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Sewastopol
Sowjetnostalgie auf der Krim

Der Ton zwischen Russland und dem Westen wird immer schärfer. Trotzdem rüstet Russland weiter auf. Auch in Sewastopol, wo die Schwarzmeerflotte auf der Krim liegt. Nun fordern Politiker eine Schließung der Stadt. So wie zu Zeiten der Sowjetunion, als Fremde Sewastopol nur mit Passierschein besuchen durften.

Von Gesine Dornblüth | 30.07.2014
    Ein Sommernachmittag im Hafen von Sewastopol auf der Krim. Touristen strömen zum Anleger, kaufen Tickets für eine Hafenrundfahrt. Im Stadthafen liegen die Schiffe der russischen Schwarzmeerflotte: Zerstörer, Versorgungsschiffe, U-Boote. Es ist die Attraktion der Stadt. Lange galt die Schwarzmeerflotte als veraltet. Russland will sie nun weiter ausbauen. Bis zum Jahr 2020 sollen 20 neue Kriegsschiffe in Dienst gestellt werden.
    Tatjana Primam verkauft handgemachte Puppen und Seife an einem Stand. Sie findet es gut, wenn in Sewastopol aufgerüstet wird.
    "Ich bin vollständig dafür. Ein Land, das seine Armee nicht ausreichend ausstattet, muss früher oder später eine fremde Armee aushalten."
    Eine Anspielung auf die Ukraine, die die Krim im Frühjahr nicht gegen die russische Aggression verteidigen konnte. Tatjana Primam freut sich immer noch darüber.
    "20 Jahre, solange die Krim zur Ukraine gehörte, habe ich jede Nacht davon geträumt, dass wir nach Russland heimkehren.
    Seit wir nicht mehr zur Ukraine gehören, ist alles anders. Die Menschen lächeln. Sogar die Luft hat sich verändert."
    Eine geschlossene Stadt
    Sewastopol gilt als Hochburg der Sowjetnostalgiker. Zu Sowjetzeiten war die Stadt wegen ihres Militärhafens gesperrt, eine geschlossene Stadt, wie es in der Terminologie der Sowjetunion hieß. Wer Sewastopol besuchen wollte, brauchte eine Genehmigung. Touristen durften nur ausgewählte Orte besichtigen, und das nur in Gruppen. Abgeordnete des Stadtparlaments haben nun vorgeschlagen, Sewastopol erneut zu schließen – wie früher. Sie begründen das mit der angespannten internationalen Lage. Es gäbe Kräfte, die die Lage destabilisieren wollten. Die Puppenmacherin Tatjana Primam findet den Vorschlag gut.
    "Ich bin in Sewastopol geboren und habe mein ganzes Leben hier verbracht. Als die Stadt geschlossen war, war sie viel sauberer als heute.
    Aber die Regierung muss das entscheiden. Wenn sie die Stadt als Militärstützpunkt ausbauen und gleichzeitig den Tourismus entwickeln will, soll sie das tun. Wir sind immer mit allem zufrieden."
    Sewastopol als Touristenstadt
    Ein Stück weiter spricht Andrej Touristen an. Der 21-Jährige hat zwei weiße Tauben auf den Händen und bietet Passanten an, sie mit den Vögeln zu fotografieren. Umgerechnet rund zwei Euro kostet ein Foto. Obwohl er an den Touristen verdient, fände auch Andrej es gut, wenn Sewastopol Sperrgebiet würde.
    "Das hier ist schließlich eine Militärstadt, hier liegt nun mal die Flotte. Sewastopol ist militärisch sehr günstig gelegen. Ich denke, die Krim muss ganz Russland verteidigen, und da stören Touristen. Wir würden hier gern in unserer kleinen Welt leben."
    Die kleine Welt wurde in den vergangenen Jahren von Touristen aus der weiten Welt besucht. Solange die Krim zur Ukraine gehörte, legten Kreuzfahrtschiffe in Sewastopol an, manchmal drei Liner pro Woche. Seit dem Frühjahr ist das vorbei.
    Internationale Isolation
    Im Zentrum von Sewastopol wartet Iwan an seinem Taxi auf Kundschaft. Auf die Fahrertür hat er einen Werbespruch lackiert: "Stadtführungen in englischer Sprache". Sein Geschäft lief gut in den letzten Jahren, auch dank der Kreuzfahrtschiffe mit internationalen Gästen. Iwan konnte sich eine Wohnung kaufen, Frau und Kind ernähren. Auch Iwan findet die Schwarzmeerflotte wichtig, aber er hofft, dass es der Stadt gelingt, Tourismus und Militär zu vereinen.
    "Man sollte die Stadt nicht vollständig schließen. Das wäre schlecht für alle, die vom Tourismus leben, und das sind nicht wenige. Man könnte einzelne Buchten sperren, aber nicht die ganze Stadt.
    Ich denke, wir werden nicht in die Sowjetunion zurückkehren. Der Kommunismus hat hier keine Priorität mehr. Wir müssen im Gegenteil offen sein für die ganze Welt."
    Doch es gibt einen Haken. Nach der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim ist die Halbinsel international isoliert. Dass viele ausländische Touristen nach Sewastopol zurückkommen, ist so bald nicht zu erwarten.