haben und die Zeitung hebt dann mit Bild und Text den Lehrer und einzelne Schüler ins Blatt. Oder: es wird berichtet über nach geordnete Mitarbeiter einer Stadtverwaltung, die in der Kritik stehen und sich damit auf einmal auf Seite 1 in der Zeitung wieder finden. Also da stellt sich schon die Frage, es sind keine Personen der Zeitgeschichte, warum müssen die damit einverstanden sein, dass sie also quasi öffentlich vorgeführt werden."

    Das Alltagsleben in Deutschland im Spiegel von Lokalzeitungen und darauf folgende Beschwerden über tatsächliche oder vermeintliche Regelverstöße in der Presseberichterstattung. Wie wird in derartigen Fällen entschieden, nach welchen Kriterien geht dann der Beschwerdeausschuss vor und in welchen Schritten kommt er zu seinem abschließenden Urteil?

    "Bei solchen Fällen ist natürlich auch immer entscheidend, ob Einverständnis der Betroffenen da ist. Wenn das da ist, ist es auch kein Thema für uns, dann ist das zulässig. Aber oftmals ist eben kein vorheriges Einverständnis da und das müssen wir in solchen Fällen - wo es also um nicht überwiegende öffentliche Interessen geht - auch im einzelnen abfragen. Und wenn das beigebracht ist oder wenn wir den Eindruck haben, dass das Persönlichkeitsrecht höher anzusetzen ist, ist das eine unzulässige Veröffentlichung, damit auch gleichzeitig ein Kodexverstoß und der Beschwerdeausschuss, der hat dann festzustellen, wie er das mit einer Sanktion belegt."

    Folgt also der Presserat der Beschwerde, gibt es vier abgestufte Sanktionsmöglichkeiten:

    Die öffentliche Rüge - mit Abdruck-Verpflichtung im gerügten Blatt oder Magazin - sie stelle die massivste Kritik-Form dar, dann

    Die nicht-öffentliche Rüge - ohne Abdruckverpflichtung, etwa um Opfer zu schützen, des weiteren

    Die Missbilligung und schließlich

    Den einfachen Hinweis als weiches Ende, die lässliche Sünde - sozusagen - eine Art kleines Fegefeuer für die betroffene Redaktion.


    Diese Sanktionsmöglichkeiten des Presserates sind aber nicht im juristischen Sinne einklagbar und/oder administrativ umsetzbar, sondern sie beruhen auf einem freiwilligen Zusammenspiel der beteiligten Akteure, was in den allermeisten Fällen auch klappt, so Lutz Tillmanns. Doch es gibt Ausnahmen, also ausgesprochene öffentliche Rügen, bei denen sich die betroffenen Verlage bzw. Redaktionen dem Abdruck-Gebot widersetzen und der Presserat sie nicht erzwingen kann. Diese Fälle haben dann bei Kritikern das Bild vom "zahnlosen Tiger" hervorgerufen, zu dem Fried von Bismarck meint:

    "Der Presserat ist ebenso zahnlos wie alle, die sich um die Einhaltung von ethischen Regeln bemühen. Noch so viele Gesetze haben es nicht fertig gebracht, dass alle Bürger immer nur 50 fahren, wo sie dürfen oder nur 100, sondern sie fahren eben trotzdem schneller. Journalistische Ethik ist etwas, was man eben gerade nicht mit Strafen im klassischen Sinne, die ja auch nur der Staat anwenden dürfte, durchsetzen kann, sondern Presseethik ist etwas, was man in dem Einzelnen, der für die Presse tätig ist, erzeugen muss. Und fürs' Wachhalten sind die Mittel, die der Presserat hat, allemal ausreichend."

    Doch so zahnlos, wie manche Kritiker den Presserat oft darstellen, scheint er tatsächlich aber gar nicht zu sein, wenn man einmal auf die Wahrnehmung innerhalb der von Sanktionen betroffenen Verlage und Redaktionen sieht, wie Gernot Facius von der Welt hervorhebt:

    "Ich meine, dass es für die betroffene Redaktion und betroffene Zeitung doch ein Makel ist, oder erkannt wird und das sehen Sie auch daran, wie Redaktionen darauf reagieren, wenn eine Rüge ausgesprochen wird. Wie man versucht mit Hilfe von juristischem Sachverstand möglichst diese Rüge, den Rügenabdruck, abzuwenden, weil eben die Marke durch so etwas angekratzt wird. Also, insofern sind Rügen schon Instrumente zu einer Besserung des redaktionellen Verhaltens."

    Fehlentwicklungen im deutschen Pressewesen in Beschwerdefällen zu ahnden und dadurch präventiv in der Branche auf Einhaltung der publizistischen Grundsätze hinzuwirken, den Gefährdungen der Pressefreiheit rechtzeitig entgegenzutreten, all das - und noch viel mehr - hat sich der Deutsche Presserat auf seine Freiheitsfahnen geschrieben, gewissermaßen in geistiger Anknüpfung nicht nur an britische Vorbilder, nein auch an die demokratischen und antitotalitären deutschen Freiheitsbewegungen der Vergangenheit.

    Hans Leyendecker von der "Süddeutschen Zeitung" sieht in einem Beitrag für das Jahrbuch 2006 des Deutschen Presserates gar einen "Unheimlichen Zerfall der Pressefreiheit" und benennt als maßgebliche Gründe für diese Entwicklung:

    "Also, ich glaube es ist von innen und außen gefährdet, die Pressefreiheit. Von außen, das haben wir erlebt bei der Durchsuchung von Redaktionsstuben, wo gesucht wurde nach irgend welchen Unterlagen durch Staatsanwaltschaften, das hat zugenommen ... ."

    Sie denken an den Fall Cicero?

    " ... .der Fall Cicero gehört da mit in eine Reihe, es gibt auch andere Fälle, die nicht so bekannt wurden, aber vielleicht noch wichtiger sind als der Fall Cicero ... "

    Können Sie Beispiele benennen?

    " ... ..ja also, wenn in Dresden junge Redakteure über einen Minister recherchieren und dann plötzlich Heimsuchungen durch staatliche Behörden bekommen, dann ist das natürlich ein gravierender Fall. Wenn in Frankfurt Journalisten recherchieren über die Arbeit der Polizei und plötzlich wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, alles dies hat es ja in den vergangenen Jahren gegeben und hat auch die Redaktionsarbeit erschwert und ganz insbesondere wird die Redaktionsarbeit erschwert dadurch, dass Staatsanwaltschaften dazu übergegangen sind, sehr schnell Telefonverbindungs-Daten zu sichern. Es gibt eine Menge Informanten, die sich heute kaum noch trauen uns Aufklärerisches zu erzählen, mit Journalisten zu reden.""

    Zweifellos durchlebt die deutsche und internationale Medienlandschaft einen rasanten Umbruch mit vielfältigen alten und neuen Gefährdungen der in einem Rechtsstaat hochzuhaltenden Idee einer unabhängigen und freien Presse. Beim Blick in die Zukunft sind sich die meisten Kritiker und Anhänger der Institution Deutscher Presserat in einem Punkt meist einig: seine Trägerbasis ist durch die Beschränkung auf die Akteure im Printmedienbereich veraltet. Fried von Bismarck sieht die Lage so:

    "Der öffentliche Rundfunk hatte seine eigenen Regeln und deswegen mussten für die gedruckte Presse welche geschaffen werden. Richtig ist, dass das eigentlich überholt ist und dass es eigentlich eine Medienethik oder eine journalistische Ethik für alle Journalisten geben sollte ... .weil der Bürger natürlich überhaupt nicht versteht, warum er sich gegen einen Artikel im Spiegel beschweren kann, aber gegen einen zum Beispiel in Spiegel-online erschienenen Text nicht ... ."