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Sexy Heuschrecken

Biologie. – Irrungen und Wirrungen im Liebesleben gibt es nicht nur bei Menschen. Auch Tiere können sich in der Hitze des Liebeswerbens in die Irre führen lassen und eben nicht den besten Kandidaten erhören. Das haben US-Biologen jetzt bei Heuschrecken herausgefunden.

Von Volkart Wildermuth |
    Heuschreckenweibchen stehen nicht auf innere Qualitäten, sondern nur auf schicke Jungs, das ist ein Ergebnis der Untersuchungen von Professor Ken Fedorka von der Universität von South Carolina. Der Biologe beschäftigt sich mit einer Heuschreckenart, die ein eigentümliches Liebesleben pflegt:

    Die Männchen tragen einen Sporn am Hinterbein und während der Begattung knabbern die Weibchen an diesem Sporn. Auf diesem Weg bekommen sie eine Brautgabe in Form einer Mahlzeit aus Blut, es handelt sich sozusagen um Vampirheuschrecken. Für uns ist das praktisch, wir gehen raus auf die Wiese und sehen uns die Heuschreckenmännchen an. Je nachdem, wie abgenagt ihr Sporn ist, wissen wir, ob ein Männchen attraktiv ist oder nicht.

    Ken Fedorka hat viele Heuschrecken-Casanovas und ebenso männliche Mauerblümchen eingesammelt. Im Labor wollt er wissen, ob es einen biologischen Vorzug der erfolgreichen Männchen gibt. Die meisten Forscher nehmen an, dass die Weibchen auf die körperliche Fitness ihrer Partner achten, ob sie groß, stark und gesund sind. Denn dass sollte ihrem Nachwuchs einen Startvorteil im Kampf ums Überleben geben. Ken Fedorka konnte auf diesem Feld aber keinen Einfluss der Attraktivität des Vaters feststellen. Im Durchschnitt waren die Eier gleich groß und gleich zahlreich, die Jungen entwickelten sich gleich schnell und gleich erfolgreich. Die Qualität des Vaters hat also keinen Einfluss auf die direkte körperliche Fitness. Der Kampf ums Überleben ist aber nicht alles, genauso wichtig ist der Kampf um Sex, um den Zugang zu Weibchen. Um nachzuprüfen, wie sich die Söhne umschwärmter beziehungsweise unbeachteter Männchen auf diesem Feld schlagen, konstruierte Ken Fedorka eine Art Singlebar für Heuschrecken. Jeweils zwei der Söhne durften um ein Weibchen buhlen, bis sie einen der beiden erhörte. Jeder Möchtegern Liebhaber musste sich so gegenüber fünf Nebenbuhlern behaupten, am Ende wurde ausgezählt. Wer durfte wie oft? Das Ergebnis: attraktive Männchen haben attraktive Söhne. Fedorka:

    Es kommt nicht darauf an, der Stärkste zu sein, oder sich am schnellsten zu entwickeln, entscheidend ist, wer sexy ist.

    Aus der Perspektive einer Heuschrecken Dame heißt das, diese Männchen sind größer, tanzen und zirpen intensiver und lassen sich beim Liebesspiel länger beißen und aussaugen. Und dieses Cassanovaqualitäten geben sie an ihre Söhne weiter, die ihrerseits nicht objektiv besser, aber eben sexy sind. Attraktivität ist ein Wert an sich in der Evolution und muss nicht als Anzeichen für verborgene Qualitäten stehen. Söhne sind allerdings nur ein Teil des Fortpflanzungsspiels, genauso wichtig sind die Töchter, und die leiden unter den schicken Vätern. Sie legen deutlich weniger Eier, als die Töchter von Durchschnittsmännchen. Für Ken Fedorka belegt dass einmal mehr, dass die Interessen der Frauen und der Männer in Sachen Sex eben nicht übereinstimmen. Dieselben Gene, die einen Heuschreck attraktiv machen, schaden dem weiblichen Insekt. Fedorka:

    Vielleicht handelt es sich um Gene, die männliche Züge verstärken. Im Körper eines Männchens sind sie gut, denn sie machen ihn attraktiv. Aber wenn ein solches Gen in einem weiblichen Körper ist, dann sind männlichere Züge ein Nachteil. Solche Töchter können sich nicht so erfolgreich vermehren.

    Was gut für Männchen ist, muss nicht gut für Weibchen sein. Es gibt keine natürliche Geschlechterharmonie innerhalb einer Art.

    Unsere Daten stärken das Konzept des Konflikts der weiblichen und männlichen Interessen an der Fortpflanzung. Solche sexuellen Konflikte gibt es nicht nur bei Heuschrecken und Fruchtfliegen sondern auch bei Säugetieren bei Affen und dem Menschen. Ich glaube, diese Vorstellungen sind direkt auf den Menschen übertragbar.

    Das soll nicht heißen, dass Frauen in der Bar nur nach dem Aussehen der harten Jungs gehen würden, sondern nur, dass es auch beim Menschen wahrscheinlich Erbanlagen gibt, die bei den beiden Geschlechtern gegensätzliche Effekte haben. Weil Gene aber nicht wissen können, ob sie in einem weiblichen oder einem männlichen Körper landen werden, kann der sexuelle Konflikt zumindest auf der Ebene der DNA nur begrenzt eskalieren. Bei den Heuschrecken überwiegt denn auch unterm Strich der Vorteil durch die Attraktivität der Söhne den Nachteil durch die mangelnde Fruchtbarkeit der Töchter. Superverführer, die jede Heuschrecke hinters Blatt locken können, die aber dann unfruchtbare Töchter zeugen, haben in der Evolution eben keine Chance.