Samstag, 04. Mai 2024

Archiv


Selbstständigkeit wagen

Frauen sind risikoscheuer als Männer und sie gründen kleinere Unternehmen. Das sind zwei Ergebnisse einer Studie von Günter Warsewa vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen über Gründerinnen und Gründer.

Von Christina Selzer | 28.01.2010
    An der Tür des kleinen Studios von Anja Turleyski steht: Wellness-Coach. Hier gibt die Personal Trainerin für ihre Kunden Einzelkurse in Gymnastik, aber auch Massagen. Ihre eigene Chefin ist sie seit zwei Jahren. Nach ihrem Studium der Gesundheitswissenschaft an der Universität Bremen gründete sie ihre Existenz. Begleitet von einer Beratungsstelle der Uni:

    "Das hat mir persönlichen einen ganz hohen Nutzen gebracht. Weil ich als Frau: Habe ich den Mut dazu. Weil wenn ich so mit meinen Mädels spreche, haben die immer gesagt, Mensch, dass Du das einfach gemacht hast! Ich habe geguckt: Kann ich es umsetzen vom Finanziellen? Ich habe eben noch keine Familie und keine Verantwortung für andere Personen. Ich muss nur die Verantwortung für mich übernehmen. Wenn ich zwei oder drei Kinder hätte, hätte ich mich vielleicht nicht hierfür entschieden."

    Die 35-jährige ehemalige Leistungssportlerin wusste schon lange, was sie wollte. Jahrelang arbeitete sie in Fitnessstudios, bildete sich weiter, erwarb verschiedene Trainerlizenzen und dann: die Selbständigkeit. Chance, aber auch Risiko. Sie investierte 20.000 Euro. Einen Teil hat sie sich von ihren Eltern geliehen, ein bisschen hatte sie auf der hohen Kante.

    "Wenn ich jetzt zum Beispiel auch noch den Kostenfaktor Personal hätte, wäre das noch mal was anderes, weil ich dann einen ganz anderen Kostenaufwand, den ich monatlich als fixe Kosten hätte. So weiß ich, ich habe meine Miete, es ist überschaubar für mich als einzelne Person und das reicht mir, was ich überschauen kann."

    Für Günter Warsewa vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Uni Bremen ist sie ein klassisches Beispiel. Das zeigt sich das in der großen Umfrage unter Gründerinnen und Gründern Optexist: Frauen sind risikoscheuer als Männer. Und sie gründen kleinere Unternehmen.

    "Die Ansprüche von Frauen gehen häufiger als bei Männern in die Richtung, ich möchte gerne eine Existenzgründung machen, um für mich selbst eine Sicherung zu finden. Bei Männern geht es darum, einen Betrieb zu gründen, der größere Wachstumsperspektiven hat. Man hat mehrere Beschäftigte."

    Auch die Psychologin Bea Engelmann erfüllte sich zwar einen großen persönlichen Traum. Doch ihre Existenzgründung liegt in einem vergleichsweise kleinen Rahmen. Jahrelang spielte die Familie die Hauptrolle in ihrem Leben, dann studierte die Betriebswirtin noch Psychologie und machte sich vor zwei Jahren als Glücksforscherin und Coach selbständig.

    "Mir war das ganz wichtig, von Anfang an professionell aufzutreten. Ich wollte gerne eine gute Geschäftsausstattung haben. Flyer, Blöcke, solche Dinge. Und dann habe ich eigene Produkte entwickelt, das lief dann parallel, dass ich die Existenz gegründet habe und meine Produkte entwickelt habe und dabei zwar im kleinen Rahmen, aber ins Risiko gegangen bin."

    Das Risiko war überschaubar. Denn die 44-Jährige ging ihre Selbständigkeit mit dem Rückhalt der Familie an. Es gibt aber auch ganz andere Umstände und Motive, sich selbständig zu machen, sagt Günter Warsewa vom Institut Arbeit und Wirtschaft. Zum Beispiel die schlechten Karrierechancen in Unternehmen - die vielzitierte "Gläserne Decke".

    "Einige Frauen sagen dann an einem Punkt, dann mache ich mein eigenes Geschäft auf."

    Günter Warsewa hält es für wichtig, dass Selbständige auch noch eine zeitlang nach der Existenzgründung begleitet werden. Auch die Trainerin Anja Turleyski hätte sich das gewünscht, etwa als es nach einem Jahr darum ging, wie sie ihre Außendarstellung verbessern könnte.

    "Oder die Frage: Muss ich jetzt Personal einstellen, um größer zu werden? Wohin muss ich wachsen? Das sind ja so die Fragen, die man sich in der Gründungsphase stellt. Wo kann ich strategisch hingehen, um ein bisschen effizienter Geld zu verdienen? "

    Ein wichtiges Ergebnis der Umfrage ist: Frauen fühlen sich oft nicht genügend motiviert, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. Deshalb fordern die Verfasser der Studie, dass das Beratungsangebot besser an die verschiedenen Lebenslagen anpasst wird. Wer alleinerziehend ist, braucht vielleicht mehr Zeit, bis das Geschäft gut läuft. Und wer sich aus der Arbeitslosigkeit heraus selbständig macht, hat weniger Eigenkapital. Eine individuelle Beratung, so die Forscher, käme auch den Männern zugute. Denn deren Lebensumstände seien ja auch unterschiedlich.