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Senden für Freiheit

Seit Dezember überträgt ein Fernsehsender aus Warschau über Satellit ein unabhängiges Fernsehprogramm nach Weißrussland. Dessen Journalisten bekamen den Unmut des Regimes jetzt mit voller Härte zu spüren. Florian Kellermann berichtet.

    Die Stimmung in der Redaktion von TV Belsat ist aufgekratzt. Redaktionsleiter Alaksej Dsikawicki gibt Durchhalteparolen aus: Lasst Euch nicht unterkriegen, wir müssen weiter senden. Das ist im Moment nicht leicht für TV Belsat. Denn in der vergangenen Woche hat der weißrussische Geheimdienst zahlreiche Mitarbeiter des Fernsehsenders für einige Stunden festgenommen. In Minsk und auch in kleineren Städten wurden die Wohnungen der Journalisten durchsucht und dabei Computer und Kameras beschlagnahmt. Der Vorwurf: TV Belsat habe Präsident Alexander Lukaschenko beleidigt.

    "Damit haben wir gerechnet, früher oder später. Alexander Lukaschenko hat die freie Presse seit seinem Amtsantritt verfolgt. Aber wir hätten nicht gedacht, dass die Aktion gegen uns so groß angelegt wird. Um acht Uhr morgens sind die Geheimdienstmitarbeiter gleichzeitig in die Wohnungen unserer Journalisten eingedrungen. Natürlich hat es der Geheimdienst auch auf unsere Informanten abgesehen, was uns die Arbeit in der Zukunft erschwert."

    Der Redaktionsleiter beobachtet das Vorgehen gegen seinen Sender aus sicherer Entfernung. Denn die Zentrale von TV Belsat sitzt in Warschau im Gebäude des öffentlichen polnischen Fernsehens. Der Sender wird zum Großteil von Polen finanziert und sendet seit Dezember in weißrussischer Sprache.

    So schrecklich das Vorgehen der weißrussischen Behörden ist, Alaksej Dzikwacki sieht darin auch etwas Gutes. Denn so wird deutlich, welche Bedeutung TV Belsat inzwischen hat.

    "Wir haben als einzige vergangene Woche Bilder von einer Demonstration in Minsk gezeigt. Da hat die Polizei die Demonstranten brutal auseinandergetrieben. Unsere Aufnahmen wurde von anderen, ausländischen Fernsehanstalten übernommen. Wahrscheinlich war das der Anlass für das Vorgehen des Geheimdienstes."

    TV Belsat sendet über Satellit und erreicht damit rund zehn Prozent der weißrussischen Haushalte. Wie viele das Programm einschalten, ist unbekannt. Denn unabhängige Zuschauerbefragungen gibt es nicht in Weißrussland.

    Dafür kommen Briefe von Zuschauern, inzwischen rund 20 pro Woche. Die Absender bleiben meistens anonym, denn die Furcht vor Verfolgung ist groß in Weißrussland. Bei TV Belsat in Warschau ist Nadzieja Michnewicz zuständig für die Zuschauerpost.

    "Die meisten danken uns und sagen, dass sie lange auf so ein kritisches Programm über ihr Land gewartet haben. Leider senden wir noch nicht über den Satelliten, der in Weißrussland am besten zu empfangen ist, aber das wird sich ändern. Provokative Briefe oder E-Mails vom Regime im Weißrussland bekommen wir nicht, das wundert uns eigentlich."

    Trotzdem wollen selbst in der Redaktion nicht alle Mitarbeiter ihren Namen nennen oder sich fotografieren lassen. Schließlich möchten sie in Ruhe auch mal ihre Verwandten in Weißrussland besuchen können.

    Im Haus des polnischen Fernsehens führt TV Belsat ein Schattendasein. Die Redaktion sitzt beengt in zwei kahlen Zimmern - den ehemaligen Dunkelkammern. Im Scherz nennen die Mitarbeiter die Räume Leichenschauhaus. Die gekachelten Wände haben sie mit Filzstift vollgeschrieben, wichtige Telefonnummern stehen da oder Passwörter für Internet-Seiten.

    Aber in den vergangenen Tagen hat TV Belsat auch in Polen an Stellenwert gewonnen. Seit den Festnahmen berichten polnische Medien regelmäßig über das Schicksal des Senders.

    Das mache den Journalisten Mut, sagt Redakteur Ales Zalеwski:

    "Wir erfüllen eine wichtige Rolle für unser Land. Wir berichten über Menschen, Historiker, Künstler, die bisher nur im Untergrund aktiv waren. Wir schaffen eine neue Öffentlichkeit. Das merke ich auch bei meinen Eltern. Vor ein paar Tagen haben sie mich angerufen und mich zum ersten Mal zu einem Nationalfeiertag beglückwünscht - so wie man das unter den Oppositionellen in Weißrussland macht. Sie haben sich durch unser Programm verändert."

    Die Parlamentwahl im September wird TV Belsat aber leider kaum beeinflussen können. Präsident Lukaschenko wird wieder alle Register ziehen, um das Ergebnis zu manipulieren.