Kommentar
Kampfansage gegen Voyeurismus und Catcalling

Die Bundesjustizministerin will voyeuristische Aufnahmen unter Strafe stellen, genau wie Catcalling. Die Belästigung von Frauen ist ein ähnlicher Übergriff wie eine strafwürdige Beleidigung. Die Grenze per Gesetz zu ziehen, ist jedoch nicht leicht.

Ein Kommentar von Gudula Geuther |
Mann in einer Nachbildung aus Kunststoff trägt eine rote Mütze mit einer schwarzen Kamera positioniert vor einer Hecke.
Unschuldiges Foto von der Landschaft oder voyeuristischer Übergriff? Oft ist es nicht leicht, eine klare Grenze zu ziehen - erst recht per Gesetz. (imago / Ina Peek)
Catcalling - das klingt nach tsts, nach dem harmlosen Schnalzen, mit dem man eben Kätzchen anlockt, nach Pfeifen oder Huu-Rufen. Manche verstehen das tatsächlich so. „Wer einer Frau nachpfeift, soll bestraft werden“, so überschrieb etwa die Neue Zürcher Zeitung einen Artikel. Das ist ein Missverständnis.
Was manche - darunter auch SPD-Politikerinnen, auch Justizministerin Stefanie Hubig - unter Strafe gestellt sehen wollen, gehört zu einer anderen Kategorie. Da geht es um Belästigungen, die zwar nicht mit Berührung verbunden sind, die aber wehtun, die das Verhalten der Betroffenen, vor allem von Frauen, verändern können. Und da muss es jetzt zu Verdeutlichung leider eklig werden.
Es geht um den Mann, der vom Bundesgerichtshof mangels passender Strafvorschrift freigesprochen wurde, nachdem er eine Elfjährige zu sich locken wollte, um ihr an die "Muschi" zu fassen, wie er ihr sagte. Es geht um Begriffe wie "geile Fotze", die nach der Rechtsprechung nicht als Beleidigung zu fassen sind, weil sie nicht herabwürdigend sein sollen, es geht um den Mann, das Beispiel nennen Politikerinnen, der beharrlich mit belästigenden Rufen auf dem Fahrrad eine Frau umkreist. Es gibt wohl einen recht weit gehenden Konsens, dass man das nicht tut. Und vielleicht auch den, dass der Übergriff von ähnlicher Intensität ist wie eine strafwürdige Beleidigung.

Schlechtes Benehmen ist nicht strafbar

Deshalb ist es schon ein wenig erstaunlich, dass sich die Landesjustizminister heute mehrheitlich dagegen ausgesprochen haben, die Formulierung einer entsprechenden Strafvorschrift auch nur zu versuchen. Verständlich ist dagegen, dass die Mehrheit Zweifel hat, ob so ein Versuch gelingen kann. Denn wie soll eine Strafvorschrift aussehen, die das eine vom anderen unterscheiden will? Man könnte das Gerichten überlassen, und denen zu vertrauen, ist oft richtig.
Es funktioniert auch an anderer Stelle. Eben bei der Beleidigung. Auch da steht wenig im Gesetz, vieles ist Rechtsprechung. Aber für die Frage, was einen anderen herabsetzt, gibt es eher allgemeine Normen als für die Frage, wann unerwünschte sexuelle Annäherungen das Ausmaß des Zumutbaren überschreiten, das ist wahrscheinlich noch subjektiver geprägt. Und Strafrecht muss immer Ultima Ratio sein. Schlechtes Benehmen ist nicht strafbar, und das soll es auch nicht sein.

Betroffene wehren sich öfter

Es hat in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Strafverschärfungen gegeben, die zum Teil auf neue Formen der Angriffe reagieren, wie auf das Filmen nackter oder spärlich bekleideter intimer Körperteile. Aber jede dieser Verschärfungen führt eben auch zu weiterer Verrechtlichung des Miteinanders. Das spricht nicht unbedingt gegen eine Regelung. Aber es zeigt, wie schwer es ist, sie sinnvoll zu entwerfen.
So wie auch beim anderen Thema, über das die Landesjustizminister heute berieten und das sie abschlägig beschieden, den Foto- und Film-Voyeurismus im öffentlichen Raum. Es ist nicht leicht, die Grenze zu ziehen zwischen irgendwie nicht erwünschten Aufnahmen und strafwürdigem Verhalten. Trotzdem: Es ist kein Zufall, dass diese Themen Konjunktur haben. Ob die Zahl der Übergriffe zunimmt, ist nicht bekannt. Aber klar ist, dass Betroffene sich öfter wehren. Und das ist eine gute Entwicklung, Strafrecht hin oder her.