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Serienkritik zu "All about the Washingtons"
Ungenießbares Fastfood-Fernsehen

Die ehemalige Rap-Legende Joey Simmons bekommt seine eigene Netflix-Serie, in der er eine fiktionalisierte Variante seiner selbst spielt. Vorbild sollen Comedy-Fernseh-Shows aus den 80er Jahren sein, aber davon ist die Serie meilenweit entfernt.

Von Julian Ignatowitsch | 10.08.2018
    Anthony Anderson, Nathan Anderson, Joseph Simmons und Trinitee Stokes bei der Netflix Premieren-Party von "All About the Washingtons"
    Anthony Anderson, Nathan Anderson, Joseph Simmons, Trinitee Stokes (Matt Sayles / Invision for Netflix / AP Image)
    Er macht jetzt also endgültig Schluss mit der Musik und zieht sich zurück aus dem Hip-Hop-Business. Familie statt Gangster-Rap. Was der fiktive Rapper Joey Washington alias DJ Joey Speed hier verkündet, hat der echte Schauspieler Joey Simmons aka DJ Run bereits vor mehr als einem Jahrzehnt publik gemacht. Seitdem mischt er, der echte Rapper, im TV-Business mit und hat sich nun also ein fiktives Alter Ego zugelegt, das eigentlich gar nicht fiktiv ist.
    Ein alter Hut
    Ex-Rapper Joey läuft den ganzen Tag im Trainingsanzug herum, trifft andere Celebritys und ehemalige Weggefährten und ist plötzlich mit den Business-Ambitionen seiner Frau Justine und der Pubertät seiner Kinder konfrontiert.
    So ähnlich hat man das alles schon in Joey Simmons‘ MTV-Reality-Show "Run’s House" gesehen, die wiederum an Ozzy Osbournes Doku-Soap "The Osbournes" angelehnt war. Nichts Neues also! Und auch die Idee, dass Rapper Joey und seine Frau Justine fiktive Varianten von sich selbst spielen, ist – vorsichtig gesagt – ein alter Hut. Was mit Louis C.K. in Amerika begonnen hat, geht mittlerweile selbst in Deutschland mit Pastewka schon in die neunte Staffel – also ein wirklich uralter Hut.
    Flacher Humor
    Das wäre halb so schlimm, wenn zumindest die Gags der selbsternannten Comedy-Serie lustig wären. Aber der Humor ist so flach wie die Hip-Hop-Lines des fiktiven Rappers Joey Washington. Makkaroni mit Käse. Wenn wir schon beim Vergleich sind: Die Serie "All About the Washingtons" ist Fastfood-Fernsehen: Billig, aufgewärmt, schlecht verpackt und schnell zubereitet, schmeckt, naja vielleicht mal an einem Abend, aber sicher nicht dauerhaft.
    Klar, Vorbild sollen die Comedy-Serien der 80er und 90er Jahre wie der "Prinz von Bel Air" oder die "Bill Cosby Show" sein, aber erstens kommt die Serie in Charme und Witz längst nicht an diese Kultserien heran und zweitens sind die Serien eben Kult, weil sie damals neu waren, den Nerv der Zeit trafen und uns heute daran erinnern.
    Glücksgefühle bei Hip-Hop-Nostalgikern
    Am Nervensystem der Netflix-Zuschauer dürfte "All About the Washingtons" heutzutage meilenweit vorbeiführen. Auch die selbstironischen und nostalgischen Anspielungen funktionieren nicht. Ob die Serie vielleicht sogar eine Abkehr von den vielgelobten Qualitätsproduktionen der Streaming-Sender andeutet? Soweit sollte man dann wohl nicht gehen, denn auch in diesem Jahr gibt es wieder viele starke Neuerscheinungen. Vielleicht zu viele. Nicht alles kann gut sein! Aber: Als privater Streaming-Dienst differenziert Netflix seine Eigenproduktionen natürlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus. Und da dürfte sich die Rechnung mit "All About the Washingtons" am Ende dann wohl doch lohnen: Die Produktionskosten liegen nicht allzu hoch und der Name Simmons löst bei vielen Hip-Hop-Nostalgikern immer noch Glücksgefühle aus.