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Serie Luftverkehr: Regionalflughäfen
Regionalflughäfen als Entlastung für deutsche Luftdrehkreuze

Ob Berlin, München oder Frankfurt: An den großen Luftdrehkreuzen wird entweder gerade gebaut oder über den Bau gestritten. Das Frachtaufkommen steigt stetig und immer mehr Passagiere nutzen das Flugzeug. Können Regionalflughäfen die Großflughäfen entlasten?

Von Dieter Nürnberger | 24.07.2018
    Blick auf das Terminal des Regionalflughafens Kassel-Calden
    Am Flughafen Kassel-Calden starten und landen in diesem Sommer durchschnittlich zwei Maschinen pro Tag (picture alliance / dpa / Uwe Zucchi)
    Urlaubszeit am Flughafen Kassel. Ein Charterflieger kurz vor dem Abheben in Richtung Süden, an die Strände des Mittelmeers. Routine - und doch ein fast außergewöhnlicher Vorgang, denn in diesem Sommer starten und landen auf diesem Flughafen durchschnittlich nur zwei Maschinen pro Tag. 270 Millionen Euro hat der Ausbau zum Verkehrsflughafen gekostet und bei der Eröffnung im April 2013 gab es durchaus hochtrabende Worte. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU):
    "Nur wenn Sie eine starke Infrastruktur haben, wenn Sie Straßen und die Bahn, wenn Sie Flugverkehr haben, haben Sie im internationalen Wettbewerb als Top-Standort eine Chance."
    Der Airport in Nordhessen gilt mittlerweile als das jüngste Beispiel einer verfehlten und zu teuren Infrastrukturpolitik. Knapp 40 Verkehrsflughäfen gibt es in Deutschland. Und während die großen, internationalen Drehkreuze, beispielsweise in Frankfurt/Main, München oder Düsseldorf, besonders zur Ferienzeit an ihre Kapazitätsgrenzen stoßen, ist der Betrieb an den Regionalflughäfen oft überschaubar. Matthias von Randow ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, BDL. Dass der Flughafen in Kassel weiterhin Millionenverluste schreibt, überrascht ihn nicht:
    "Es war eine reine Entscheidung der dortigen Landesregierung. Wir waren da ausgesprochen skeptisch. Und die Entwicklung bestätigt ja: Das ist ein kleiner Flughafen, er wird auch kein großer Flughafen mehr werden."
    Regionalflughäfen: Ab einer Million Passagiere pro Jahr rentabel
    BDL-Geschäftsführer von Randow sagt, dass erfolgreiche Regionalflughäfen vor allem zwei Voraussetzungen bräuchten - ein starkes Einzugsgebiet und Zubringerdienste zu den Drehkreuzen. Am Flughafen in Bremen beispielsweise funktioniere es - jährlich rund 2,5 Millionen Passagiere, mit Verbindungen zu typischen Urlaubszielen, genauso wie nach Frankfurt/Main oder Paris.
    Luftverkehrsexperten gehen davon aus, dass Regionalflughäfen rund eine Million Passagiere pro Jahr brauchen, um rentabel zu sein. Klaus-Jürgen Schwahn ist Vize-Vorsitzender der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze, kurz: IDRF. Über 70 Standorte sind hier vertreten, auch der Airport in Kassel. Schwahn nennt einige erfolgreiche Beispiele:
    "Wenn dann Regionalflughäfen wie Memmingen, Paderborn und Lübeck und dergleichen den Leuten anbieten können - hier kannst du direkt und kostenlos am Flughafen parken, hier hast du eine schnelle, individuelle Abfertigung - dann ist das natürlich ein Angebot, welches bei den Leuten auch ankommt. Memmingen: Die haben mittlerweile rund 1,5 Millionen Passagiere dort. Durchaus ein positives Signal."
    Kleinere Flughäfen erheben geringere Landegebühren
    Flüge gehen dorthin, wo die Nachfrage ist, sagt der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. Die derzeitige Infrastruktur an Regionalflughäfen hierzulande sei deshalb ausreichend, das Hauptaugenmerk liege auf den Drehkreuzen. Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow:
    "Das ist München - da braucht man die dritte Start- und Landebahn. Wir waren gut beraten, in Frankfurt die neue Landebahn zu bauen, nun kommt auch noch ein neues Terminal hinzu. Und hier in Berlin, dass die beiden Flughäfen Tegel und Schönefeld am neuen BER dann auch ihre Kapazitäten bündeln können. Das sind die zentralen Infrastruktur-Ausbau-Fragen."
    Auch für Klaus-Jürgen Schwahn von der Interessengemeinschaft der regionalen Flugplätze entscheidet allein der Markt. Er sieht aber preisliche Vorteile für Fluggesellschaften an kleineren Airports, etwa eine geringere Landegebühr. Die noch wenigen positiven Beispiele erfolgreicher Regionalflughäfen würden künftig zunehmen, ist er sicher. Auch, weil die Drehkreuze nur noch begrenzt ausbaubar seien:
    "Die sind im Grunde genommen schon heute vielerorts an ihren Grenzen. Viel mehr geht da nicht mehr. Und Wachstum wird eigentlich nur möglich sein, wenn man dann irgendwann auch wieder mehr in die Fläche gehen wird."
    Auch für den defizitären Airport in Kassel sieht der IDRF-Vize übrigens noch Entwicklungspotential. In fünf Jahren werde der Flughafen anders dastehen als heute. Soll heißen: Mehr Starts und Landungen als nur zwei am Tag.