
Eigentlich hat man sich den ganz anders vorgestellt, diesen mächtigen und anscheinend so weisen Herzog, den Shakespeare untertauchen lässt, damit andere sein verlottertes Wien sittengerecht wieder auf Vordermann bringen. Dass einer dieser anderen dann an seinem eigenen moralischen Rigorismus scheitert, indem er etwa im vorehelichen Freiraum Dinge erzwingt, die er bei anderen durch den Henker geißeln lassen wollte, kann dem Herzog nur Recht sein. Er hält ohnehin die Strippen in der Hand und kann am Schluss entlarven und beschämen, verheiraten und begnadigen, ganz wie's beliebt.
Also, eigentlich stellt man sich diesen Herzog Vincentio ganz anders vor als diesen hier, wie er da in den Münchner Kammerspielen auf die Bühne kommt, diesen Menschen in seiner Unfertigkeit, in der Zerrissenheit zwischen seiner Macht und dem Wissen darum, dass Macht immer auch Anmaßung bedeutet, diesen Menschen in seinem Leiden und Mitleiden und zugleich in seinem fast zynischen Blick auf die anderen, diesen Menschen der sich in seinem Gestus wegducken will vor der Welt und ihrer Last und sich ihr dann doch stellt.
Vincentio: "Ich liebe die Leute, aber ich schaff es nicht mehr, vor ihren Augen aufzutreten. Sie meinen es gut, aber ich kann den lauten Beifall die heftigen Hochrufe, kann ich nicht mehr ertragen. Ich glaube auch nicht, dass ein Mann mit klarer Auffassungsgabe sich davon anregen lässt. Verstehst du, ich finde es unanständig sich ins Licht zu stellen und zu erwarten, dass die Leute einem zuhören. "
In seiner Inszenierung von Shakespeares eher tragischer Komödie "Maß für Maß hat Regisseur Stefan Pucher mit der Besetzung von Thomas Schmauser als Herzog Vincentio ein ebenso entscheidendes wie geniales Zeichen gesetzt. In Schmausers betont verlodderter Erscheinung und in seinem Spiel, das daherkommt wie ein Unentschieden aus "was kostet die Welt" und "ich hau dann mal ab", verkörpern sich praktisch per se schon jene Fragen, die das Stück selbst stellt: Wie viel Freiheit verträgt die Sitte, oder umgekehrt? War da mal Gesetz und wo ist das jetzt hin? Und: was ist Recht überhaupt, wer hat Recht und wer kann und darf überhaupt Recht sprechen? Indem Stefan Pucher diesen schrägen Vogel in den Mittelpunkt seines persönlichkeitsstarken Ensembles stellt, diesen Vogel, an dem die menschlichen Facetten gleichsam nur so herumschillern, umgeht er zugleich geschickt die Gefahr der Schwarzweiß-Malerei auch beim Rest der Figuren und kann auch aus ihnen das ganze Spektrum aus den shakespeareschen Tiefen heraufspiegeln. Dass Pucher dies auf der Folie einer unmittelbaren Moderne tut, zeigt dabei nicht nur die saftige Neuübersetzung von Jens Roselt, die gegenüber Shakespeares blumigen Deftigkeiten keineswegs mundfaul wird, die aber auch ganz klar daherkommen kann, wo es nötig ist:
Lucio: " Was ist bloß passiert Claudio, warum bist du in Gefangenschaft?"
Claudio: " Wegen zuviel Freiheit, mein Lucio. Zuviel Freiheit ist wie zuviel Essen, früher=2 0oder später muss man fasten. In jedem Spielraum findet man Grenzen, wenn man ihn maßlos nutzt. "
Dass diese Maßlosigkeit in unserer Zeit eine fast verzweifelt schamlose ist, verdeutlicht Stefan Pucher gemeinsam mit seiner Bühnenbildnerin Barbara Ehnes und seinem Videoinstallateur Chris Kondek im ästhetischen Rahmen der Inszenierung, die gerade auch aus dem Sado-Maso-Bereich zitiert, in dem die Bestrafung ja immer schon gleichsam mit eingearbeitet ist. Da werden Gefangene am Nietenhalsband nackt hereingezerrt, die es nicht lassen können sich fahrig zu bestreicheln, da flimmern Videos durch den Bühnenraum, die Stückwerk zeigen von Körpern und Haut und Leder.
Sie prallen auf die Kulissenteile, die als Ecken und Kanten hintereinander gestaffelt immer wieder neue Räume bilden und dabei zugleich die grelle Funtapete ebenso zitieren wie das angepoppte Kirchenfenster. Pucher scratched sich gleichsam durch ein Hier und Jetzt, auch wenn Shakespeare sein Stück vor 400 Jahren schrieb, durch ein Hier und Jetzt, das auch spirituell ziemlich auf den Hund gekommen ist. Wenn sich Herzog Vincentio ganz nach Shakespeare etwa vorübergehend in einen Beichtvater verwandelt, dann hat der bei Pucher schon mal zum Ausprobieren eine Art "you-tube-Filmchen gedreht, in dem hübsch hüpfend die Kutte probiert und das Kreuz übergeschmissen wird. Und so zeigt Stefan Pucher wieder einmal auf die ihm ganz eigene zugleich ästhetisch beeindruckende wie szenisch überaus sensitive Weise, wie man mit einem alten Stück ganz tief in die Wunden der eigenen Gegenwart dringt.
Also, eigentlich stellt man sich diesen Herzog Vincentio ganz anders vor als diesen hier, wie er da in den Münchner Kammerspielen auf die Bühne kommt, diesen Menschen in seiner Unfertigkeit, in der Zerrissenheit zwischen seiner Macht und dem Wissen darum, dass Macht immer auch Anmaßung bedeutet, diesen Menschen in seinem Leiden und Mitleiden und zugleich in seinem fast zynischen Blick auf die anderen, diesen Menschen der sich in seinem Gestus wegducken will vor der Welt und ihrer Last und sich ihr dann doch stellt.
Vincentio: "Ich liebe die Leute, aber ich schaff es nicht mehr, vor ihren Augen aufzutreten. Sie meinen es gut, aber ich kann den lauten Beifall die heftigen Hochrufe, kann ich nicht mehr ertragen. Ich glaube auch nicht, dass ein Mann mit klarer Auffassungsgabe sich davon anregen lässt. Verstehst du, ich finde es unanständig sich ins Licht zu stellen und zu erwarten, dass die Leute einem zuhören. "
In seiner Inszenierung von Shakespeares eher tragischer Komödie "Maß für Maß hat Regisseur Stefan Pucher mit der Besetzung von Thomas Schmauser als Herzog Vincentio ein ebenso entscheidendes wie geniales Zeichen gesetzt. In Schmausers betont verlodderter Erscheinung und in seinem Spiel, das daherkommt wie ein Unentschieden aus "was kostet die Welt" und "ich hau dann mal ab", verkörpern sich praktisch per se schon jene Fragen, die das Stück selbst stellt: Wie viel Freiheit verträgt die Sitte, oder umgekehrt? War da mal Gesetz und wo ist das jetzt hin? Und: was ist Recht überhaupt, wer hat Recht und wer kann und darf überhaupt Recht sprechen? Indem Stefan Pucher diesen schrägen Vogel in den Mittelpunkt seines persönlichkeitsstarken Ensembles stellt, diesen Vogel, an dem die menschlichen Facetten gleichsam nur so herumschillern, umgeht er zugleich geschickt die Gefahr der Schwarzweiß-Malerei auch beim Rest der Figuren und kann auch aus ihnen das ganze Spektrum aus den shakespeareschen Tiefen heraufspiegeln. Dass Pucher dies auf der Folie einer unmittelbaren Moderne tut, zeigt dabei nicht nur die saftige Neuübersetzung von Jens Roselt, die gegenüber Shakespeares blumigen Deftigkeiten keineswegs mundfaul wird, die aber auch ganz klar daherkommen kann, wo es nötig ist:
Lucio: " Was ist bloß passiert Claudio, warum bist du in Gefangenschaft?"
Claudio: " Wegen zuviel Freiheit, mein Lucio. Zuviel Freiheit ist wie zuviel Essen, früher=2 0oder später muss man fasten. In jedem Spielraum findet man Grenzen, wenn man ihn maßlos nutzt. "
Dass diese Maßlosigkeit in unserer Zeit eine fast verzweifelt schamlose ist, verdeutlicht Stefan Pucher gemeinsam mit seiner Bühnenbildnerin Barbara Ehnes und seinem Videoinstallateur Chris Kondek im ästhetischen Rahmen der Inszenierung, die gerade auch aus dem Sado-Maso-Bereich zitiert, in dem die Bestrafung ja immer schon gleichsam mit eingearbeitet ist. Da werden Gefangene am Nietenhalsband nackt hereingezerrt, die es nicht lassen können sich fahrig zu bestreicheln, da flimmern Videos durch den Bühnenraum, die Stückwerk zeigen von Körpern und Haut und Leder.
Sie prallen auf die Kulissenteile, die als Ecken und Kanten hintereinander gestaffelt immer wieder neue Räume bilden und dabei zugleich die grelle Funtapete ebenso zitieren wie das angepoppte Kirchenfenster. Pucher scratched sich gleichsam durch ein Hier und Jetzt, auch wenn Shakespeare sein Stück vor 400 Jahren schrieb, durch ein Hier und Jetzt, das auch spirituell ziemlich auf den Hund gekommen ist. Wenn sich Herzog Vincentio ganz nach Shakespeare etwa vorübergehend in einen Beichtvater verwandelt, dann hat der bei Pucher schon mal zum Ausprobieren eine Art "you-tube-Filmchen gedreht, in dem hübsch hüpfend die Kutte probiert und das Kreuz übergeschmissen wird. Und so zeigt Stefan Pucher wieder einmal auf die ihm ganz eigene zugleich ästhetisch beeindruckende wie szenisch überaus sensitive Weise, wie man mit einem alten Stück ganz tief in die Wunden der eigenen Gegenwart dringt.