Donnerstag, 28. März 2024

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Sendereihe "Mission Erde"
Teil 2: Sehen, was in die Luft geht

Die Lufthülle ist wie geschaffen für die Erkundung durch Satelliten. Sie überwachen schon heute, wie viel Treibhausgase und Schadstoffe ganze Staaten emittieren. In wenigen Jahren sollen die kreisenden Schnüffler so genau geworden sein, dass selbst die Abgase einzelner Industrieanlagen oder Fracking-Bohrungen beobachtet werden können.

Von Karl Urban | 05.02.2014
    Luft, die Atmosphäre der Erde: Das sind natürlich vorkommende Gase wie Stickstoff, Sauerstoff, Kohlenstoffdioxid und Wasserdampf. Und das sind auch gasförmige Schadstoffe wie Stickstoffdioxid.
    "Ein Gas, das im Wesentlichen heutzutage aus dem Autoauspuff entweicht, obwohl wir alle Katalysatoren haben."
    Hartmut Grassl, Physiker, Meteorologe und ein Urgestein der Erdbeobachtung in Deutschland.
    "Aber so ganz rein ist das Abgas immer noch nicht. In manchen Regionen der Welt kommt es auch noch aus den großen Schornsteinen der Fabriken und der Kraftwerke. Dies ist ein ganz stark reizendes, giftiges Gas für uns und wenn man vom Weltraum aus Monatskarten oder Jahresmittelwerte sieht, dann sieht man die eigentlichen Verschmutzungszentren und das hat bis hinein in Parlamentsdebatten gewirkt in den Niederlanden."
    Im Jahr 1995 startete ERS-2, der zweite "Europäische Fernerkundungssatellit": Der legte die weltweit ersten Karten der Stickstoffdioxid-Konzentrationen an, weil er selbst winzige Mengen dieses Gases nachweisen konnte. Dafür analysierte ein empfindliches Spektrometer das gestreute Licht aus der Atmosphäre. Die Bilder zeigten: In dicht besiedelten, verkehrsreichen Industriezentren ist die Luft besonders ungesund.
    Konzentrationen des Gases NO2 in Europa, aufgenommen vom ESA-Satelliten Envisat. Info der Wissenschaftler: "The image shows the global mean tropospheric nitrogen dioxide (NO2) vertical column density (VCD) between January 2003 and June 2004, as measured by the SCIAMACHY instrument on ESA's Envisat. The scale is in 1015 molecules/cm-2. Image produced by S. Beirle, U. Platt and T. Wagner of the University of Heidelberg's Institute for Environmental Physics."
    Konzentrationen des Gases NO2 in Europa, aufgenommen vom ESA-Satelliten Envisat (Universität Heidelberg)
    Hartmut Grassl: "Wenn Sie sich Europa ansehen, dann haben sie zwei Klopse: Eines ist das Gebiet Westdeutschland, Belgien und die Niederlande und die Po-Ebene, wo beides zusammenkommt: Industrie, Verkehr und eine geografische Situation, die das Durchlüften dieses großen Talbeckens leicht behindert, weil um die Po-Ebene herum Gebirge sind."
    Ronald van der A: "Stickstoffdioxid ist unser Lieblingsgas, weil es so einfach zu messen ist und weil wir die Messungen aus dem All oft auf ein einzelnes Kraftwerk zurückführen können. Nur wenn mehrere Industrieanlagen nah beieinander stehen, können wir nicht immer zwischen ihnen unterscheiden."
    Ronald van der A arbeitet mit den weltraumgestützten Schadstoffdaten am königlich-niederländischen meteorologischen Institut im Bereich Klimabeobachtung. In den dicht besiedelten Niederlanden mit viel Verkehr und Industrie sind solche Daten gefragt - aber nicht nur dort. Vor den Olympischen Spielen in Peking etwa erließen die chinesischen Behörden strenge Auflagen, um die notorisch schlechte Luftqualität der Hauptstadt zu verbessern. Satelliten wiesen damals einen deutlichen Rückgang der Stickoxide in der Luft nach - wenn auch nur für kurze Zeit.
    Ronald van der A: "Ein paar Monate war die Luft wirklich besser, weil manche Industriebetriebe Filteranlagen installierten, während andere sogar permanent umgesiedelt wurden. Schließlich war die Luft aber doch wieder so schlecht wie vorher - vor allem weil der Verkehr sein altes Niveau schnell wieder erreicht hatte."
    Immer genauere Erkundung
    Weltraumgestützte Gas-Schnüffler der neusten Generation - wie der NASA-Satellit Aura und Europas Wettersatellit MetOp - erlauben es, auf einem sieben mal sieben Kilometer großen Areal einen Messwert zu nehmen. Damit entdecken sie gerade in schnell wachsenden Schwellenländern schon mal ein Kohlekraftwerk, das bisher niemand kannte - und das bei Klimaverhandlungen durchaus eine Rolle spielen kann. Doch für das vergleichsweise leicht zu messende Stickstoffdioxid gibt es längst gute Abgasfilter. Dieses Gas verrät daher nur noch wenig über die Treibhausgase, die ein Kraftwerk ausstößt. Aussagekräftiger wäre es, das CO2 aus dem All zu messen. Die Satellitensensoren dafür stecken heute aber noch in den Kinderschuhen, sagt Heinrich Bovensmann von der Universität Bremen:
    "Die Emissionen werden typischerweise heute dadurch erfasst, dass man zum Beispiel bei Kraftwerken zählt, wie viel Kohle verbrannt worden ist und das dann hochrechnet, wie viel durch den Verbrennungsprozess in die Atmosphäre gelangt ist. Es gibt derzeit keinerlei Möglichkeiten, das unabhängig in der Atmosphäre zu verifizieren."
    Das Problem dabei: Ein Gas wie CO2 durchmischt sich zu schnell mit der umgebenden Luft. Bovensmann hat daher ein neues Messinstrument für Treibhausgase entwickelt - und versucht derzeit die Europäische Raumfahrtbehörde davon zu überzeugen, einen speziellen Satelliten damit in die Umlaufbahn zu schicken: Dieser CarbonSat soll fähig sein, Kohlenstoffdioxid und Methan aus dem All sehr genau zu messen. Solche Daten wären nicht nur für künftige Klimakonferenzen interessant, sondern auch für das Verständnis des globalen Kohlenstoffkreislaufs, erklärt Bovensmann:
    "Eine große wissenschaftliche Frage ist immer noch, wie viel CO2 die Biosphäre aufnimmt. Wenn man sich die Nordhalbkugel anguckt, ist die Biosphäre immer durchmischt mit Industriegebieten und großen Städten. Und um das zu trennen - das Signal der Biosphäre im CO2 und der Emission im CO2, braucht man diese räumlich hoch aufgelösten Messungen, um damit auch die Landsenke - also wie viel nimmt die Biosphäre, wie viel nehmen die Pflanzen auf - besser schätzen zu können."
    Auch beim äußerst wirksamen Treibhausgas Methan ist das Unwissen der Wissenschaft heute noch groß. Das gilt etwa für die tausenden neuartigen Erdgas-Bohrungen weltweit, die mittels der sogenannten Fracking-Methode das Gestein aufbrechen - und dabei mitunter ebenfalls unkontrolliert Methan freisetzen. Mit einem Satelliten wie CarbonSat ließe sich in einigen Jahren jedes einzelne Bohrloch aus dem All kontrollieren.
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