Sexuelle Belästigung
Einen bekleideten Po filmen – sollte das strafbar sein?

Ein Mann filmt den Po einer Joggerin. Ist das sexuelle Belästigung? Viele würden wohl ja sagen, doch das Strafrecht sagt nein. Mit einer Petition hat die betroffene Joggerin nun erreicht, dass Nordrhein-Westfalen auf eine Rechtsänderung drängt.

    Eine Joggerin nutzt die Morgenstunden zu einem Lauf am Decksteiner Weiher durch die Kastanienallee (Köln).
    Joggerin im Park (Symbolbild): Niemand möchte ohne sein Wissen gefilmt werden - schon gar nicht, wenn die Aufnahmen sexuell motiviert sind (picture alliance / dpa / Roberto Pfeil)
    Februar 2025 im Kölner Grüngürtel: Eine junge Frau wird beim Joggen gefilmt: Yanni Gentsch bemerkt den Schatten eines Radfahrers, der dicht hinter ihr bleibt – und dann, dass er mit dem Handy ihren Po filmt. Gentsch stellt den Spanner zur Rede und zwingt ihn zum Löschen der Aufnahmen, filmt wiederum ihn dabei. Das Video stellt sie online, den Belästiger hat sie unkenntlich gemacht. 14 Millionen Mal wird das Video abgerufen.
    Gentsch geht auch zur Polizei: Doch dort wird ihr mitgeteilt, dass sie trotz der Beweislage keine Chance hat, den Mann nach geltendem Recht zur Rechenschaft zu ziehen, weil sie bekleidet und im öffentlichen Raum unterwegs war. Das will Gentsch nicht hinnehmen – und hat nun mit einer Petition das Land Nordrhein-Westfalen dazu gebracht, eine Initiative zur Schließung der Gesetzeslücke auf den Weg zu bringen. Die Hintergründe zum Fall.

    Inhalt

    Was ist eine sexuelle Belästigung und wann ist sie strafbar?

    Im Allgemeinen wird darunter verstanden, dass sich eine Person einer anderen sexuell in einer Weise nähert, die als unangenehm oder verstörend empfunden wird und mit der die oder der Betroffene nicht einverstanden ist. Das kann ein Klaps auf den Po sein, das berühmte „Grapschen“, ein aufgedrängter Kuss oder eine erzwungene Umarmung. Für die Frage, ob eine sexuelle Belästigung strafbar ist, ist der Paragraf 184i im Strafgesetzbuch (StGB) entscheidend. Demnach macht sich strafbar, wer eine andere Person gegen ihren Willen in sexueller Weise körperlich berührt. Im Umkehrschluss heißt das, dass sexuelle Belästigungen ohne körperliche Berührung nicht unter den § 184i StGB fallen.

    Warum ist das Filmen des Pos einer Joggerin nicht strafbar?

    Das heimliche Filmen von Personen ist in drei möglichen Konstellationen strafbar, erklärt Alena Lagmöller von der ARD-Redaktion Recht und Justiz. So können seit geraumer Zeit sogenannte Upskirting-Fälle verfolgt werden, bei denen beispielsweise ein Spanner sein Handy schnell unter den Rock einer Frau vor ihm auf der Rolltreppe hält. Maßgeblich ist hier der Paragraf 184k des StGB, der 2020 vom Bundestag verabschiedet wurde und am 1. Januar 2021 in Kraft trat.
    Im Kölner Fall kommt der Paragraf aber nicht in Betracht, schlicht weil die Joggerin angezogen war. Strafbar wird es erst, wenn jemand „absichtlich oder wissentlich von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person unbefugt eine Bildaufnahme herstellt“.
    Auch das Filmen an besonders geschützten Orten wie der eigenen Wohnung oder eine öffentliche Toilette ist verboten – die Kölner Joggerin bewegte sich aber im öffentlichen Raum. Schließlich darf man Aufnahmen ohne Einwilligung des Gefilmten nicht verbreiten. Dazu kam es im Kölner Fall aber nicht, denn die Joggerin zwang den Spanner, die Bilder von seinem Handy zu löschen.

    Was hat die Joggerin Yanni Gentsch unternommen? Wird die Rechtslücke geschlossen?

    Gentsch hat eine Petition aufgesetzt, in der gefordert wird, auch Voyeur-Aufnahmen wie diejenigen von ihr aus dem Park unter Strafe zu stellen. Bereits mehr als 120.000 Menschen unterstützen sie dabei. Gentsch hat die Petition inzwischen NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) übergeben. Dieser hat sich ihr Anliegen zu eigen gemacht. Der Fall lege nach seinem Empfinden eine Lücke im Strafrecht „schonungslos offen“, so Limbach. Heimliche Bildaufnahmen des bekleideten Intimbereichs seien keine Bagatelle.
    NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) nimmt von Yanni Gentsch eine Petition entgegen. Die Kölnerin Gentsch wurde beim Joggen von einem Voyeur belästigt, der ihr Gesäß filmte.
    Yanni Gentsch übergibt ihre Petition "Voyeur-Aufnahmen strafbar machen" an NRW-Justizminister Benjamin Limbach. Der will sich nun für ihr Anliegen stark machen (picture alliance / dpa / Federico Gambarini)
    Die Lösung sieht Jurist Limbach in einer Erweiterung des Paragrafen 184k des Strafgesetzbuches, also an der Stelle, an der vor vier Jahren schon das sogenannte Upskirting, das Filmen unter den Rock, strafbar gestellt wurde. Aufnahmen vom bekleideten Intimbereich könnten auch strafbar werden, wenn diese unerlaubt und in sexueller Motivation gemacht wurden, meint er. Im November werden die Justizminister der Länder nun beraten, ob das Strafgesetzbuch geändert werden soll.

    Welche weiteren Rechtslücken gibt es bei sexueller Belästigung?

    Sexuelle Belästigung ist seit 2016 strafbar – aber eben nur, wenn der Täter auch körperlich übergriffig wird. Verbale Entgleisungen zum Beispiel sind auch nicht direkt von Strafe bedroht. Die SPD-Bundestagsfraktion wollte deswegen schon 2023 die juristischen Möglichkeiten beim Kampf gegen sexuelle Belästigung erweitern. „Obwohl jede einfache Beleidigung strafbar ist, sind selbst anstößige und einschüchternde verbale sexuelle Belästigungen im Regelfall straflos“, hieß es.
    Ein in diesem Kontext oft zitiertes Beispiel ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der die Aufforderung eines 65-jährigen Mannes an ein elfjähriges Mädchen, ihm zu folgen, da er „an ihre Muschi fassen wolle“, als nicht strafbar wertete.
    In eine ähnliche Richtung wie die SPD-Bundestagsfraktion zielte eine niedersächsische Gesetzesinitiative, die das Bundesland in den Bundesrat eingebracht hat. Dieser lehnte den Vorschlag allerdings im Februar 2025 ab und leitete ihn nicht an den Bundestag weiter. Damit bleibt die verbale sexuelle Belästigung, sofern sie nicht den Tatbestand der Beleidigung erfüllt, vorerst weiterhin straffrei. Das zeigt, dass die neue Initiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung, heimliche Bildaufnahmen des bekleideten Intimbereichs unter Strafe zu stellen, kein Selbstläufer ist.

    Wie weit verbreitet ist sexuelle Belästigung?

    Neun von zehn Frauen haben sich laut einer Studie des Instituts für Angewandte Sexualwissenschaft und der Hochschule Merseburg schon einmal verbal belästigt gefühlt – und fast genauso viele berichten von unerwünschten und unnötigen körperlichen Berührungen. Auch am Arbeitsplatz ist die sexuelle Belästigung nach einer Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes eher die Regel als die Ausnahme. 62 Prozent der für die Untersuchung Befragten erlebten Belästigungen in Form von sexualisierten Kommentaren, 44 Prozent berichteten von unerwünschten Blicken und Gesten und 26 Prozent von unerwünschten Berührungen. Eine Untersuchung des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen beschreibt sexuelle Belästigung als „Alltagserfahrung“.
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