Montag, 29. April 2024

Archiv


Selfmademan mit Herz

Schenken, Spenden und Gewinnen. Unter diesem Motto hat die Lebenshilfe Gießen in 15 Jahren ganz erstaunliche Dinge geschaffen: ein Behindertenwohnheim und eine Schule wurden gebaut, bald kommt auch ein Bio-Bauernhof hinzu. Finanziert wird dies alles mit Erlösen aus einer in Deutschland einmaligen Idee: der Oldtimer-Spendenaktion. Wer hier mitmacht, kann jedes Jahr einen Oldtimer gewinnen.

Von Ursula Mense | 18.12.2009
    Und zwar nicht irgendeinen, sondern einen Luxusschlitten der Extraklasse. Diesmal ein Mercedes-Cabrio 220 SE, Baujahr 1960, Wert: 100 000 Euro. Hinter diesem Hauptgewinn steckt der Selfmade-Unternehmer Guido Hommel. Vor fast 40 Jahren gründete er in Karben bei Frankfurt den Autozulieferer Climair und machte das Unternehmen zum Marktführer für Regen- und Windabweiser. Doch von sich reden macht Guido Hommel durch sein Engagement für die Oldtimer-Spendenaktion: Jedes Jahr spendet der Oldtimer-Freak einen seiner Schätze als Hauptpreis.

    "Wie steigt man denn hier ein?"

    "Genau so."

    "So … zünden wir mal und gucken, ob es funktioniert…"

    "So, er läuft ….Flügeltürer, 300 SL, Baujahr 55"

    Das Auto hat acht Jahre in der Ecke gestanden, hier war nichts mehr gangbar. Ein bisschen stolz ist Guido Hommel schon, dass er anspringt, der Flügeltürer. Auf Anhieb. Wie all die anderen auch. BMWS, Mercedes, sogar ein Jaguar E – er hat sie alle. 16 chromblitzende Oldtimer der Spitzenklasse stehen in einer eigens für sie gebauten Halle.
    Guido Hommel ist Unternehmer. Gründer und Besitzer von ClimAir, dem weltweit führenden Hersteller von Windabweisern für Autos. Und er ist ein Oldtimer-Freak...

    "Leder, Benzingeruch, hat mich schon immer fasziniert. Holz, Leder und Benzin."

    Nicht einen einzigen seiner stolzen Parade würde er verkaufen. Trotzdem hat er sich von einigen Autos getrennt, um sie der Lebenshilfe Gießen zu spenden. Aus sozialen Gründen, sagt Hommel schlicht.

    Vor zehn Jahren traf er Reinhard Schade von der Lebenshilfe Gießen, der einige Jahre zuvor die Oldtimerspendenaktion ins Leben gerufen hatte, um mehr Geld für die Behindertenorganisation zu sammeln. Mit Hommel wurde die Aktion zum Renner.

    "Die Preise, die Herr Hommel uns spendet, sind immer sehr hochwertig und bei Oldtimerliebhabern sehr begehrt. Meistens sind es Mercedes im Wert vom 100 000 und mehr. Es ist ein gutes Gefühl so was anzubieten, und dass man auch gern gewinnen möchte."

    Das Engagement des Unternehmers von der Wetterau katapultierte die Lebenshilfe Gießen in eine der finanziell bestbestückten unter den regionalen Verbänden der Organisation. Im ersten Jahr der Aktion sammelte Schade 5500 DM ein. Im vorigen Jahr waren es 700 000 Euro. In den vergangenen zehn Jahren kam die Lebenshilfe Gießen so auf eine erstaunliche Summe.

    "''Bisher haben wir 4,1 Mio. Euro eingenommen und jetzt schauen wir mal, was in diesem Jahr dazu kommt.""

    Mit dem Geld baute die Organisation ein Behindertenwohnheim, eine Werkstatt und eine Schule. Auch in diesem Jahr gibt es verschiedene Oldtimer zu gewinnen. Denn durch die Kontakte Hommels zur Oldtimerszene, kamen im Laufe der Jahre immer mehr spendierfreudige Altwagenbesitzer zur Lebenshilfe.

    Der Erste Preis aber ist wie immer auch in diesem Jahr eine unübertroffene Edel-Limousine von Guido Hommel. Der hat 'nen Druckknopf nur zum Starten … Motor … Ein 220 SE, Baujahr 60. Das ist damals das Luxuscabrio von Mercedes gewesen …

    Dunkelblau mit Weißwandreifen, cremefarbigen Ledersitzen und hellbraunem Wurzelholz. Ein eleganter Traum – nicht nur für Oldtimer-Fans.

    Guido Hommel hat das Auto für die Spendenaktion gekauft und vollständig überholt. Er macht das selbst mit Freunden in seiner pieksauberen Werkstatt. Sechs bis sieben Monate Arbeit hat er in das Auto gesteckt. Und etwa 70 000 Euro. Der Marktwert des Luxuscabrios liege jetzt bei 100 000 Euro.

    Der Unternehmer Hommel ist der Prototyp des Selfmademans. Schon als junger Mann ging er zielstrebig daran, seine Pläne zu verwirklichen.

    "Ich bin mit Entbehrungen groß geworden und hab mir Ziele gesetzt. Sie sitzen ja heute hier, ich hab das ja nicht ererbt, sondern ich hab mir das erarbeitet. Ich hab genau das Gleiche in dem Fortkommen in meiner finanziellen Seite gemacht wie mit meinen Oldtimern. "

    Das ist ein wenig verschwiemelt, tief gestapelt. Hommel ist mit seinem Unternehmen ClimAir im hessischen Karben weltweit Marktführer bei der Herstellung von Windabweisern für Autos. 66 Marken beliefert er. So gut wie alle.

    Angefangen hat das in den späten 60er - mit ein bisschen Glück, wie er sagt. Denn als man damals begann vom Brot bis zum Toilettenpapier alles in Folie zu schweißen, wurde der gelernte Kunststoffschlosser und Hochfrequenztechniker über Nacht ein gefragter Spezialist.

    "Ich fing dann an 1971/72 den Windabweiser zu entwickeln, den wir heute
    machen. Wir haben heute 1800 verschiedenen Typen und damals hatten wir 50. Zu der Zeit hatte ich keine Angestellten, ich war allein und meine Familie hat mir geholfen. 976 habe ich den ersten Schritt gemacht, die erste Halle gebaut, hab acht Mitarbeiter gehabt und so hat sich das Schritt für Schritt zu dem entwickelt, was es heute ist."

    Sein Umsatz? Wir sitzen in seinem gediegen eingerichteten Büro. Hommel liebt Qualität, aber keinen Protz. Eher verbirgt er, was er hat. Entsprechend zugeknöpft reagiert er auf die Frage.

    "Wir sind ein mittelständisches Unternehmen von den Mitarbeitern her gesehen, werden vom Finanzamt aber wie ein Großunternehmen geprüft."

    Den Umsatz hat er gehalten, sagt er noch. Trotz Wirtschaftskrise.

    Info:

    Wer selber spenden möchte, findet die Oldtimer-Spendenaktion auch im Netz.