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Serie "Wer verdient am Wasser?"
Frankreichs umstrittener Wasser-Riese

Die Wasserbranche in Frankreich ist zu 80 Prozent - stärker als in den meisten Ländern Europas - in der Hand privater Unternehmen, zum großen Teil von Veolia. Mittlerweile sorgt das Traditionsunternehmen überall auf der Welt für Wasser. Sein Ruf ist allerdings nicht ganz sauber.

Von Suzanne Krause | 15.08.2014
    Im noblen 16. Pariser Arrondissement, in Sichtweite des Arc de Triomphe, hat Veolia seit jeher seinen Stammsitz: ein achtstöckiges Gebäude im klassizistischen Stil, die Fassade aus hellem Stein, über dem Eingang der Firmenname. Dezent und großbürgerlich gleichzeitig. Trotz der transparenten Glasfront im Parterre - in der Chefetage weiter oben gibt man sich eher zugeknöpft: Mehrfache Interview-Anfragen des Deutschlandfunks bleiben unbeantwortet. Eifrig aber stellt Veolia Werbespots ins Netz. Beispielsweise zum 160. Firmen-Geburtstag, 2013: "1853 gründet Graf Henri Siméon die 'Compagnie Génerale des Eaux'. Auftakt für ein großes menschliches und industrielles Abenteuer. Dienstleistungen im Bereich Hygiene und Abfallbeseitigung entstehen, das urbane Leben wandelt sich, Wasseranschluss im Haus wird Wirklichkeit."
    Rasant geht es aufwärts. Der Wiederaufbau des Landes, nach dem Zweiten Weltkrieg, bringt der Génerale des Eaux neue Kunden, neue Dienstleistungsbereiche:
    "1992 wird sich die Menschheit bewusst, dass ihr Lebenswandel zu ungleichen Verhältnissen in der Welt führt. Die nachhaltige Entwicklung wird zum neuen Modell. Innerhalb von 20 Jahren haben wir unser Unternehmen zum Weltmarktführer im Umwelt-Bereich ausgebaut, wir sind in 40 Ländern rund um den Globus vertreten."
    Nur noch Hälfte aller Aktivitäten in Frankreich
    Die Trinkwasserversorgung und die Abwasserklärung sind weiterhin das Kerngeschäft und bringen knapp die Hälfte des Gesamtumsatzes. Die Aktivitäten sind annähernd weltumspannend: In der Slowakei versorgt das Unternehmen ein riesiges Wohnviertel mit Wärme und Warmwasser. Am Persischen Golf entsalzt es Meerwasser. In England entsorgt es Giftstoffe aus dem syrischen Chemiewaffen-Arsenal. In Kanada verwandelt es die Holzindustrie-Abfälle in Energie. In Frankreich ist es beim Rückbau von Kernkraftanlagen tätig.
    Insgesamt 202.800 Mitarbeiter beschäftigt Veolia heute weltweit und hat laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr 22,3 Milliarden Euro Umsatz gemacht. Nur noch die Hälfte aller Aktivitäten findet in Frankreich statt, trotzdem ist dort das Firmenlogo allgegenwärtig.
    Doch das Unternehmen steckt zunehmend Schlappen ein, sagt Jean-Luc Touly. Seit 1976 arbeitet der Ökonom bei Veolia, die Konzerngeschichte kennt er aus dem FF:
    "1853 hat die damalige Générale des Eaux ihren allerersten Vertrag abgeschlossen, mit der Stadt Lyon. Kürzlich hat der Bürgermeister den Vertrag einmal mehr um zehn Jahre verlängert. Nantes, mit dem damals der 2. Vertrag über 60 Jahre Laufzeit zustande kam, ist vorzeitig ausgestiegen. 1860 überließ Paris seine Wasserversorgung der Générale des Eaux - 2010 kündigte die Hauptstadt den Vertrag auf. In Nizza hat der Bürgermeister nun beschlossen, nach über eineinhalb Jahrhunderten treuer Kundschaft ab 2015 die Wasserversorgung in kommunaler Regie zu betreiben."
    3.500 Jobs sollen abgebaut werden
    Die Wasserbranche in Frankreich ist zu 80 Prozent - stärker als in den meisten anderen Ländern Europas - in der Hand privater Unternehmen, zumeist sind es Veolia oder Suez. Doch unter den Gemeinden verlangen immer mehr niedrigere Wasserpreise. Das südfranzösische Antibes beispielsweise drückte Anfang 2012 einen Preisnachlass von 43 Prozent durch. Antoine Frérot wiegelt ab. Der Generaldirektor von Véolia betont: Mit der Fertigstellung des landesweiten Abwassersystems 2010 seien die Wasserproduktionskosten gesunken:
    "Unsere Preisnachlässe betragen im Schnitt 20 Prozent. Dafür aber sind auch unsere Produktionskosten um zehn Prozent gesunken. Bislang hatten wir eine Marge von um die zehn Prozent. Wenn man nun den Preis um zehn Prozent senkt, bleibt keine Marge mehr übrig."
    Veolia setzt auf kosteneffizienteres Arbeiten und auf Restrukturierung: In Frankreich beschäftigt der Konzern 14.000 Angestellte, 3.500 Jobs sollen abgebaut werden, sagt Jean-Luc Touly und bezieht sich auf jüngste Gewerkschaftsinformationen. Véolia-Chef Antoine Frérot gibt sich dennoch optimistisch:
    "2014 wird für Veolia wohl das Jahr sein, in dem die Profite, die wir im Ausland machen, schneller ansteigen werden als die Verluste, die wir in Frankreich erleiden."
    Vorwürfe der Korruption und unerlaubter Parteienfinanzierung
    Die Trinkwasserversorgung verspricht längst nicht mehr die Profite wie in den ersten hundertfünfzig Jahren des Konzerns, erklärt Kritiker Jean-Luc Touly. In mehreren Büchern und als Hauptzeuge im preisgekrönten Dokumentarfilm "Water makes Money" hat er Veolias Geschäfte mit dem Wasser angeprangert:
    "Mit dem System der privaten Trinkwasserversorgung haben wir Franzosen weltweit Schule gemacht. Es beruht darauf, dass der Wasserpreis die Wasserversorgung finanziere. Dieses System aber scheint nun an seine Grenzen zu gelangen."
    Tatsächlich hat Veolia in den letzten zwei Jahrzehnten immer wieder für Negativ-Schlagzeilen vor allem in den französischen Medien gesorgt. Teure Wasserpreise, mangelnde Kanalwartung wurden dem Konzern vorgeworfen - aber auch: Korruption, unerlaubte Parteienfinanzierung, allzu enge Verflechtungen mit der Politik. Beim Konkurrenten Suez Environnement sieht das übrigens nicht viel anders aus. Und hinter und über allen Vorwürfen steht immer die Frage: Wem gehört das Wasser? Dem Unternehmen, das es aufbereitet, durch Rohre lenkt und Abwässer klärt oder allen Menschen?