Hohe, dunkle, vorn spitz zulaufende Wände. Wenn sie zurückgleiten, der Spalt immer breiter wird, öffnet sich als Spiel-Raum eine Art Hinterzimmer der Macht. Ein Ort für Intrigen und Spitzel. Und: ein Falle. Für die Figuren. Und auch für Hans-Joachim Ruckhäberles Inszenierung von Schillers viel zu selten gespieltem, gleich nach den "Räubern" begonnenen "Fiesko", in dem er ein schier aberwitziges Szenarium präsentiert: im Zentrum ein politischer Top-Polupist, dem - wie man so schön sagt - die Herzen des Volkes zufliegen: alert, rhetorisch brillant, gesinnungsmäßig flexibel, machthungrig, skrupelfrei; "höfisch geschmeidig und ebenso heimtückisch" laut Regieanweisung. Einer jener Profi-Politiker, die punktuell der suggestiven Kraft der eigenen Lügen erliegen.
Sein Gegenspieler steht ihm in nichts nach: der Neffe von Andrea Doria, des greisen Fürsten Genuas. Alle anderen zu Statisten degradiert: Manövriermasse Mensch. Dazu gehören Frauen. Auch die eigene - vielleicht sogar geliebte? - Leonore; und die Schwester des politischen Gegners, das Gesellschaftsluder Julia. Sowie jede Menge andere, mehr oder weniger korrupte, feige, allesamt gesinnungslose Zeitgenossen. Nicht zuletzt ein galgenvogelartiger Politikberater, Hassan, eine Art alter ego Fieskos, der oft genug die Strategien seines Herrn vorausdenkt -und dessen Spiel mit beiden Seiten treiben will. Denn Spielsüchtige sind sie alle und riskieren es in vollem Bewusstsein, ein funktionierendes staatliches System als Einsatz für ihre Risiko-Spiel-Lust zu Fall zu bringen. Diese gefährliche Struktur kommt uns, gerade jetzt, sehr bekannt vor. Bei Schiller wird das erzeugte Chaos die Macht-Jongleure am Ende selbst bedrohen. Kaum einer weiß, wo das mit Masken, Kapuzen, weiten Umhängen und einem Wendemantel für Fiesko ausstaffierte Spiel aufhört, wo die sogenannte Wirklichkeit beginnt. Leonore muss das erfahren, wenn sie im falschen Kostüm vom eigenen Mann, irrtümlich aber doch "in echt" erstochen wird. Den Protagonisten erschüttert dieser kollateralschadenartige Zwischenfall nur kurzfristig - auf dem unaufhaltsamen Aufstieg zur Macht kann er ihn nicht aufhalten. Nicht zufällig scheint Brechts "Arturo Ui" gelegentlich Pate gestanden zu haben bei der Münchner Aufführung. Ruckhäberle wollte möglicherweise Verfremdung und schuf - befremdende Karikaturen.
Manchen Regisseuren wirft man vor, sie würden Texte, oft in plumpster Manier, auf die Gegenwart zuschneiden. Anderen, dass sie gerade dieses nicht verstünden, sondern das Stück im Staub der Theatergeschichte verdämmern ließen. In Ruckhäberles Münchner Inszenierung geschieht weder das eine noch das andere. Zwar wird viel gerannt und gesprungen, es gibt große Sprach- und Körpergesten - und doch wird man das Gefühl von Verlangsamung, Statik, Stillstand nicht los: Weil die Szenen ohne Zeit- und Raumbezug irgendwo im Nirgendwo zu spielen scheinen. Weil die mechanischen Auf- und Abgänge nicht die Mechanik eines inhaltlosen Politikstils greifbar werden lassen, sondern Leerlauf erzeugen. Die Personenregie ist uneinheitlich - und über weite Strecken blutleer, weil sie mit der verstörenden Ambivalenz der schillernden Figuren nichts anzufangen weiß. Weder die noch im Biedersinn aufblitzende Gemeinheit ist zu spüren, noch auch zum Beispiel das Unglück von Menschen, die sich durch den Griff in die strategische Trickkiste die Rettung aus ihrer Misere versprechen. Haltlosigkeit hat natürlich auch komische Seiten und wird punktuell verjuxt - ihre Gefährlichkeit jedoch unterschlagen.
Und schließlich das Ende! Wenn es noch eines Beweises dafür bedürfte, wie bißlos diese Inszenierung ist: Ruckhäberle hat sich für den einsichtigen und reumütigen Fiesko und ein nachgerade bestürzendes happy end entschieden und die von Schiller erprobten bissigeren Varianten verworfen:
Fiesko als eine Art Polit-Tartuffe - das war's. Doch Schillers "Fiesko" ist eine Revue der zynischen Macher einer pseudosymbolischen Politik, die Gesinnungsträger zu verachteten Requisiten degradiert und Haltung als Relikt einer überlebten Moral diffamiert. Fiesko selber spielt mit Menschen, huldigt dem Glanz eines strategischen Geniekults und baut auf politische Luftbuchungen. Es gibt kaum ein Stück, dessen Zeitbezug sich derart - ja: aufdrängte. In München wurde eine wichtige Chance vertan.
Sein Gegenspieler steht ihm in nichts nach: der Neffe von Andrea Doria, des greisen Fürsten Genuas. Alle anderen zu Statisten degradiert: Manövriermasse Mensch. Dazu gehören Frauen. Auch die eigene - vielleicht sogar geliebte? - Leonore; und die Schwester des politischen Gegners, das Gesellschaftsluder Julia. Sowie jede Menge andere, mehr oder weniger korrupte, feige, allesamt gesinnungslose Zeitgenossen. Nicht zuletzt ein galgenvogelartiger Politikberater, Hassan, eine Art alter ego Fieskos, der oft genug die Strategien seines Herrn vorausdenkt -und dessen Spiel mit beiden Seiten treiben will. Denn Spielsüchtige sind sie alle und riskieren es in vollem Bewusstsein, ein funktionierendes staatliches System als Einsatz für ihre Risiko-Spiel-Lust zu Fall zu bringen. Diese gefährliche Struktur kommt uns, gerade jetzt, sehr bekannt vor. Bei Schiller wird das erzeugte Chaos die Macht-Jongleure am Ende selbst bedrohen. Kaum einer weiß, wo das mit Masken, Kapuzen, weiten Umhängen und einem Wendemantel für Fiesko ausstaffierte Spiel aufhört, wo die sogenannte Wirklichkeit beginnt. Leonore muss das erfahren, wenn sie im falschen Kostüm vom eigenen Mann, irrtümlich aber doch "in echt" erstochen wird. Den Protagonisten erschüttert dieser kollateralschadenartige Zwischenfall nur kurzfristig - auf dem unaufhaltsamen Aufstieg zur Macht kann er ihn nicht aufhalten. Nicht zufällig scheint Brechts "Arturo Ui" gelegentlich Pate gestanden zu haben bei der Münchner Aufführung. Ruckhäberle wollte möglicherweise Verfremdung und schuf - befremdende Karikaturen.
Manchen Regisseuren wirft man vor, sie würden Texte, oft in plumpster Manier, auf die Gegenwart zuschneiden. Anderen, dass sie gerade dieses nicht verstünden, sondern das Stück im Staub der Theatergeschichte verdämmern ließen. In Ruckhäberles Münchner Inszenierung geschieht weder das eine noch das andere. Zwar wird viel gerannt und gesprungen, es gibt große Sprach- und Körpergesten - und doch wird man das Gefühl von Verlangsamung, Statik, Stillstand nicht los: Weil die Szenen ohne Zeit- und Raumbezug irgendwo im Nirgendwo zu spielen scheinen. Weil die mechanischen Auf- und Abgänge nicht die Mechanik eines inhaltlosen Politikstils greifbar werden lassen, sondern Leerlauf erzeugen. Die Personenregie ist uneinheitlich - und über weite Strecken blutleer, weil sie mit der verstörenden Ambivalenz der schillernden Figuren nichts anzufangen weiß. Weder die noch im Biedersinn aufblitzende Gemeinheit ist zu spüren, noch auch zum Beispiel das Unglück von Menschen, die sich durch den Griff in die strategische Trickkiste die Rettung aus ihrer Misere versprechen. Haltlosigkeit hat natürlich auch komische Seiten und wird punktuell verjuxt - ihre Gefährlichkeit jedoch unterschlagen.
Und schließlich das Ende! Wenn es noch eines Beweises dafür bedürfte, wie bißlos diese Inszenierung ist: Ruckhäberle hat sich für den einsichtigen und reumütigen Fiesko und ein nachgerade bestürzendes happy end entschieden und die von Schiller erprobten bissigeren Varianten verworfen:
Fiesko als eine Art Polit-Tartuffe - das war's. Doch Schillers "Fiesko" ist eine Revue der zynischen Macher einer pseudosymbolischen Politik, die Gesinnungsträger zu verachteten Requisiten degradiert und Haltung als Relikt einer überlebten Moral diffamiert. Fiesko selber spielt mit Menschen, huldigt dem Glanz eines strategischen Geniekults und baut auf politische Luftbuchungen. Es gibt kaum ein Stück, dessen Zeitbezug sich derart - ja: aufdrängte. In München wurde eine wichtige Chance vertan.