Donnerstag, 28. März 2024

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Sensationsfund in Ägypten
Felsengräber bei illegalen Grabungen entdeckt

Vier Gräber von hohen Beamten aus der Zeit zwischen 1500 und 1300 vor Christus wurden in Ägypten entdeckt. Da die Grabungen illegal erfolgten, seien die meisten Grabgaben wohl nicht mehr zu beschaffen, sagte der Archäologe Cornelius von Pilgrim im Deutschlandfunk. Wichtig sei es, dass die staatliche Kontrolle auch in der gegenwärtigen Umbruchphase durchgesetzt werde.

Cornelius von Pilgrim im Gespräch mit Stefan Koldehoff | 05.03.2014
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    Auf der Nilinsel Elephantine wurden die vier Gräber entdeckt. (dpa / Friedel Gierth)
    Stefan Koldehoff: "Dieser Fund ist sensationell", zitiert die Deutsche Presse-Agentur Cornelius von Pilgrim, den Direktor des Schweizerischen Instituts für Ägyptische Bauforschung und Altertumskunde. Es geht um mehrere altägyptische Gräber am Westufer des Nils. Und weil das Wort sensationell natürlich auch uns nicht kalt lässt – Archäologen wissen, wie man Journalisten kriegt –, haben wir angerufen und nachgefragt, bei Cornelius von Pilgrim in Ägypten, und zunächst gefragt, was denn nun Sensationelles gefunden wurde.
    Cornelius von Pilgrim: Na ja, das Sensationelle an diesem Fund ist die historische Bedeutung dieser Gräber. Das sind nicht irgendwelche Gräber, sondern das sind die Felsgräber der Bürgermeister und Gouverneure von Elephantine, der südlichen Grenzstadt Ägyptens aus dem Neuen Reich, aus der 18. Dynastie, und aus dieser Zeit hatte man bisher hier in der Region noch überhaupt keine Gräber und jetzt hat man plötzlich auf einen Schlag vier Gräber aus dieser Zeit und noch von den allerhöchsten Beamten, die, soweit man dem Internet entnehmen kann, den Fotos, den wenigen, die bisher zugänglich gemacht worden sind, auch in einer sehr spannenden und außergewöhnlichen Weise bemalt und ausdekoriert sind.
    Koldehoff: Und wenn wir jetzt nicht in Dynastien rechnen, sondern in unserer Zeitrechnung, welche Zeit ist es, über die wir sprechen?
    von Pilgrim: Das ist die Zeit so um 1500 bis 1300 vor Christus.
    Koldehoff: Was nahmen hohe Beamte damals mit ins Grab? Was können Sie schließen aus diesem Fund?
    von Pilgrim: Grundsätzlich weiß man darüber natürlich viel Bescheid. Man nahm eine reiche Grabausstattung mit, vor allem eine Statue des Verstorbenen und all das. Bekannt sind ja auch die vielen Uschebti-Figuren. Aber was jetzt hier konkret in diesem Fall bereits gefunden worden ist, das entzieht sich noch völlig unserer Kenntnis, weil diese Gräber bisher nicht zugänglich waren. Sie sind ja nicht bei legalen Ausgrabungen gefunden worden, sondern eben bei illegalen Grabungen, die schon seit vielen Monaten andauerten. So können wir nur spekulieren, ob überhaupt noch etwas von der ursprünglichen Grabausstattung jemals der Forschung zugänglich gemacht werden kann.
    Koldehoff: Und da bekommt jetzt der Wein den berühmten Schluck Wasser. Sie haben es schon angedeutet: Es musste regelrecht darum gekämpft werden, dass man Zugang zu diesen Gräbern bekam. Erzählen Sie die Geschichte.
    von Pilgrim: Wenn man jetzt sagt, darum gekämpft, dann klingt das etwas martialisch. Das trifft es natürlich nicht, sondern man hat sich extrem darum bemühen müssen. Sagen wir es mal so. Diese Gräber sind im Mai vergangenen Jahres bei illegalen Grabungen von Bewohnern des angrenzenden Dorfes gefunden worden, und wie das jetzt in der momentanen politischen Situation hier ist, hat die staatliche Kontrolle so ein bisschen nachgelassen, und so haben diese Bewohner dieses nubischen Dorfes fleißig vor sich hingegraben, unter anderem auch mit sehr brachialen Mitteln.
    Man hat dort, um diese Eingänge der Gräber freizulegen, dann auch schweres Gerät eingesetzt. Man hat mit Loadern und Baggern gearbeitet, wobei die ganzen Vorbauten dieser Gräber wohl zerstört worden sind. Dann bekamen die hiesigen verantwortlichen Vertreter des ägyptischen Antik-Ministeriums keinen Zugang und man hat dort über viele Monate fleißig ausgegraben, und so wissen wir bis heute nicht, was dort eigentlich gefunden worden ist, außer einigen wenigen Fotos. Vertrauten dieser Ausgräber ist wohl Zugang gewährt worden, die haben einige Fotos gemacht mit dem Handy und die sind ins Internet gestellt worden, so dass wir eine ungefähre Vorstellung davon haben, welche Bedeutung dieser Fund tatsächlich hat.
    Koldehoff: Was aber beispielsweise schon verkauft oder ins Ausland geschmuggelt worden sein könnte, darüber gibt es noch keine Erkenntnisse?
    von Pilgrim: Darüber gibt es überhaupt keine Erkenntnisse und diese Erkenntnisse wird man wohl auch kaum jemals bekommen, wobei man natürlich auch sagen muss, dass größere Objekte sehr schwer natürlich zu verkaufen sind und sehr schwer aus dem Land zu bringen sind.
    Koldehoff: Was fordern Sie, was müsste in diesen, von Ihnen angesprochenen politisch unsicheren Zeiten geschehen? Müsste die UNESCO stärker tätig werden? Wer könnte Ansprechpartner sein?
    von Pilgrim: Nein, das ist ein internes Problem. Momentan befindet sich Ägypten in einer Umbruchphase und man muss natürlich sagen, dass die Prioritäten momentan ganz woanders liegen und die Altertümer bei den Ausländern natürlich einen hohen Stellenwert haben, aber für die Bevölkerung zurzeit hier nur einen indirekten Stellenwert haben, weil sie eigentlich nur dazu dienen, die Touristen anzuziehen, wodurch wieder das Geschäft blüht, und das ist ja ein starker Faktor der hiesigen Wirtschaft. Aber sie haben für die wenigsten Menschen leider Gottes hier, vor allem für die einfache Landbevölkerung, einen Wert an sich oder gar einen historischen Wert, sondern das ist nur ein weiterer Teil des wirtschaftlichen Lebens hier. Es müsste einfach eine stärkere staatliche Kontrolle stattfinden, so wie es früher war, dass die Antiken-Gesetze richtig geachtet werden und auch durchgesetzt werden.
    Koldehoff: Der Archäologe Cornelius von Pilgrim über Grabfunde und Grabräuber in Ägypten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.