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Selbstzensur nach dem Karikaturenstreit

Die Regierung in Kopenhagen scheint nun Konsequenzen aus dem Streit um Mohammend-Karikaturen in einer dänischen Zeitung zu ziehen. Hatte sie die Meinungs- und Pressefreiheit monatelang als heiliges Prinzip verteidigt und sich geweigert, in den Streit um die Karikaturen einzugreifen, so bekannte Bildungs- und Kirchenminister Bertel Haarder mittlerweile, er sage längst nicht mehr alles, was er gerne sagen würde. Aus Kopenhagen berichtet Marc-Christoph Wagner.

    Ein verbohrter Ideologe meinen die einen, ein liberaler Überzeugungstäter die anderen – doch egal, wie man zu Bertel Haarder steht, ernst nehmen ihn selbst seine politischen Gegner. In der liberal-konservativen Regierung von Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen gilt er als Mann für schwierige Aufgaben. Nach dem Regierungswechsel 2001 zeichnete er als Integrationsminister verantwortlich für Dänemarks restriktive und entsprechend umstrittene Ausländerpolitik. Als das Hauptaugenmerk bei der Wahl im vergangenen Jahr auf den Zustand der dänischen Schulen fiel, wurde er nach dem Wahlsieg prompt zum Bildungs- und Kirchenminister ernannt. Um so größer ist die Verwunderung nun, dass gerade Haarder in aller Öffentlichkeit gestand, nach dem Karikaturenstreit halte er sich mit kontroversen Äußerungen zurück:

    "Wir leben in einer Kultur der Bedrohung", konstatiert Haarder. Wer sich kontrovers äußert, der gefährdet nicht nur sich selbst und seine Familie, sondern auch das Land.

    "Die Bedrohung ist eine Realität. Denken Sie nur an die Karikaturisten, die Politiker oder die moderaten Moslems in Dänemark, die heute unter Polizeischutz leben. Oder denken Sie daran, wie Dänemark während des Karikaturenstreites kollektiv abgestraft wurde. Das führt nun dazu, dass die Karikaturisten abwägen, was sie zeichnen, und die Politiker nachdenken, bevor sie sich öffentlich äußern. Sie wollen weder sich selbst noch dem Land schaden."

    Haarders Eingeständnis der Selbstzensur kommt überraschend, denn eben während des besagten Karikaturenstreits hatte die dänische Regierung immer wieder betont, in Dänemark herrsche Presse- und Meinungsfreiheit, und dies nahezu uneingeschränkt. Das freie Wort, so hatte Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen immer wieder betont, sei einer der zentralen Bausteine der dänischen Demokratie.

    "Ein Dialog zwischen den Kulturen und Religionen ist begrüßenswert und notwendig – ein Dialog, der auf gegenseitigem Verständnis und Respekt basiert. Andererseits müssen wir darauf bestehen, daß in Dänemark Meinungs- und Pressefreiheit herrscht. Und hier können wir keine Kompromisse eingehen."

    Ein völlig falsches Signal, konstatiert so auch die Vorsitzende der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei, Pia Kjærsgaard, die selbst seit Jahren auf Schritt und Tritt von dänischen Sicherheitsbeamten begleitet wird. Haarders selbstauferlegter Maulkorb bedeute ein Einknicken vor den Feinden der Demokratie.

    "Ich selbst würde meine Meinung nie zurückhalten, denn die katastrophalste Konsequenz des Karikaturenstreites wäre doch, wenn wird die Meinungsfreiheit einschränkten und uns selbst zensierten. Genau für das Gegenteil haben wir doch gekämpft. Natürlich ist es traurig, dass einige Politiker heute von Leibwächtern beschützt werden müssen, doch die Alternative wäre, sich zu beugen – und das ist mit mir nicht zu machen."

    Spöttisch wurde Haarders Eingeständnis von Teilen der dänischen Medien kommentiert. Natürlich, so etwa der Chefredakteur der Tageszeitung Politiken, Tøger Seidenfaden, seien Drohungen und Gewalt als Teil der öffentlichen Auseinandersetzung niemals und unter keinen Umständen zu akzeptieren. Andererseits habe die Regierung eben jene Grube gegraben, in die sie nun selbst gefallen sei:

    "Es ist doch völlig offensichtlich, dass ein Zusammenhang besteht zwischen der extremen Polarisierung unserer Gesellschaft sowie der konsequenten Intimidierung der Minderheiten im allgemeinen und der moslemischen Minderheit im besonderen. Und natürlich trägt auch Dänemarks internationaler Auftritt im Zusammenhang mit dem Karikaturenstreit sowie unsere Teilnahme am Irak-Krieg dazu bei, das allgemeine Bedrohungsniveau hierzulande zu erhöhen. Und das ist eine Tatsache. Wer daran zweifelt, muß nur die Jahresberichte unseres eigenen Geheimdienstes lesen."