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Serengeti in Gefahr

Umwelt. - Beim Stichwort Klimawandel ruht das Augenmerk auf abschmelzenden Gletschern, versinkenden Inseln und extremen Wetterlagen. Nun hat die UN-Entwicklungshilfeorganisation UNEP hervorgehoben, dass das gesamte Weltnaturerbe betroffen sein wird. Die Serengeti in Tansania gehört zu den am stärksten bedrohten Naturparks.

Von Dagmar Röhrlich | 02.01.2007
    Serengeti - das bedeutet "endloses Land". Und endlos scheint die Serengeti auch zu sein, wenn man über ihre weiten Ebenen schaut. Aber - der Eindruck trügt. In der Umgebung des Parks wohnt eine verarmte Bevölkerung - die stetig wächst. Längst gibt es nicht mehr genug Land für alle, weshalb die Menschen wildern, um an Fleisch für den eigenen Kochtopf und den Verkauf auf dem Markt zu kommen. Eine Studie hat gezeigt, dass sie derzeit damit keinen großen Schaden anrichten. Aber dafür droht der Serengeti mit ihren wandernden Tierherden eine andere Gefahr:

    "Wir haben ein Migrationssystem, das vollkommen abhängig ist von einem Fluss im Norden des Parks, der Mara-Fluss. In der Trockenzeit sind zwei Millionen Tiere von diesem Fluss abhängig. "

    Und der könnte künftig in der Trockenzeit "versiegen", so Markus Borner. Er ist als Referatsleiter Afrika bei der Frankfurter Zoologischen Gesellschaft für die Serengeti zuständig. Das Wasser des Mara-Flusses wird immer stärker für Bewässerungsprojekte verbraucht. Gleichzeitig wird im Einzugsgebiet des Mara Wald abgeholzt, um Land für die Bauern zu gewinnen. Eine kurzsichtige Politik: Denn die Wälder speichern in der Regenzeit das Wasser wie ein Schwamm und geben es dann langsam übers Jahr hinweg ab: Sind sie weg, droht Dürre.

    "Alle diese Faktoren kommen zusammen mit dem Klimawechsel, und was der Klimawechsel in der Serengeti macht: Er macht vor allem alles extremer. Es gibt dann extremere Regen, aber auch extremere Trockenzeiten. Und eine extreme Trockenzeit zusammen mit schon diesen wasserreduzierenden Faktoren kann dazu führen, dass der einzige Fluss, der eigentlich Wasser haben sollte in der Trockenzeit, austrocknet, und wir können da durch die ganze Migration verlieren so wie wir sie heute haben. "

    Die Serengeti wäre ernsthaft bedroht. Liefert der Mara-Fluss kein Wasser mehr, fürchten die Wildbiologen eine Abwärtsspirale:

    "Wenn kein Wasser mehr fließen würde, dann würden die Tiere verdursten da oben. Wenn die Population der Gnus unter etwa 200.000 sinkt, dann fällt die Population in ein so genanntes Räuberloch. Das heißt es gibt inzwischen so viele Hyänen und Löwen in der Serengeti, dass die Population sich gar nicht mehr erholen könnte, ohne dass dann wirklich auch drastisch von Menschen auch eingegriffen wurde und zum Beispiel Löwen abgeschossen worden. "

    Nicht nur die Serengeti ist vom Klimawandel bedroht. Die weltweit 100.000 Nationalparks stehen im Grunde alle vor ähnlichen Problemen. Borner:

    "Zum Beispiel ein Nationalpark der vor 50 Jahren ausgewiesen worden ist auf einer Landkarte, war ja mit wissenschaftlichen Kriterien so geplant worden, dass bestimmte Ökosysteme und bestimmte Arten darin erhalten werden in diesen Nationalpark. "

    Verändern sich durch den Klimawandel Regenfall und Temperatur, verändern sich die Ökosysteme - und damit kann die Lebensgrundlage von gefährdeten Arten verschwinden, erklärt Achim Steiner, Generaldirektor der UN-Umwelt-Organisation UNEP:

    "Wir müssen uns da mit ganz neuen Herausforderungen auseinandersetzen: Können diese Parks noch da bleiben wo sie sind, und wenn nicht mehr, wo könnten wir denn Alternativen schaffen, denn mit 6,5 Milliarden Menschen auf unserem Planeten wird das immer schwieriger, Naturschutzgebiete noch auszuweiten."

    In Kenia, aber auch in Malawi, Botswana oder Tansania laufen Studien, die die Konsequenzen des Klimawandels ausloten. Ohne die Naturparks fiele der Tourismus und damit die Devisenquelle dieser Länder fort. Der Klimawandel nimmt die Nationalpark in die Zange: Durch ihn wird es noch enger auf der Erde - und damit wird das Nebeneinander von Mensch und Natur noch schwieriger durchzusetzen:

    "Der Naturschutz wird sich in den nächsten 20 oder 30 Jahren mit grundlegend neuen Modellen der Koexistenz befassen müssen. Es wird wahrscheinlich nicht immer darauf hinauslaufen können, das man Naturschutz mit dem Zaun sozusagen in Verbindung bringt, Menschen raus und Natur rein."

    Innovative Ideen seien gefragt, erklärt Steiner. So laufen in der Serengeti Pilotprojekte mit lokal verwalteten Wildschutzgebieten. Die Dorfgemeinschaften richten auf ihrem eigenen Gebiet Pufferzonen ein, wo sie Tourismus oder eine kontrollierte Jagd zulassen können. Der Profit gehört ihnen. Bringen die Wildtiere Geld, sind die Menschen vielleicht eher bereit, die Serengeti zu schützen.