Es lag ja nahe, das Börsenparkett als Rahmen zu wählen. Einen Ort, an dem sich jede Menge verwilderter Psychen tummeln, Zockerseelen, die uns weis machen wollen, ihre Anlagestrategien folgten rationalen Gesetzen. Dabei verspekulieren sie -zig Millionen Dollar täglich, was gar nichts macht, denn spätestens übermorgen haben sie sie wieder - durch ein noch risikoreicheres Geschäft.
Die letzten Wochen und Monate haben uns diese Spezies oft genug vorgeführt, allerdings nicht den Adrenalinrausch des Erfolgs, sondern die Verzweiflung. Männer, wortwörtlich im "Börsenfieber", die Haare gerauft, mit starrem Blick Milliardenverluste zur Kenntnis nehmend oder ohnmächtig den Totalverlust ihrer Existenz erleidend: wenn es keine Preise mehr gibt.
Im Bühnenbild von Muriel Gerstner, das einen Börsensaal simuliert, finden noch echte Bietorgien statt, mit Glocke und Geschrei und gestreiften Krawatten. Macbeth und Banquo sind die Helden des Parketts, die letzte Schlacht ums Kapital haben sie durch waghalsigen Einsatz gewonnen, weshalb statt der drei Hexen eine Börsenfee orakelt:
Die Börsenkurse auf der großen Digitalanzeige geben die "Zeichen an der Wand"; hier sind neben den alles entscheidenden Zahlen auch Worte lesbar: KING, KILL, FOREVER, SIGNIFYING. Duncan, altmodischer Mastermind dieser Insider-Welt, wird von Macbeth mit einem Telefonhörer erschlagen, weil er angesichts einer "Branche im Umbruch" seine Söhne zum Zug kommen lässt. Danach nimmt das Morden relativ ungerührt seinen Lauf, denn Irrationalität und moralische Indifferenz hat das Geldgeschäft gelehrt; sie müssen nur noch aufs lebende Subjekt angewandt werden. Weshalb Banquo auf dem Kopierer erdrosselt wird und der Hausmeister, zuerst lustiges Faktotum im Börsensaal, zum sadistischen Helfershelfer mutiert. Am Ende wird Macbeth als "Krebsgeschwür" in einem Netz von Telefonschnüren stranguliert. Seine "kranke Sache" ließ sich einfach nicht länger "verkaufen".
Auf der Bildebene funktioniert das alles wunderbar. Sebastian Nübling, der gerne körperbetont arbeitet, stattet die Figuren deutlich gestisch aus und erfindet zeichenhafte Szenen: Wenn Bibiana Beglau als Lady Macbeth, die gerade noch Pistazien essend kühl zum Mordplan anstiftete, allein einen Pulk Männer an den Krawatten durch die Börsenarena zieht wie eine umgekehrte Quadriga. Oder wenn Bruno Cathomas, der den Macbeth meist mit gesenktem Kopf und in den Hosentaschen vergrabenen Händen spielt, die Börsianer in einer autistischen lautmalerischen Vorstellung jaulend mit der eigenen schuldhaften Verstrickung behelligt.
Doch auf der sprachlichen Ebene gelingt es nicht, den Börsenfuror und seine irrationalen Gesetze mit dem individuellen Machtkampf Macbeths zu verschränken. Auf dem Parkett tönt Shakespeares Sprache wie aus einer anderen Welt, klingt Cathomas wie ein schwarzer Poet des Todes. Früh wirkt deshalb die Angst von Macbeth schizophren. Ist er bloß ein überforderter Börsianer, dessen Burnout zum Blackout führte? Ein Weichei jedenfalls, das die Gewinn-Zahlen durch böse Einflüsterung mit dem Leben verwechselt. Als er Banquo fragt, ob dieser zu ihm hält, legt er die Hand auf die Schulter seiner Frau - auf Abstand, aber doch wie eine Nabelschnur. Sein Ehrgeiz lebt aus ihr. Später leckt sie ihm das Blut von der Hand. So erzählt das Drama von kleinen Menschen mit großem Ehrgeiz. Das große Drama aber wird zu einem Schauspiel, das in kleiner Münze auszahlt. Da hilft auch kein aufmunterndes: "Zurück an die Börse."
Die letzten Wochen und Monate haben uns diese Spezies oft genug vorgeführt, allerdings nicht den Adrenalinrausch des Erfolgs, sondern die Verzweiflung. Männer, wortwörtlich im "Börsenfieber", die Haare gerauft, mit starrem Blick Milliardenverluste zur Kenntnis nehmend oder ohnmächtig den Totalverlust ihrer Existenz erleidend: wenn es keine Preise mehr gibt.
Im Bühnenbild von Muriel Gerstner, das einen Börsensaal simuliert, finden noch echte Bietorgien statt, mit Glocke und Geschrei und gestreiften Krawatten. Macbeth und Banquo sind die Helden des Parketts, die letzte Schlacht ums Kapital haben sie durch waghalsigen Einsatz gewonnen, weshalb statt der drei Hexen eine Börsenfee orakelt:
Die Börsenkurse auf der großen Digitalanzeige geben die "Zeichen an der Wand"; hier sind neben den alles entscheidenden Zahlen auch Worte lesbar: KING, KILL, FOREVER, SIGNIFYING. Duncan, altmodischer Mastermind dieser Insider-Welt, wird von Macbeth mit einem Telefonhörer erschlagen, weil er angesichts einer "Branche im Umbruch" seine Söhne zum Zug kommen lässt. Danach nimmt das Morden relativ ungerührt seinen Lauf, denn Irrationalität und moralische Indifferenz hat das Geldgeschäft gelehrt; sie müssen nur noch aufs lebende Subjekt angewandt werden. Weshalb Banquo auf dem Kopierer erdrosselt wird und der Hausmeister, zuerst lustiges Faktotum im Börsensaal, zum sadistischen Helfershelfer mutiert. Am Ende wird Macbeth als "Krebsgeschwür" in einem Netz von Telefonschnüren stranguliert. Seine "kranke Sache" ließ sich einfach nicht länger "verkaufen".
Auf der Bildebene funktioniert das alles wunderbar. Sebastian Nübling, der gerne körperbetont arbeitet, stattet die Figuren deutlich gestisch aus und erfindet zeichenhafte Szenen: Wenn Bibiana Beglau als Lady Macbeth, die gerade noch Pistazien essend kühl zum Mordplan anstiftete, allein einen Pulk Männer an den Krawatten durch die Börsenarena zieht wie eine umgekehrte Quadriga. Oder wenn Bruno Cathomas, der den Macbeth meist mit gesenktem Kopf und in den Hosentaschen vergrabenen Händen spielt, die Börsianer in einer autistischen lautmalerischen Vorstellung jaulend mit der eigenen schuldhaften Verstrickung behelligt.
Doch auf der sprachlichen Ebene gelingt es nicht, den Börsenfuror und seine irrationalen Gesetze mit dem individuellen Machtkampf Macbeths zu verschränken. Auf dem Parkett tönt Shakespeares Sprache wie aus einer anderen Welt, klingt Cathomas wie ein schwarzer Poet des Todes. Früh wirkt deshalb die Angst von Macbeth schizophren. Ist er bloß ein überforderter Börsianer, dessen Burnout zum Blackout führte? Ein Weichei jedenfalls, das die Gewinn-Zahlen durch böse Einflüsterung mit dem Leben verwechselt. Als er Banquo fragt, ob dieser zu ihm hält, legt er die Hand auf die Schulter seiner Frau - auf Abstand, aber doch wie eine Nabelschnur. Sein Ehrgeiz lebt aus ihr. Später leckt sie ihm das Blut von der Hand. So erzählt das Drama von kleinen Menschen mit großem Ehrgeiz. Das große Drama aber wird zu einem Schauspiel, das in kleiner Münze auszahlt. Da hilft auch kein aufmunterndes: "Zurück an die Börse."