Archiv


Shakespeare-Vertonungen aus dem 20. und 21. Jahrhundert

Der Kammerchor Hannover präsentiert sich auf seiner Debüt-CD mit weltlicher Vokalmusik aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Das verbindende Elemente sind auf der Veröffentlichung die Texte von William Shakespeare. Eine Stärke des jungen Vokalensembles liegt im homogenen, fast schon orchestralen Klang.

Von Jochen Hubmacher |
    "Schlag nach bei Shakespeare", diesem Rat aus Cole Porters Musical "Kiss me Kate" scheinen die Sängerinnen und Sänger vom Kammerchor Hannover gefolgt zu sein. Denn ihre jetzt beim Label Rondeau erschienene CD heißt "Shakespeare 21".

    ""Where the Bee Sucks, there Suck I"
    Frank Martin
    aus: Ariel Songs from Shakespeares’s The Tempest
    Track14"

    "Where the Bee Sucks, there Suck I" – Musik von Frank Martin auf einen Text aus Shakespeares "The Tempest” war das, gesungen vom Kammerchor Hannover unter der Leitung von Stephan Doormann. 2007 hat sich dieses Vokalensemble gegründet. Es gehört damit noch zu den ganz jungen Formationen in der umtriebigen deutschen A-cappella-Szene. Dennoch konnte es bereits national auf sich aufmerksam machen. Und zwar im Rahmen eines CD-Projekts mit Kantaten, die die evangelische Kirche bei zeitgenössischen Komponisten in Auftrag gegeben hatte. Zwei der Aufnahmen darauf steuerte der Kammerchor Hannover bei. Dieses musikalische Gemeinschaftswerk mehrerer Chöre aus der niedersächsischen Landeshauptstadt wurde 2010 prompt mit dem Echo-Klassik Preis ausgezeichnet. Auf seiner ersten eigenen CD präsentiert sich der Kammerchor Hannover nun mit weltlicher Vokalmusik aus dem 20. und 21. Jahrhundert. Das verbindende Element sind die Texte von William Shakespeare.

    ""Orpheus with his lute”
    Sven Hagvil
    Track 1"

    Von der betörenden Macht der Musik erzählt "Orpheus With His Lute", das Stück des schwedischen Komponisten Sven Hagvil. Der Text stammt aus dem Shakespeare Drama "Heinrich VIII." "Orpheus With His Lute" gehört zu den Ersteinspielungen auf der neuen CD der Kammerchors Hannover und zu den Werken, die eigens für das Vokalensemble aus Niedersachsen geschrieben wurden. Gleiches gilt für "Fall Asleep, or Hearing, Die" des Italieners Fabio Nieder. Für seine 2011 uraufgeführte Komposition verwendete er denselben Shakespeare-Text wie Sven Hagvil.

    Musikalisch unterscheiden sich die beiden Stücke jedoch erheblich. Nieder zerlegt den Text in seine Einzelteile. Mit jeder neu hinzu kommenden Silbe wechselt eine der Gesangsstimmen die Tonhöhe. Dabei entstehen Klangtrauben, die den Text hinter einer Art akustischer Nebelwand verschwinden lassen. Zusätzlich zu den 24 Sängerinnen und Sängern setzt Nieder noch Harfe, Akkordeon und Schlagwerk ein. Röhrenglocken und Vibrafon sorgen zum Beispiel für wunderbar kristallene Klangfarben. Gemeinsam mit den schwebenden Tonclustern des Chors beschwört das Stück eine traumhaft versonnene, mitunter gespenstisch anmutende Szenerie herauf, die an die Musik György Ligetis erinnert. Fabio Nieder schreibt im CD-Booklet über sein Stück:

    "Eine leise, ja ferne Landschaft am Horizont breitet sich zu Beginn der Kompostion aus. Man erkennt die Geschlechterunterschiede zwischen den Frauen- und Männerstimmen nicht, da die Herren permanent Falsett (Anm. Redaktion: also Kopfstimme) singen. Das ist ein klangliches Zwittergewebe. Es scheint in der Luft zu schweben, nur von fernen Glockengeläuten getragen."

    ""Fall asleep, or Hearing, Die"
    Fabio Nieder
    Track 9"

    Dramaturgisch verschenkt wirkt es, dass auf der Debüt-CD des Kammerchors Hannover nach Fabio Nieders Komposition "Fall asleep, or Hearing, Die" nicht direkt die drei Shapespeare-Songs von Ralph Vaughan Williams folgen. Verschenkt deshalb, weil sich hier nicht nur über den Textdichter eine direkte Verbindungslinie herstellen lässt, sondern auch über die Art und Weise der Vertonung. Ist es bei Nieders Stück ein fernes Glockenläuten, das durch die Luft zu schweben scheint, so kommen die Glocken bei Vaughan Williams aus den Tiefen des Meeres. Was in "Full Fathom Five", dem ersten der Shakespeare-Songs "Ding Dong" macht, ist eine Totenglocke, die stündlich von den Meeresnixen geläutet wird. "Full Fathom Five", also "Fünf Faden tief liegt Dein Vater, Kind." So beginnt der Text aus Shapekespeares "Sturm" und weiter heißt es darin:

    "Sein Gebein ist nun Korall’n
    Perlen seine Augen sind
    Nichts an ihm mehr muss zerfall’n
    nur verwandelt hat’s die Flut:
    Seltsam ist es nun und gut"


    ""Full Fathom Five"
    Ralph Vaughan Williams
    Track 2"

    Schaurig-schön und emotional packend, wie der Kammerchor Hannover die drei Shakespeare-Songs von Ralph Vaughan Williams interpretiert. Die Stärke des Vokalensembles, das mehrheitlich aus Musikstudierenden und jungen Musikhochschulabsolventen besteht, liegt in seinem herrlich homogenen, fast schon orchestralen Klang. Ein musikalisches Pfund mit dem Dirigent Stephan Doormann auf der neuen CD ausgiebig wuchern kann. Denn etliche Kompositionen liefern ihm mit ihren üppigen Klangflächen hierzu eine perfekte Gelegenheit. Wie gut sein Ensemble bei Stücken ist, die hohe klangliche Transparenz und rhythmische Prägnanz erfordern, darüber lässt sich anhand der vorliegenden Aufnahme nur bedingt eine Aussage treffen. Denn die hallige Kirchenakustik des Aufnahmeorts lässt keine besonders scharfe Konturenzeichnung zu – aber geschenkt. Unter dem Strich ist die jetzt beim Label Rondeau erschienene CD "Shakespeare 21" eine beeindruckende Visitenkarte für den Kammerchor Hannover. Die große Aufgabe für Dirigent Stephan Doormann wird nun darin bestehen, dieses Niveau nicht nur zu halten, sondern noch zu steigern. Kein leichtes Unterfangen bei der oft hohen Fluktuation in Ensembles, die aus vielen jungen Sängerinnen und Sängern bestehen. Gelingt es ihm, ist die deutsche A-cappella-Landschaft um eine hochkarätige Attraktion reicher.

    ""Lovers love the Spring”
    Sven-Eric Johanson
    aus: Fancies
    Track 19"

    "Shakespeare 21" heißt die Debüt-CD des Kammerchors Hannover, die jetzt beim Label Rondeau erschienen ist.

    Shakespeare 21
    Kammerchor Hannover
    Leitung: Stephan Doormann
    Label: Rondeau Production
    Bestell-Nummer: ROP6056
    LC:06690