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Serie: Hidden Champions
Größte Schiffsschraubenhalle der Welt

Die Mecklenburger Metallguss GmbH war nicht immer so erfolgreich wie heute: Noch vor 15 Jahren kämpfte der Schiffspropeller-Hersteller ums Überleben. In Asien wurde längst viel billiger gebaut - und vor allem größer. Auf der Suche nach einer Marktnische entwickelten die Warener ein Konzept für eine Gießerei, die solche Propellergiganten fertigen kann.

Von Silke Hasselmann | 30.09.2015
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    Geschäftsfüher Manfred Urban von der Mecklenburger Metallguss GmbH vor einem Schiffspropeller in der Werkshalle. (Deutschlandfunk / Silke Hasselmann)
    Bohren, schleifen, drehen - im Drei-Schicht-System machen sich die MMG-Facharbeiter und ihre Präzisionsmaschinen in der großen Fertigungshalle über die teils riesigen Rohlinge aus der Gießerei-Abteilung her. Die bestehen aus einer 80 prozentigen Kupferlegierung und brauchen nun eine millimetergenaue Oberflächenbehandlung.
    Manfred Urban nimmt die Faszination der goldglänzenden, ästhetisch geschwungenen Schiffsschrauben noch immer wahr, sagt er. Dabei befasst sich der 61jährige Geschäftsführer nun schon mehr als die Hälfte seines Lebens mit der Herstellung und Vermarktung von Warener Schiffspropellern. Was die heutige "Mecklenburger Metallguss GmbH" besser kann als alle anderen Hersteller in der Welt? Erstens:
    "Wir können Propeller entwerfen, die Schiffe antreiben mir wesentlich höherem Wirkungsgrad als unsere Wettbewerber."
    Die befinden sich vorrangig in Asien, genauer gesagt in China, Südkorea und Japan. Genau dort, wo sich mittlerweile 70 Prozent des weltweiten Schiffbaus abspielen. Zweitens:
    "Die kleinsten, die wir überhaupt machen, sind nicht für Handelsschiffe, sondern für U-Boote. Das sind absolute Spezialpropeller. Die haben etwa 4 bis 5 Meter Durchmesser und wiegen bis zu vier Tonnen."
    Das dritte Alleinstellungsmerkmal ist das - nun ja - gewichtigste.
    "Ja, wir haben ja überhaupt unseren großen Durchbruch auf dem Weltmarkt dadurch geschafft, dass wir irgendwann die Idee hatten, dass Propeller gebraucht werden mit sehr hohem Gewicht - über 100 Tonnen - , und dann herausgefunden haben, dass kein Wettbewerber auf der Welt die herstellen kann."
    Das war vor etwa fünfzehn Jahren. Die früheren Kunden waren weggebrochen - erst die DDR-Werften, dann auch die westdeutschen. In Asien wurde längst viel billiger gebaut und vor allem immer größer. Entsprechend riesige Wasserpropeller wurden gebraucht. Im eigenen Überlebenskampf auf der Suche nach einer Marktnische, entwickelten die Warener ein Konzept für eine Gießerei, die solche Propellergiganten fertigen kann.
    Hauptabsatzmärkte sind mittlerweile China und Südkorea
    Doch erst mit der dritten Privatisierung kam ein Eigner, der an die Idee glaubte. Das Essener Metall-Unternehmen DIHAG investierte in die neue Gießerei. Mittlerweile entstammen Umsatz und Gewinne zu 90% den Geschäften mit China und Südkorea.
    Arbeiteten zu widrigsten Zeiten nur noch einhundert Facharbeiter hier, sind es jetzt 261. Gerade begann das Lehrjahr für vierzig neue Auszubildende - Former, Schmelzer, Schleifer, CNC-Dreher.
    Dazu kommen Ingenieure und Entwickler, denn die Weltmarktführerschaft will verteidigt werden. Gesucht werden noch bessere Werkstoffe und ein optimales Propellerdesign, sagt MMG-Geschäftsführer Manfred Urban und streicht über die geschuppte Oberfläche eines lieferfertigen Giganten mit fünf Flügeln. Zehn Meter breit. Rund 120 Tonnen schwer.
    "Also als Nächstes werden wir uns wahrscheinlich etwas intensiver damit befassen, wie kann ich Geräusche vermeiden im Meer, um die Meerestierwelt, insbesondere die Wale, zu schützen. Das wird ein Thema sein, das weltweit an Bedeutung gewinnt. Und wenn man dann Propeller anbieten kann, die deutlich weniger Geräusche erzeugen als die des Wettbewerbers, dann hat man schon wieder einen Vorsprung. Den muss man haben. Natürlich, ein anderes Thema ist immer, durch Antriebssysteme Schiffe noch effektiver machen, noch mehr Treibstoff einzusparen. Auch da haben wir gewisse Sachen im Auge, wo wir Wirkungsgradeinsparungen bis zu zehn Prozent erreichen können im Vergleich zu gängigen Entwürfen, die man heute macht."
    Optimales Propellerdesign
    Übrigens: Auch solche Klänge können die größten und schnellsten Schiffsschrauben der Welt erzeugen. Man muss nur Percussionskünstler wie Alexej Gerassimez daran lassen. Genau das hat MMG-Geschäftsführer Manfred Urban getan und so im Rahmen der diesjährigen "Festspiele Mecklenburg-Vorpommern" für eine spektakuläre Welturaufführung gesorgt. Zwar musste dafür eine Spätschicht unterbrochen werden. Doch auch im nächsten Sommer soll die größte Schiffsschraubenhalle der Welt wieder ein "Unerhörter (Konzert-)Ort" sein.