Mittwoch, 08. Mai 2024

Archiv

Serie "Hanna"
Pubertierende Kampfmaschine

Die Serie „Hanna“, die auf dem gleichnamigen Film von 2011 basiert, erzählt eine Coming of Age Story zwischen Roadmovie und Rachefeldzug, in der die Protagonistin Hanna als starke Frau in Erscheinung tritt, gleichzeitig aber auch wie ein unsicherer Teenager agiert. Genau darin liegt das Problem.

Von Julian Ignatowitsch | 27.03.2019
USA: Season 1 of Hanna launch on Amazon Prime Video Mireille Enos, Esme Creed-Miles, Joel Kinnaman attend season 1 of Hanna launch on Amazon Prime Video at Whitby hotel New York New York United States The Whitby hotel PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY LevxRadin
Die Schauspieler Mireille Enos, Esme Creed-Miles und Joel Kinnaman bei der Premiere der ersten Staffel der Amazon-Serie "Hanna". (www.imago-images.de (Lev Radin))
Sie ist alles andere als ein normales Mädchen. Sie ist schlau, handlungsschnell, furcht- und gnadenlos - und noch nicht mal aus dem Teenageralter raus…
Hanna: "Now I am ready!
Sie ist Hanna. Und sie ist eine Killermaschine.
Hanna: "That’s what you trained me for…"
Mit militärischer Strenge
Die neue Amazon-Serie "Hanna" kommt gleich in den ersten Minuten wie eine Kampfansage daher: Die Protagonistin ist ein junges Mädchen, dessen Mutter vom Geheimdienst ermordet wurde, und das jetzt vom Vater isoliert im Wald mit militärischer Strenge aufgezogen, oder besser gesagt ausgebildet wird.
Sie will: Rache. Wenn Hanna jetzt gegen Baumstämme boxt oder Tannenzapfen von Felsbrocken schießt, erinnert das an "Rocky". Aber dessen Zeit - das will die Serie klar machen - ist längst vorbei. "Macht Platz für starke Frauen" - so die Botschaft. Und dann legt Hanna ein Dutzend Männer um und lässt vielleicht mal eine Frau davonkommen.
Starke Frauenfiguren
Solche starken Frauenfiguren sind in den vergangenen Jahren in der Popkultur häufiger geworden, zum Beispiel in Serien wie "The Handmaid’s Tale" oder "Jessica Jones", in Computerspielen wie "Horizon Zero Dawn" oder Filmen wie "Mad Max: Fury Road". Klar, es könnte noch wesentlich mehr sein, denn meistens gehören Action- und Heldengeschichten nach wie vor den Männern.
Vater: "If we can’t find each other?"
Hanna: "I go to Berlin, Heinzstr., I come every day at noon."
Womit wir wieder bei Hanna wären - und ihrem Vater. Denn deren Verhältnis birgt Konfliktpotenzial. Wieso musste Hannas Mutter sterben? Wie lange kann der Vater die Tochter kontrollieren? Sind sie ein Team? Oder doch Rivalen?
Vater: "I was standing behind you for three seconds. It’s too long."
Neben der Action erzählt die Serie vor allem diesen Emanzipationsprozess als Coming-of-Age-Geschichte. Auf ihrer Flucht freundet sich Hanna mit einem gleichaltrigen Mädchen an, lernt dessen Familie kennen. Sie geht das erste Mal feiern, bekommt ihren ersten Kuss und hält erstmals ein Smartphone in der Hand.
Hanna: "What is a text message?"
Zwischen trickreich und unbeholfen
Genau hier - in der Kombination der Genres - offenbart die Serie ihre große Schwäche: Denn je besser wir Hanna kennenlernen, umso unglaubwürdiger erscheint sie als Figur. Während sie in einer Szene noch verunsichert durch die Disco schleicht, legt sie in der nächsten Szene souverän mehrere Geheimagenten herein und dann eiskalt um. Zwischen trickreich und unbeholfen liegt manchmal nur ein Wimpernschlag. Einerseits berechnende Kampfmaschine, andererseits kleines pubertierendes Mädchen - dieser Spagat endet allzu oft in einer schmerzhaften Überdehnung, was am Skript und nicht an der 19-jährigen Schauspielerin Esme Creed-Miles liegt.
Hanna: "What are you doing?"
Und auch der Mix aus Action, Komik und Tragik läuft oft auf ein Durcheinander hinaus. Plötzlich erscheinen die Kampfszenen lustig und die Pointen schmerzen wie ein Schlag in den Magen.
Serien-Erfinder David Farr hat bereits bei der sehenswerten, aber ebenfalls nicht durchgehend gelungenen Filmvorlage 2011 als Drehbuchautor mitgewirkt, vom Film hat die Serie eine solide Machart und einen starken Soundtrack.
Halbstarker Wutausbruch
In den vergangenen Jahren lieferte Farr das Skript zu mehreren erfolgreichen Projekten, wie "The Night Manager" oder "Philip K. Dick’s Electric Dream". Jetzt scheitert er, der theatralische Direktor der Royal Shakespeare Company, und ausgerechnet an etwas, das Shakespeare perfekt beherrschte: den erzählerischen Stilmix aus Tragik und Komik.
So ist "Hanna" leider kein Manifest der starken Frau, sondern eher ein halbstarker Wutausbruch eines pubertierenden Teenies.