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Senegal
Der harte Alltag der Fischer

Der Senegal ist ein Land, das vom Fisch lebt. Doch Klimawandel, Umweltverschmutzung und die Ausbeutung des Meeres lassen die wertvolle Ressource schwinden. Für die Menschen im Senegal hat das schwerwiegende Folgen, denn Fisch ist das wichtigste Wirtschaftsgut des Landes.

Von Katharina Nickoleit | 08.10.2016
    Angeschwemmter Plastikmüll liegt in Ngor (Senegal) am Strand.
    Angeschwemmter Plastikmüll liegt in Ngor (Senegal) am Strand. (dpa / picture alliance / Nic Bothma)
    Noch zwei Paddelschläge, dann springt Birame Mbengue aus seinem schmalen Boot an Land und schiebt die bunte Pirogge durch Sand und Plastikmüll. Heute war wieder so ein Tag, an dem er kaum so viel Fisch gefangen hat, dass es zum Bezahlen des Sprits für den Außenbordmotor gereicht hätte.
    "Ich fahre jeden Tag raus und fange immer weniger Fisch. Ich weiß kaum noch, wie ich davon leben soll. Doch außer der Fischerei gibt es hier keine Arbeit für mich. Also mache ich weiter, vielleicht wird es ja wieder besser."
    Fischreichstes Gewässer der Erde
    Der Atlantik vor Westafrika ist eigentlich eines der fischreichsten Gewässer der Erde. Wenn Birame Mbengue etwas fängt, dann hat er keine Schwierigkeiten, seinen Fisch loszuwerden. Direkt am Hafen stehen Lastwagen, die auf die Heimkehr der Fischer warten und ihnen den Fang sofort abkaufen.
    "Die Preise, die ich für meinen Fisch bekomme, sind schon gut. Aber ich fange einfach nicht genug. Das ist das Problem."
    Der zentrale Fischmarkt von Dakar. Vermutlich wird auch Birame Mbengues Fang hier irgendwo verkauft. Es herrscht ein ungeheures Gedränge und Geschiebe. Träger mit Kisten voller Fisch auf dem Kopf bahnen sich einen Weg. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Viele Stände sind leer. Hinter den Marktständen, auf denen Fisch zu Hügeln aufgestapelt ist, sitzen fast ausschließlich Frauen. Fanta Mbaye thront in ihrem lagen rosa Kleid geradezu über ihren ganzen zehn Schwertfischen.
    "Ich bin seit vier Uhr in der Frühe hier. Wenn man später kommt, dann sind die Lastwagen schon leer gekauft. Der Fisch ist sehr teuer. Ich kann ihn oft nicht bezahlen, dann muss ich bei den Zwischenhändlern einen Kredit aufnehmen. Den zahle ich dann bei Marktschluss mit hohen Zinsen zurück.
    Frauen auf einem Markt in Touba, Senegal.
    Frauen auf einem Markt in Touba, Senegal. (imago/Xinhua)
    Umgerechnet sechs Euro hat Fanta Mbaye pro Kilo Schwertfisch bezahlt, gerade mal 30 Cent kann sie beim Weiterverkauf aufschlagen. Würde sie mehr verlangen, fände sie keine Kunden. Ihre Gewinnspanne wird immer kleiner und für die Fischhändlerin wird es zunehmend schwierig, ihre Familie zu versorgen.
    "Meine Kinder gehen nicht zur Schule - ich habe das Geld für die Schulsachen nicht mehr. Früher konnte ich sie in eine private Schule schicken, dann mussten sie in die öffentliche Schule gehen und jetzt verdiene ich nicht mal mehr genug, um meine sechs Kinder dorthin zu schicken."
    Fisch ist knapp und teuer
    Diaba Diop schiebt sich durch die Menge an Fantas Mbayes Stand vorbei. Die 45jährige trägt ein fast bodenlanges, weites Kleid mit dunklem Muster und hat ein dazu passendes Tuch um den Kopf geschlungen. Diaba Diop ist auf der Suche nach Fisch, den sie auf traditionelle Art weiter verarbeiten will. Früher hat ihr Mann den gefangen, doch der fängt inzwischen so wenig, dass sie auf dem Markt zukaufen muss.
    "Weil Fisch so knapp geworden ist, ist er unglaublich teuer. Sardinen zum Beispiel kosten heute 20 mal so viel wie noch vor 10 Jahren. Es gibt einfach zu viel Konkurrenz um den Fisch. Hier bei uns im Senegal, aber auch international."
    Viele Fischer verkaufen ihren Fang an Mittelsmänner, die ihn nach Europa verfrachten. Auf dem lokalen Markt kommt auch deshalb immer weniger an. Diaba Diop schluckt sichtlich, als ihr eine Händlerin den Preis für fünf große Fische nennt. Sie kauft sie trotzdem und macht sich mit dem Bus auf den Weg zur Fischverarbeitungsanlage.
    Plastikmüll am Strand von Dakar, Senegal. Im Vordergrund sitzt eine magere Katze
    Die Strände einiger Städte und Inseln versinken geradezu in Müll. (Picture Alliance / dpa / EPA / Nic Bothma)
    Die traditionelle Fischverarbeitung in Westafrika ist kein besonders appetitlicher Anblick. Diaba Diop schneidet die Tiere auf, nimmt sie aus und wäscht das Fleisch. Dann werden die entgräteten Fischhälften in Salzlake eingelegt und drei Tage zum Fermentieren in der Sonne stehen gelassen.
    "Die Fischverarbeitung war mal eine gute Arbeit. Wir konnten uns ein Haus kaufen und ich hatte sogar etwas Schmuck. Heute reicht es gerade noch zum Überleben. Ich kann die Preissteigerung des Fischs nicht an meine Kunden weiter geben, denn die könnten ihn sich dann gar nicht mehr leisten."
    Nach der Fermentierung wird der Fisch drei Tage lang in der Sonne zum Trocknen ausgelegt. Danach ist er bis zu sieben Monate lang haltbar und wird bis in die 3.000 Kilometer entfernten Wüstengebiete des Niger exportiert. Fisch aus dem Senegal ist dort für die Menschen eine wichtige Proteinquelle. Doch mehr als die Hälfte der Tische, auf denen der Fisch getrocknet wird, ist leer.
    "Es können immer weniger Menschen vom Fisch leben. Die jungen Männer finden keine Arbeit mehr und gehen weg. Aus jeder Familie hier haben sich Jungs auf den Weg gemacht. Drei meiner Cousins und einer meine Brüder sind mit Booten nach Norden gefahren. Einer von ihnen ist nie an seinem Ziel angekommen. Das ist hier bei uns die Realität."
    Diaba Diop wischt sich verstohlen mit einem Zipfel ihres Kopftuches über die Augen. Dann schaut sie aufs Meer hinaus, in dessen Brandung Plastiktüten herum wirbeln. Verschmutzt und ausgebeutet können die eigentlich reichsten Fischgründe der Welt die Menschen nicht mehr ernähren.