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Sensation in Rom

Der italienische Kulturminister Francesco Rutelli hatte am Dienstag eine Sensation zu verkünden: Die Höhle, in der die Wölfin die späteren Gründer Roms, Romulus und Remus, gesäugt hat, scheint gefunden, und zwar bei Ausgrabungen auf dem Palatin, einem Hügel zwischen dem Kolosseum und dem Circus Maximus.

Moderation: Karin Fischer |
    Karin Fischer: Thomas Migge in Rom - was genau wurde dort denn ausgegraben?

    Thomas Migge: Da wurde eine Höhle noch nicht ausgegraben, aber entdeckt und mit einer Kamerasonde ausgemessen und ausfotografiert, die 16 Meter tief im Palatinhügel genau unter den Resten des Kaiserpalastes von Augustus liegt, die sieben Meter hoch, 40 Meter lang und sechs Meter breit ist.

    Fischer: Was ist darin zu sehen?

    Migge: Darin sind zu sehen - und der Minister präsentierte einige Fotografien, die mit dieser Minikamera gemacht wurden - polychrome Mosaiken, die gesamten Wände, Decken und Fußböden sind mit diesen Mosaiken bedeckt.

    Fischer: Der Sage nach wurden die beiden, Romulus und Remus, als Neugeborene auf dem Tiber ausgesetzt und dann am Fuß des Palatins angeschwemmt. Die berühmte Wölfin soll sie dort aufgelesen und mit ihrer eigenen Milch großgezogen haben. Nun handelt es sich dabei ja eher nicht um Geschichtsschreibung, sondern um eine Legende. Auf was für Quellen stützen sich die Archäologen?

    Migge: Die Archäologen stützen sich auf die Beschreibungen antiker Autoren, denn die Höhle wurde bis ins fünfte nachchristliche Jahrhundert als die heilige Höhle des Faunus Lupercus verehrt. Das ist ein Faun gewesen, der jedes Mal am 15. Februar mit einem altrömischen Fruchtbarkeitsfest gefeiert wurde, ein Fest, das dann später von den Päpsten untersagt wurde. Und aus diesen 800, 900 Jahren der Existenz dieses Festes in dieser heiligen Grotte gibt es natürlich Dutzende von Beschreibungen antiker Autoren, die genau beschrieben haben, wie diese Höhle aussah und wie sie ausgeschmückt war. Und als die Archäologen dann dank dieser Mikrokamera in diese Grotte eingedrungen sind, haben sie sofort erkennen können, dass es sich um diese Grotte handeln muss.

    Fischer: Nun wird ja in Rom nicht erst seit gestern gegraben, die Frage lautet, warum erst jetzt?

    Migge: Weil diese Höhle in so einer Tiefe im Palatinhügel liegt, der erst seit einigen Jahren archäologisch erforscht wird. Man hat ja auch zum Beispiel erst vor einigen Jahren die ersten Pfahlbauten auf dem Palatinhügel entdeckt, die im achten Jahrhundert vor Christus als erste Tempelbauten gedacht worden sind, das heißt also, man hatte sich bisher immer nur auf Großbauten in der archäologischen Forschung spezialisiert, und erst seit einigen Jahren geht man in die absolute Tiefe in Rom, also in die Gründungsjahrhunderte der römischen Stadt.

    Fischer: Diese legendäre Wölfin, die gibt es ja, in Bronze, mit den Zwillingen an den Zitzen, ausgestellt in den Kapitolenischen Museen, und jahrhundertelang hat auch niemand daran gezweifelt, dass sie etruskischen Ursprungs sei, bis leider, leider in diesem Sommer zweifelsfrei geklärt werden konnte, dass die Wölfin aus dem Mittelalter stammt. Gibt es in Bezug auf diese Höhle so einen kleinen Zweifel, den man entsprechend beachten sollte?

    Migge: Sicherlich, auch wenn der Minister es nicht angesprochen hat, man muss in diese Höhle hineingehen, man muss sie vor Ort archäologisch erforschen, um dann wirklich hundertprozentig zu sagen, das ist die Höhle. Aber die Hinweise der antiken Autoren sind eindeutig, dass es sich eben um diese Höhle handeln muss, denn Kaiser Augustus hat ganz präzis seine Kaiservilla über einer Grotte errichtet, die dem Fruchtbarkeitskult geweiht war, des Faunus Lupercus, und das war ein Faun, der ganz in der Tradition der heiligen Wölfin gestanden haben soll.