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Sender im Magen

Länderübergreifende Tierkrankheiten, aber auch Betrügereien in der Fleischbranche haben umfangreiche Kontrolleinrichtungen zur Folge gehabt, die es ermöglichen, alles nachzuvollziehen - von der Aufzucht über die Fütterung bis zur Schlachtung. Auch bei Schafen und Ziegen wird diese Identifizierbarkeit in den Mitgliedsländern der Europäischen Union für größere Herden ab 2008 Pflicht. Welches System dabei eingesetzt wird - ob Ohrmarke oder Chip unter der Haut - bleibt den einzelnen Ländern überlassen. In Norditalien wird derzeit in der Ziegenzucht eine Technik getestet, bei der ein elektronischer Sender im Vormagen der Tiere verankert wird.

Von Ute Flögel |
    Die Ziegen im paradiesisch entlegenen Hochland von Plan du Lares sind große, schlanke Tiere mit glänzendem, braunem Fell und stolzen Hörnern. Ihnen ist nicht anzumerken, dass sie alle einen kleinen Sender im Vormagen tragen, der sie individuell kennzeichnet und lebenslang begleitet. Hier wird an den 2 000 Ziegen in der nordwestlichsten italienischen Provinz Varese ein elektronisches System zur Identifizierung von Nutztieren erstmals im Alltag angewendet. Zur Kontrolle von Tierkrankheiten und Seuchen, zum Schutz vor Betrug mit öffentlichen Zuschüssen und zur einfacheren Verwaltung der Tierbestände und ihrer Produkte wurde eine sichere, schnelle und preiswerte Identifizierung notwendig. Denn Ohrmarken oder Tätowierungen, die für alle ab August dieses Jahres geborenen Nutztiere in der Europäischen Union vorgeschrieben sind, haben Nachteile, sagt der wissenschaftliche Projektleiter von der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission, Johann Hofherr:

    "Die Probleme: nicht identifiziert, nicht lesbar. Oder dann Fehler auch bei der Übertragung, weil ich eben jedes einzelne Tier fangen muss, zum Beispiel die Ohrmarke säubern muss, dass ich’s ablesen kann, Tatoo im Ohrinneren mir angucken muss und dann übertragen auf ein Stück Papier. Das brachte eben eine ganze Menge Unsicherheiten, Fehlerquellen, die man so elegant ausschließen könnte."

    Bei den umfangreichen, vierjährigen wissenschaftlichen und praktischen Entwicklungen des Systems wurden verschiedene elektronische Identifikationsmöglichkeiten ausprobiert. Für Wiederkäuer - Rinder, Büffel, Schafe und Ziegen - erwies sich das Einführen eines kleinen Senders in den Vormagen als sicherste und von den Tieren gut verträgliche Anwendung. Dabei wird den Tieren mit einer Art Pistole durch das Maul ein so genannter Bolus in den Vormagen appliziert. Dank seines Gewichtes von etwa 75 Gramm bleibt er dort liegen.

    "Ein Bolus ist praktisch ein Keramikzylinder, etwa sieben Zentimeter lang, weiß, Durchmesser vielleicht von zwei Zentimetern. Und er hat an einem Ende eine Öffnung, die mit einem Silikonstopfen verschlossen ist. Das ist der Bolus. Und im Innern findet sich dann eben dieser Transponder."

    Der kleine Sender ist mit einem einmaligen Code versehen, der auch nach der Schlachtung oder dem Tod des Tieres auf kein anderes übertragen wird. Über eine Antenne wird der Code auf einem Lesegerät sichtbar.

    "Hier zum Beispiel werden die Nummern gelesen. Und hier wird das gelesene Tier in der Liste wieder zugeführt. Und hier sehen Sie die Leseaktivität auf dieser Seite. Und auch akustisch hört man, dass gelesen wird."

    Das Zählen geht nicht nur sehr genau, sondern auch sehr schnell vor sich, mit 30 bis 50 Millisekunden pro Tier.

    "Das waren praktisch 86 Tiere, die hier herinnen waren, und alle 86 wurden gelesen. Ich konnte also jetzt innerhalb vielleicht fünf Minuten, konnte ich also für 86 Tiere genau sagen: das waren sie und das sind ihre Nummern. Und das ist also für uns ein wirkliches Ersparnis und ein Vorteil gegenüber der konventionellen Kennzeichnung. Wenn ich Sie fragen würde, stellen Sie mal fest, sind das alle 86 Tiere, die vorher auch auf de Farm waren, dann spielen Sie da drinnen Rodeo mit den Tieren, um die Ohrmarken oder die Tatoos zu lesen."

    Trotz der zusätzlichen Kosten – ein Bolus kommt noch auf etwa zwei Euro, ein Hand-Lesegerät auf 300 Euro - wird der elektronischen Identifizierung eine große Zukunft vorausgesagt. Allein in den 15 "alten" EU-Mitgliedsländern warten etwa 200 Millionen Nutztiere darauf. Als nächster Schritt sollen auf diese Weise auch die Transportwege jedes einzelnen Tieres und seine Behandlung unterwegs kontrolliert, und schließlich jedes Stück Fleisch bis zum Endverbraucher sicher zurückverfolgt werden können.