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Shakespeares mordendes Monster

William Shakespeare benannte eines seiner Dramen nach ihm und beschrieb ihn als Tyrann und Kindermörder. Archäologen und Historiker der Universität von Leicester haben die Gebeine des englischen Königs Richard III. mit Spezialverfahren untersucht.

Von Jochen Spengler | 04.02.2013
    Bis zuletzt blieb es spannend. Stammen die Gebeine, die man letzten September unter einem Parkplatz im mittelenglischen Leicester ausgegraben hatte, von König Richard III. oder nicht? 40 Minuten spannten Archivare, Archäologen, Knochenkundler, Historiker und Erbgutspezialisten die versammelten Medien mit ihren Teilerkenntnissen nach den fünfmonatigen Untersuchungen auf die Folter.

    Dann trat schließlich Richard Buckley, der leitende Archäologe, ans Rednerpult und tat das Fazit des versammelten wissenschaftlichen Sachverstands der Universität von Leicester kund:

    "Ladies and Gentlemen, it is the academic conclusion of the University of Leicester that beyond reasonable doubt the individual exhumed at Greyfriars in September 2012 is indeed Richard III. the last Plantagenet king of England."

    Ohne jeden Zweifel seien die gefundenen Überreste die von Richard III., des letzten Herrschers aus dem Hause Plantagenet. Er war nur zwei Jahre lang König von England. Am 22. August 1485 wurde er im Alter von 32 Jahren in der Schlacht von Bosworth bei Leicester tödlich verwundet – es war Höhe- und Endpunkt der sogenannten Rosenkriege zwischen den Adelshäusern Lancaster und York. Sieger der Schlacht war Henry Tudor, der erste des neuen Herrschergeschlechts der Tudors.

    Woran genau Richard verstorben ist, konnten die Wissenschaftler nicht klären. An seinem Skelett aber wurden zehn Wunden von Hieb- und Stichwaffen gefunden, acht allein an seinem Kopf, von denen zwei zur sofortigen Bewusstlosigkeit und zum raschen Tod geführt haben würden, erklärte die Knochenspezialistin Jo Appleby:

    "Both of these injuries would have caused almost instant loss of consciousness and death would have followed quickly afterwards."

    Unklar aber bleibt, welche Wunden dem König möglicherweise erst nach seinem Tod beigefügt wurden. Aufzeichnungen zufolge soll sein Körper entkleidet und geschändet worden sei. Dann wurde er nahebei im Franziskaner Kloster von Greyfriars bestattet.

    Doch nach dem Bruch Heinrichs VIII. mit dem Papst ein halbes Jahrhundert später wurden in England die Klöster geplündert und aufgelöst. Dabei verschwanden auch Richards Überreste, die angeblich von einem wütenden Mob in einen Fluss geworfen wurden. Dies aber stellte sich jetzt als falsch heraus.

    Die in den freigelegten Klosterruinen in Leicester ausgegrabenen gut und vollständig erhaltenen Gebeine stammen von einem schmächtigen, etwa 1,70 Meter großen Mann, was der historischen Beschreibung Richards entspricht.

    Endgültige Gewissheit über die Identität Richards ergab aber erst ein Abgleich seiner DNA mit heute noch lebenden Nachkommen. Der Historiker John Ashdown-Hill Autor des Buches "The last days of Richard III." hatte sich schon früh auf die Suche nach Abkömmlingen gemacht.

    "Das hat mich zwei Jahre gekostet und ich hatte einen gewaltigen Familienstammbaum auf meinem Computer. Weil ich natürlich jede mögliche Spur der Abstammungslinie verfolgen musste; man weiß ja nicht, welche Linie ausgestorben ist und welche bis heute existiert. Und ursprünglich fand ich dann eine Dame in Kanada, Joy, die Mutter von Michael Ibson, dessen DNA nun untersucht wurde. Die habe ich kontaktiert, sie war an der Familiengeschichte interessiert, aber hatte absolut keine Ahnung von der Verbindung und war fasziniert."

    Den Genealogen des Ausgrabungsprojekts gelang es auch, von dem mehr als 500 Jahre alten Skelett eine DNA-Spur zu nehmen und mit dem Erbgut seiner möglichen Nachkommen zu vergleichen. Das Ergebnis verkündete Turi King

    "Es gibt eine DNA-Übereinstimmung zwischen den Abkommen der Familie Richard III. und dem Skelett, das wir gefunden haben. Kurz: Die DNA-Beweise zeigen, dass es die Überreste Richard III. sind."

    Vor allem durch Shakespeares Dichtung wurde Richard III. als skrupelloser Herrscher und Mörder seiner jungen Neffen, der sogenannten Prinzen im Tower, dargestellt.

    Doch dieses Bild entspricht keineswegs dem Stand der heutigen wissenschaftlichen Forschung. Tatsächlich kann man Richard viele seiner angeblichen Verbrechen nicht nachweisen; außerdem dürften die nachfolgenden Tudorherrscher, zu deren Zeit Shakespeare lebte, großes Interesse daran gehabt haben, dass der Gegenspieler von Heinrich Tudor möglichst negativ geschildert wurde.

    Die Überreste Richard III. sollen nicht in Westminster neben seiner Frau, sondern nahe seiner Todesstätte in der Kathedrale von Leicester beigesetzt werden.