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Senioren gesucht!

"Senioren gesucht !" – mit dieser fetten Überschrift warb die Coburger Firma Brose vergangenes Jahr in mehreren überregionalen Tageszeitungen um Mitarbeiter. Entgegen dem allgemeinen Jugendwahn suchte der Automobilzulieferer aber keine jungen Kräfte, sondern rund 100 Mitarbeiter auf Abteilungsleiterebene bis hin zum Top-Management, die mindestens 45 Jahre oder älter sein sollten. Hintergrund: Die älteren Mitarbeiter sollten das im Durchschnitt sehr junge Management bei Brose anleiten und mit ihrer Erfahrung vor teuren Fehlentscheidungen bewahren. Die Resonanz war gewaltig. Neben einem gigantischem Medieninteresse gingen bei Brose binnen vier Wochen nicht weniger als 1400 Bewerbungen ein.

Von Heiner Gremer | 24.05.2004
    Während andere Automobilzulieferer derzeit zu kämpfen haben, brummt bei Brose in Coburg das Geschäft. War man vergangenes Jahr weltweit noch an 24 Standorten vertreten, sind es aktuell 30. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von 7000 auf 7500 und das Geschäftsvolumen hat sich in den letzten 10 Jahren auf 1,9 Milliarden Euro vervierfacht. Unter diesem Licht gesehen wird klar, dass die Aktion "Senioren gesucht" sicher kein sozialer Akt der Firma Brose aus Coburg war, sondern dass man sich einen klaren Benefit, also ein Gewinn für die Firma verspricht. Personalchefin Esther Loidel:

    Wir haben einige Bereiche, da haben wir sehr, sehr junge Mitarbeiter, die direkt von der Hochschule kommen, die genau die Bereiche mit dieser ganz jungen Altersstruktur, die haben wir eben dann gemischt mit älteren Kollegen und es funktioniert sehr gut, dieses Zusammenspiel von jungen Ideen und von dieser Erfahrung, auch dem ausgeprägten Fachwissen, das ältere und berufserfahrene Mitarbeiter mitbringen.

    Einer dieser neuen älteren Mitarbeiter ist der 48-jährige Martin Kugel. Der Jurist prüft für Brose Verträge und war vor einem Jahr auf Jobsuche.

    Mich hat damals sehr erfreut, dass hier auch speziell erfahrene Mitarbeiter, die auch ein gewisses Alter schon mitbringen, gesucht werden. Das hat mich sehr positiv angesprochen, das findet man sonst sehr wenig. Häufig werden junge Mitarbeiter gesucht, die schon 20 Jahre Erfahrung haben, aber nicht älter als Anfang 30 sein dürfen.

    Seine Bewerbung damals hat er bis heute nicht bereut.

    Keinesfalls. Ich bin sehr positiv angetan. Das Unternehmen gefällt mir sehr gut, die Aufgabenstellung auch. Darüber hinaus ist hier auch interessant im Unternehmen, dass die Nebenleistungen, ob das jetzt im Bereich Sport, im Bereich Kantine Bistro, die hier angeboten werden, Ausnahmecharakter haben.

    Diese Nebenleistungen koordiniert Angelika Stapf-Meier. Auch sie wurde durch die "Senioren gesucht"-Anzeige auf das Unternehmen aufmerksam, hatte aber vorher so ihre Erlebnisse auf der Jobsuche.

    Nach den ersten Gesprächen mit so mancher Personalabteilung, habe ich allerdings schon gemerkt, dass man mit über 40 hier in Deutschland nichts mehr wert ist. Manchmal kommt man sich so vor, als ob man ein Bein im Grab hätte.

    Darüber sollten wir intensiver reden. Was ist bei Brose denn so anders.

    Es ist natürlich so, dass hier die Erfahrung abgegriffen wird, also diese jahrelange, teilweise jahrzehntelange Berufserfahrung. Ich denke, das ist ein cleverer Schachzug sich das zunutze zu machen.

    Da wären doch andere Firmen auch gut beraten, es Brose gleich zu tun. Doch da war die Resonanz eher verhalten. Esther Loidel:

    Dass jetzt ein Unternehmen auf uns zu gekommen ist und hat gesagt: "Mensch das ist toll. Wir wollen dasselbe machen. Wie habt ihr denn das gemacht? Wie sind eure Erfahrungen?" Da waren es ca. 2 oder 3 Unternehmen, die sich an uns gewandt haben. Also da war das Interesse von Unternehmensseite her nicht so groß.

    Im Zuge der Aktion hat Brose von 100 freien Stellen, 40 an ältere Mitarbeiter vergeben, darunter 15 im gehobenen Management. Bleibt die Frage: Wo ist denn bei Brose so altersmäßig dann Schluss bei den Neueinstellungen?

    So eine Aussage machen wir eigentlich nicht. Auch unter den Leuten, die wir eingestellt haben, haben wir z. B. einen Herrn, der ist 56 Jahre alt und der arbeitet fantastisch, der hat hohe Akzeptanz bei seinen Kollegen und es funktioniert ausgezeichnet. Also wir haben bis jetzt keine negativen Erfahrungen gemacht. Deshalb kann ich Ihnen auch nicht sagen, mit dem Alter ist jetzt Schluss.

    Und deshalb ist die Aktion "Senioren gesucht" auch keine Eintagsfliege geblieben, sondern zumindest bei Brose inzwischen Personalpolitik.

    Wir werden weiterhin explizit, auch für gewisse Funktionen ältere Mitarbeiter suchen. Wir haben sehr viele Stellen, wo wir Berufserfahrung von 10-15 Jahren für absolut erforderlich halten und ich denke so werden wir auch in der Zukunft weiter arbeiten.