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Senioren-Freizeitpark
Das achte Weltwunder von Borken

Das "Weltwunder" ist eine sportliche Herausforderung. Auf 10.000 Quadratmetern des historischen Kraftwerks im nordhessichen Borken, können unterschiedlichste Raritäten bewundert werden. Deutschlands größte private Sammlung dieser Art zeigt sporthistorische Objekte und asiatische Kunst.

31.07.2014
    Historische Stiche vom Reiten und Radfahren an meterhohen Wänden, Medaillen, Urkunden und eigenartig angestaubt wirkende Vitrinen mit Exponaten zur Sportgeschichte, keines davon beschriftet und erklärt: "Deutsches Historisches Sportmuseum" nennt Richard Rode vollmundig die wohl größte private Sammlung dieser Art.
    Der 72-Jährige – ein Mann der Superlative, voller Begeisterung für die Raritäten, die er auf 10.000 Quadratmetern Fläche, verteilt über mehrere Kraftwerksetagen, zeigt: wie das Kinderhochrad in der dicht bestückten Vitrine.
    "Und denn das Dreirad für Kinder mit dem Pferd."
    "Ja."
    "Die Kombination zwischen Radfahren und Reiten, das ist denn doch ganz lustig hier."
    Lustig, ja, Ursula Kratzfeld nickt. Da steht sie noch ganz am Anfang der stundenlangen Irrfahrt durch die neonbeleuchteten Kraftwerkshallen. Eine Irrfahrt treppauf, treppab durch die Jahrhunderte und über die Kontinente hinweg. Vorbei an 20.000 Exponaten, die Richard Rode zusammengestellt hat.
    Einziges Sammlungskriterium: seine eigenen Interessen. Museumspädagogische Beratung? Fehlanzeige. Abstimmung mit örtlichen Seniorenbeiräten? Fehlanzeige. Richard Rode hat das nicht nötig.
    "Da brauch ich keinen Rat. Ich bin selbst Senior, ich habe in meinem ganzen Bekannten- und Freundeskreis nur Senioren. Ich weiß, was diese Senioren sich wünschen. Es ist lustig alles, ne. Und gut, man kann natürlich alles negativ auch sehen, wenn man das will. Es ist kein Sammelsurium, weil es denn doch wiederum gezielte Themenbereiche sind. China zum Beispiel."
    "Was man gesehen haben muss"
    "Da können andere Senioren ja nicht mehr hinfahren", weiß der agile Manager. Also holt er ihnen nach Borken, was man seiner Ansicht nach gesehen haben muss.
    "Und da habe ich gedacht, Mensch, so was interessiert auch andere Leute: Ich mache mal'n Tempel, ich bau mal'n Tempel, immer so'n bisschen gekauft, und immer hier noch was und da noch'n Buddha."
    Nach den ersten Tausend Metern vorbei an asiatischen Pagoden, US-Care-Paketen, deutschem Kaiserreich und einem lebendigen DDR-Volkspolizisten in Uniform wirkt Ursula Kratzfeld ermattet. Immerhin aber hat die Seniorin mit dem rot-blonden Haar zielsicher Rodes Sammlungsprinzip identifiziert:
    "Von ner Reise gekommen, zack schnell in die Ecke gestellt, die nächste Reise, zack, schnell in die Ecke gestellt, und dann mal irgendwann alles vom Speicher geholt. Das geht nicht. Da muss man'n bisschen ..."
    nacharbeiten, verlangt die Leiterin einer Butzbacher Herzsportgruppe mit einer Mischung aus Strenge und Nachsicht. Mehr Bewegungsangebote auch draußen auf dem weitläufigen Kraftwerksgelände wünscht sie sich. Sonst wird Richard Rode auf ihr Eintrittsgeld von fünf Euro künftig verzichten müssen. Und auf das der vielen Senioren, die sie mitbringen könnte.
    "Aber er ist ja noch fit, und hat seine Enkel, die sich wohl auch dafür interessieren, die müssen da weitermachen."
    Eine seltsame Schau
    Dieter Bartsch, Vorsitzender des Seniorenbeirats Borken meint dagegen:
    "Ich denke, wir brauchen's nicht, wir hätten's nicht gebraucht."
    Hier seien die Senioren so eingebunden in ehrenamtliche Arbeit, dass sie kaum Zeit für solch eine seltsame Schau erübrigen könnten.
    "Und die Kirchen stehen noch mitten im Dorf, wie man so schön sagt."
    Der Pfarrer im Ruhestand organisiert selbst ein gut besuchtes Seniorenkino mit gehaltvollen Filmen und lobt das Borkener Bergbaumuseum mit den begehbaren Riesenbaggern und Führungen - Industriegeschichte konkret erfahrbar, das fasziniere Senioren.
    Bartsch ist gut zu Fuß und nach zwei Stunden Rundgang durch den Senioren-Freizeitpark noch so fit, dass er im skurrilen Weihnachtscafé zwischen Gipsrentieren und blinkenden Lichterketten nicht pausieren muss. Lieber noch weiter zur nachgebauten chinesischen Terracotta-Armee: 200 fast mannshohe Ton-Soldaten stehen da unter einem Industriekran der Borkener Kraftwerkshalle in gedämpftem Licht. Das haut selbst den Skeptiker um:
    "Mann, Mann, Mann!"
    Eine sportliche Herausforderung
    Das achte Weltwunder von Borken. Befeuchtet von leichtem Sprühregen. Das 7000 Quadratmeter große Hellendach hält dem Wolkenbruch nicht stand.
    "Aber dafür gibt es ja Wasserkübel, um den aufzufangen", sagt Rode pragmatisch: alles im Griff. Wie viel er investiert hat, will er nicht verraten. Das Weltwunder von Borken, in den kommenden Jahren soll es noch Treppenlifte und Sportgeräte bekommen. Vorausgesetzt, die Einnahmen stimmen.
    Vorerst sind die Unebenheiten im Betonboden, die verschiedensten Teppichbeläge und Treppen sportliche Herausforderung genug für betagte Freizeitpark-Besucher. Auf der Buchungsliste steht schon der erste Bus mit 50 Senioren. Aus der niedersächsischen Heimat des Investors.