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SF-Film "Arrival"
"Lasst uns reden" - Außerirdische suchen den Dialog

Wollen sie die Erde vernichten oder kann man mit ihnen Handel treiben? Was die Aliens in Denis Villeneuves philosophischem Science-Fiction-Film "Arrival" vorhaben, soll eine Sprachwissenschaftlerin herausfinden. Doch sie sucht auch eine Antwort auf eine ganz persönliche "Warum"-Frage.

Von Jörg Albrecht | 23.11.2016
    In "Arrival" sind Ausserirdische gelandet. Linguistin Louise Banks (Amy Adams) soll bei der Kontaktaufnahme helfen.
    In "Arrival" sind Außerirdische gelandet. Linguistin Louise Banks (Amy Adams) soll bei der Kontaktaufnahme helfen. (imago stock&people)
    Am Anfang die Bilder einer Mutter mit ihrem Neugeborenen. "Früher habe ich gedacht, dies wäre der Anfang deiner Geschichte" sagt die Stimme aus dem Off. "Die Geschichte deines Lebens" heißt auch die Erzählung von Ted Chiang, die als Vorlage für den Film "Arrival" gedient hat. Doch wenn diese Geschichte wirklich vom Leben ihrer kleinen Tochter handeln sollte, warum ist diese dann innerhalb von einer Minute erzählt? In schnellem Szenenwechsel sehen wir das Mädchen heranwachsen, bevor es im Teenageralter an einer Krebserkrankung sterben wird.
    Seit dem Psychothriller "The Sixth Sense", dessen Ende den Zuschauer die komplette Handlung mit neuen Augen hat sehen lassen, seitdem rattert das Gehirn, wenn eine Eröffnungssequenz mit dem, was danach kommt, scheinbar nichts zu tun hat. Und so wird auch "Arrival" gleich zu Beginn in vielen den Filmdetektiv wecken.
    "Jetzt haben Sie es gehört. Was sagen Sie dazu?"
    Reden mit Fremden
    Louise Banks, die Mutter des verstorbenen Mädchens vom Anfang, die als Linguistin an einer Universität lehrt, hat Besuch vom US-Militär bekommen. Von ihr erhofft man sich Antworten auf die Frage, welche Intentionen die außerirdischen Lebewesen haben, die in zwölf riesigen Raumschiffen an verschiedenen Orten auf der Erde gelandet sind, diese aber bislang nicht verlassen haben.
    "Wie viele? - Wie viele was? - Wie viele sprechen da? - Zwei. Gehen Sie davon aus, dass sie nicht gleichzeitig gesprochen haben. - Sind Sie sicher? Haben die Münder? - Wie würden Sie an so eine Übersetzung herangehen? Können Sie Worte verstehen? Satzteile? - Ich weiß es nicht."
    Trotz ihrer sprachwissenschaftlichen Kenntnisse ist Louise zunächst genauso ratlos wie alle anderen.
    "Ich kann Ihnen sagen, dass es unmöglich ist, das anhand einer Audiodatei zu übersetzen. Ich müsste vor Ort sein, um mit ihnen zu interagieren."
    Louise wird nach Montana geschickt, einem der zwölf Landeplätze. Als ihre erste Begegnung mit den Aliens ansteht, weist die Geschichte von "Arrival" offensichtliche Parallelen zu Platons Höhlengleichnis auf. Wie der von seinen Fesseln befreite Mensch, der aus der Höhle, in der er sein gesamtes Leben verbracht hat, ins Licht hinaufsteigt, ergeht es auch Louise. Ihr geistiger Horizont wird durch die Begegnung mit der außerirdischen Lebensform erweitert.
    "Wir müssen herausfinden, ob sie bewusste Entscheidungen treffen oder ob ihre Motivation instinktiv ist und sie eine 'Warum'-Frage überhaupt nicht verstehen. Und vor allem brauchen wir ausreichend gemeinsames Vokabular, um ihre Antworten zu verstehen."
    Es sind Antworten, die erst einmal nur Louise verstehen wird, während alle anderen Menschen, in diesem Fall die Militärs und Politiker, den Erfahrungen der Wissenschaftlerin auf ihrem Weg zur Erkenntnis skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Auch hier wieder die Parallele zum Höhlengleichnis. Ohne zu viel zu verraten: Es sind Erkenntnisse, die das bisherige Weltbild auf den Kopf stellen.
    Schreiben statt sprechen
    Nun ist "Arrival" kein philosophisches Filmessay. Regisseur Denis Villeneuve lässt diese Gedanken in eine intelligente und spannende Handlung einfließen, deren emotionales Zentrum die von Amy Adams gespielte Linguistin ist. Doch während es ihr gelingt, die Zeichensprache der Besucher zu entschlüsseln, werden immer mehr Regierungen auf der Welt unruhig.
    "China und Russland sind vom Netz gegangen. Sie kommunizieren mit niemandem mehr. Irgendetwas, das sie über Ihre letzten Sitzungen erfahren haben, hat ihnen wohl Angst eingejagt. Wir haben den Befehl es auch zu tun. - Waren Sie! - Sie können uns nicht einfach abschalten. - Sorgen Sie für Funkstille! Tun Sie es! - Wir haben eine Botschaft. Verdammt! Wir müssen miteinander reden."
    Statt aber miteinander zu reden und gemeinsam an einem Strang zu ziehen, wächst stetig die Gefahr eines militärischen Angriffs auf die unbekannten Flugobjekte. Ein Abklatsch von "Independence Day" und anderen Zerstörungsorgien droht bei "Arrival" dennoch nicht. Denn selbst in dem furiosen Schlussakt, der noch einmal Bezug nimmt auf den Beginn des Films, schält sich eine eindeutige Botschaft heraus: Nur ständige Kommunikation und internationale Zusammenarbeit können im Zeitalter der Informationsgesellschaft den Frieden und das Überleben der Menschheit garantieren. Letztlich also handelt "Arrival" nur vordergründig von Außerirdischen. Im Grunde genommen ist es ein Film über uns Menschen, der es ganz mit Goethe hält: "Wer fremde Sprachen nicht kennt, weiß nichts von seiner eigenen."