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Serie: "Wer verdient am Wasser?"
Portugiesisches Wasser auf Privatisierungskurs

Das Wasserunternehmen Aguas de Portugal versorgt hunderte portugiesische Gemeinden mit Wasser. Denn die können die Versorgung meist selbst nicht leisten. Viele Kommunalpolitiker trauen dem Staatsunternehmen aber nicht, denn die Gerüchte über eine Privatisierung halten sich hartnäckig.

Von Tilo Wagner | 01.08.2014
    Wasser fließt durch einen Duschkopf
    Die Modernisierung der Wasserleitungen in vielen portugiesischen Gemeinden ist ein Problem. (picture-alliance / dpa - Carolina Camps )
    António Frazão steht in Lissabon in einem drei Hektar großen Garten und zählt die Duftpflanzen auf, die hier wachsen: Lavendel, Rosmarin, Thymian. Das Wasser zur Bewässerung der Pflanzen lässt der Ingenieur aus dem Untergeschoss hochpumpen, wo die größte Kläranlage der portugiesischen Hauptstadt angesiedelt ist:
    "Wir wollen mit diesem Garten auch ein Zeichen setzen und die Lissabonner Stadtverwaltung überzeugen, dass sie mehr in grüne Dächer investieren sollte. Das ist nicht nur gut für das Klima. Wir haben in Lissabon im Winter Starkregen, und die Dächer könnten einen Teil der enormen Wassermassen auffangen, die uns in der Kläranlage sonst große Probleme bereiten."
    Vor 21 Jahren: Portugal mit riesigen Wasserproblemen
    Vor fünf Jahren ist das 70 Millionen Euro teure Vorzeigeprojekt des portugiesischen Wasserunternehmens Águas de Portugal fertiggestellt worden. Die Kläranlage liegt in einem engen Tal, rund zwei Kilometer vom Tejo-Fluss entfernt, der bei Lissabon in den Atlantik mündet. An der Anlage, die das Abwasser von rund 750.000 Einwohnern aus dem Großraum Lissabon aufbereitet, führen Schnellstraßen, Autobahnbrücken und Zugtrassen vorbei. Früher hätten hier jeden Tag Hunderttausende Pendler immer ihre Fenster hochgekurbelt, erinnert sich António Frazão:
    "Das war eine alte Anlage hier mit rudimentären Klärmethoden. Die vielen Leute, die hier vorbeikamen, beschwerten sich. Es stank fürchterlich. Wir wollten dann wissen, ob es besser wäre, ganz aus Lissabon rauszugehen. Doch es war billiger, hier zu bleiben und die Anlage komplett zu modernisieren."
    Für die Unternehmensgeschichte von Águas de Portugal steht die Entwicklung der Lissabonner Kläranlage beispielhaft. Als das Staatsunternehmen vor 21 Jahren gegründet wurde, hatte Portugal mit riesigen Wasserproblemen zu kämpfen. Die Gemeinden, die für die Wasserversorgung traditionell zuständig sind, schafften es nicht, EU-Mittel aus den Strukturfonds effizient für den Aufbau eines modernen Wasserversorgungssystems zu nutzen. Mit der Gründung von Águas de Portugal sei das System geteilt worden, sagt Manuel Thomaz, Vorstandsmitglied des portugiesischen Staatsunternehmens:
    "Águas de Portugal funktioniert wie ein Großhändler, und die Gemeinden wie der Einzelhandel. Unsere direkten Kunden sind deshalb nicht die Endverbraucher, sondern die Gemeinden."
    Endverbraucher effizienter versorgen
    In zwei Jahrzehnten investierte das Unternehmen über 7,5 Milliarden Euro vor allem in neue Wasseraufbereitungssysteme. Die letzte Lissabonner Abwasserleitung, die direkt im Tejo-Fluss mündete, wurde vor gerade einmal vier Jahren zugedreht. Die hervorragende Wasserqualität an portugiesischen Stränden und in vielen Flüssen zeigt, dass die Strategie Erfolg hatte.
    Dennoch bleiben Baustellen, insbesondere bei der Modernisierung der Wasserleitungen in den Gemeinden:
    "Wir haben immer noch sehr ineffiziente Dienstleister. In den portugiesischen Gemeinden gehen im Durchschnitt 40 Prozent des Wassers verloren. Und in kleinen Gebieten steigt die Verlustquote teilweise auf 80 Prozent an. Das hat auch sehr große finanzielle Folgen, denn schließlich ist es kostspielig, Wasser aufzubereiten. Dieses Problem müssen wir endlich in den Griff bekommen."
    Allein im kontinentalen Portugal ohne die Inselgruppen Madeira und Azoren existieren 278 Gemeinden, die größtenteils für die Wasserendverbraucher zuständig sind. Das Staatsunternehmen Águas de Portugal hat jedoch auf lokaler Ebene nichts zu sagen und ist darauf angewiesen, dass die Gemeinden vom Fachwissen und von der Erfahrung des Staatsunternehmens profitieren wollen. Mehrere Gemeinden haben sich bereits zusammengeschlossen, um gemeinsam mit Águas de Portugal die Endverbraucher künftig effizienter zu versorgen.
    Regierung probt die Privatisierung
    Das Misstrauen vieler Lokalpolitiker gegenüber Águas de Portugal erklärt sich auch aus einem politischen Grund: Seit der Finanzkrise reißen die Gerüchte nicht ab, dass das Staatsunternehmen privatisiert werden soll. Die Sorge ist nicht unberechtigt: Schließlich gehört das Wasserunternehmen zu der staatlichen Holding Parpública, aus deren Kreis bereits Telekommunikations-, Energie- und Postunternehmen an private Bieter verkauft wurden. Mit drei Milliarden Euro Schulden belastet Águas de Portugal die öffentlichen Kassen, fährt aber seit Jahren Gewinne ein. Das Interesse an einer Privatisierung ist groß und es gibt bereits Modelle, die in Portugal funktionieren: Schon jetzt beziehen 1,8 Millionen Einwohner in 32 Gemeinden ihr Wasser von privaten Firmen, darunter ein Betrieb, den ein chinesisches Großunternehmen im vergangenen Jahr für 95 Millionen Euro aufkaufte. Vorstandsmitglied Thomaz ist sich jedoch sicher, dass Águas de Portugal in öffentlicher Hand bleibt:
    "Es gibt keine Pläne, die Wasserversorgung zu privatisieren. Unser zuständiger Minister hat immer wieder betont, dass in dieser Legislaturperiode unser Unternehmen nicht privatisiert werde. Wenn in der Presse sich weiterhin Gerücht über die angebliche Privatisierung halten, dann ist sie schlecht informiert."
    Kritiker lassen sich von dieser Einschätzung jedoch nicht beruhigen. Denn die konservative Regierung scheint schon einmal den Ernstfall zu proben: Bis zum Jahresende werden Tochterunternehmen von Águas de Portugal, die in der Abfallwirtschaft tätig sind, aus der Gruppe rausgelöst und privatisiert. In einem Finanzbericht der staatlichen Unternehmensholding "Parpública" wird dies als der "erster Schritt der Privatisierung" beschrieben. Die mittelfristige Zukunft der staatlichen Wasserversorgung in Portugal bleibt deshalb weiter ungewiss.