Archiv

"Shabbyshabby Apartments"
35 Euro/Nacht mit Frühstück in der Theaterkantine

In München gibt es kaum bezahlbaren Wohnraum. Das macht der neue Intendant der Kammerspiele, Mathias Lilienthal, zum Thema der Aktion "Shabbyshabby Apartments". Gemeinsam mit dem Architekturkollektiv "Raumlaborberlin" hat er Ideen für "temporäre Sozialwohnungen" entwickelt, mitten im Theater.

Von Andi Hörmann |
    Die Münchner Kammerspiele in der Maximilianstraße.
    Die Münchner Kammerspiele in der Maximilianstraße. (imago/ecomedia/robert fishman)
    In den Gängen der Münchner Kammerspiele stapeln sich unausgepackte Umzugskartons. Der neue Intendant Mathias Lilienthal zieht gerade in sein Büro ein. In einem seiner typisch knallgelbem T-Shirts nippt er an einer Tasse Tee - ein hoffnungsvoller Optimist.
    "München ist super. Großartig! Mit dem Projekt möchte ich auch die Schönheit von München noch mal anders sichtbar machen."
    Mit "Shabbyshabby Apartments", seiner ersten Inszenierung, macht Lilienthal nicht nur die Schönheit sichtbar, sondern zeigt das Hässliche gleich mit. Nämlich:
    10 Tage 20 skurrile Shabbyshabby Apartments in der Stadt
    "Dass die Münchner die Hälfte ihres Einkommens für Miete zahlen, und dass das einfach scheiße ist zum Leben."
    Mathias Lilienthal macht gerade an den Kammerspielen das Wohnen zum Theater. Zehn Tage lang wurde dafür im Münchner Stadtraum gesägt, gehämmert und gefräst. In den kommenden vier Wochen können sich nun die Theaterbesucher in mehr als 20 skurrile "Shabbyshabby Apartments" einmieten - zusammengezimmert aus Baumaterial vom Recyclinghof: vergilbte Balken und Bretter, ausgediente Badewannen, klapprige Türen und Fenster. Shabby shabby eben. Für Lilienthal ein Weiterdenken der Arbeit seines Kollegen Christoph Marthaler.
    "Wo man einfach zehn Minuten lang Leute beobachtet hat, die nichts tun, und darüber eine Erzählung entstanden ist. Und hier guckt man dann plötzlich auf den Candidplatz oder man kuckt auf die Maximilianstraße. Man wird sehr viel stärker auch in dem Moment dann zum Akteur."
    Und die Passanten werden zum Theaterpublikum. Auf der Luxusmeile Maximilianstraße könnte der Kontrast dabei nicht größer sein: Eine Nobel-Boutique reiht sich hier an die andere, Glitter und Glamour, Flagship Stores und Firlefanz. Mittendrin erstreckt sich nun über zwei Parkplätze das "Shabbyshabby Apartment" vom Berliner Atelier Slant: "The Parking Loft". Sieht aus wie übergroßes Akkorden: zwei containerförmige Holzhütten, verbunden durch Lamellen aus blauer Plane. Till Geimer und seine Freundin haben es sich für eine Nacht gemietet.
    "Der letzte Feinschliff wird hier noch angebracht. Aber ich glaube wir können mal einen Blick reinwerfen... O.k., das ist ziemlich cool hier."
    Autor: "Ich bin ja gespannt, was ihr da morgen sagt, ob ihr da überhaupt ein Auge zugemacht habt."
    Till Geimer: "Ich glaube am Bett wird es nicht scheitern, eher an der Lautstärke. Aber das wird sicher auch die Nacht über weniger werden. Aber wenn man nur eine Nacht durchschlafen will, dann kann man auch zuhause bleiben."
    Autor: "Ich wünsche euch auf alle Fälle eine Gute Nacht."
    Till Geimer: "Vielen Dank!"
    Was bedeutet uns Wohnraum? Wie wollen wir leben?
    Ein zur Schlafkapelle umfunktionierter Stadtbrunnen, ein aus Badewannen verschraubtes U-Boot an der Isar, eine zeltförmige Erdhütte vor der Staatsoper. Mit dem Projekt "Shabbyshabby Apartments" möchte Mathias Lilienthal vor den Kopf stoßen und den Diskurs um bezahlbaren Wohnraum anheizen. Wem gehört die Stadt? Was machen wir aus dem öffentlichen Raum? Wie wollen wir leben? Fragen, die die Münchner Kammerspiele nun im Stadtraum verhandeln, wo hinter schicken Fassaden die Mieten durch die Decke gehen und die Immobilienpreise explodieren. Ein "Shabbyshabby Apartment" kostet nur 35 Euro die Nacht - Frühstück in der Theater inklusive.
    "Die Leute können beim Frühstück in der Kantine der Kammerspielen dann beim Croissant extrem viel erzählen, was sie erlebt haben."
    Am nächsten Morgen ist das "Parking Loft" auf der Maximilianstraße leer. Till Geimer und seine Freundin haben die Nacht zuhause verbracht. Zu laut, zu kalt - Experiment gescheitert. Aber egal, auch das gehört dazu. Denn die Teilnehmer an "Shabbyshabby Apartments" werden sich Fragen stellen müssen: Wie möchte ich wohnen? Was bedeutet uns Wohnraum? Wie wollen wir leben? Mathias Lilienthal sah sich selbst mit der bitteren Realität konfrontiert und war die letzten Monate in München auf Wohnungssuche.
    "Ich habe eine Wohnung gefunden. Also ich wohne über dem Baader Café in der Baaderstraße. 67 Quadratmeter, 1950er-Jahre-Bau, 1950er-Jahre-Elektrik, 1480 warm."