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Seltene Teilchen im All
Sternexplosionen in der Milchstraße

Amerikanische Forscher haben herausgefunden, dass es in den letzten ein bis zwei Millionen Jahren gleich zwei Supernova-Explosionen in der Umgebung der Sonne gegeben haben muss. Darauf schließen seltene Teilchen, die mit einem speziellen Detektor gemessen wurden.

Von Dirk Lorenzen | 25.04.2016
    Viele helle Punkte im All
    Eine Supernova entsteht am Ende der Lebenszeit von massereichen Sternen (Symbolbild) (USE/GETTY OUT)
    Der Astrophysiker Martin Israel erforscht den Kosmos nicht mit Hilfe von sichtbarem Licht oder anderen elektromagnetischen Wellen. Ihm hat es die kosmische Teilchen-Strahlung angetan: Durch das All rasen vor allem Kerne chemischer Elemente – am häufigsten ist Wasserstoff, aber auch recht schwere Elemente sind vertreten. Martin Israel beobachtet sie nicht mit einem Teleskop, sondern mit dem Teilchendetektor auf dem NASA-Satelliten ACE:
    "Interessanterweise haben wir Teilchen von Eisen-60 gemessen. Dieses Isotop ist radioaktiv und zerfällt mit einer Halbwertszeit von gut zweieinhalb Millionen Jahren. Diese Teilchen sind also astronomisch gesehen vor recht kurzer Zeit entstanden, erst vor ein paar Millionen Jahren."
    Meist lässt sich über Alter und Herkunft der beobachteten Teilchen nichts sagen. Doch beim radioaktiven Eisen-60 ist das anders: Weil es recht schnell zerfällt, kann es nicht aus fernen Galaxien zu uns gekommen sein. Wie die meisten Elemente entsteht auch Eisen-60 nur bei der Supernova-Explosion eines sehr massereichen Sterns. Supernovae spielen eine doppelte Rolle: Zum einen produzieren sie Eisen-60, zum anderen werden die Teilchen der kosmischen Strahlung erst durch die Schockwellen solcher Explosionen auf ihre enorme Energie gebracht. Dank der Satellitenmessungen können Martin Israel und seine Kollegen die Geschichte des Eisen-60 recht genau rekonstruieren.
    Teilchen bewegen sich fast mit Lichtgeschwindigkeit
    "Die Supernova, bei der dieses Eisen entstanden ist, ist nicht diejenige, die die Partikel dann beschleunigt hat. Die Eisen-60-Kerne haben sich erst einige hunderttausend Jahre durch den Weltraum bewegt. Dann waren sie offenbar in der Nähe einer weiteren Sternexplosion. Die kosmische Strahlung kommt also aus Gebieten, in denen es mindestens zwei recht nah gelegene Supernovae innerhalb weniger Millionen Jahre gegeben hat."
    Zwar bewegen sich die Teilchen fast mit Lichtgeschwindigkeit, dennoch kommen die geladenen Eisen-60-Kerne nur mühsam voran. Die vielen Magnetfelder in der Milchstraße lenken sie immer wieder ab und zwingen sie auf völlig erratischen Kurs. Die Teilchen diffundieren nur ganz gemächlich durch das All und dürften nicht einmal 2000 Lichtjahre zurückgelegt haben. Vermutlich stammen sie aus einer großen Sternentstehungsregion im Bereich der Sternbilder Skorpion und Zentaur, wo bereits die massereichsten Sterne als Supernova explodiert sind. Dass sich überhaupt etwas über die Herkunft der kosmischen Strahlung aussagen lässt, verdanken die Forscher dem ACE-Satelliten der NASA, einem himmlischen Dauerbrenner.
    Zwei Supernova-Explosionen in Umgebung der Sonne
    "Das Instrument, mit dem wir das Eisen-60 nun gesehen haben, ist schon mehr als 18 Jahre im Weltraum. Es sollte ursprünglich nur etwa fünf Jahre lang arbeiten, ist aber immer noch in bestem Zustand. In unserem Instrument sind bisher exakt 15 Teilchen Eisen-60 eingeschlagen – es kommt also weniger als ein Teilchen pro Jahr."
    In derselben Zeit hat der Detektor mehr als 300.000 Teilchen des viel häufigeren stabilen Eisens gemessen. Doch die kosmische Geschichte enträtseln die Forscher vor allem mit dem guten Dutzend radioaktiver Eisen-60-Kerne. Der so seltene Sternenstaub verrät, dass es innerhalb der letzten ein bis zwei Millionen Jahre gleich zwei Supernova-Explosionen in der Umgebung der Sonne gegeben hat.