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"Shanghai Beauty" beim Festival der Kulturen

Was ist Schönheit, die Frage ist schon, abstrakt genommen, schwer genug. Was ist Schönheit auf chinesisch ist noch komplizierter. Im Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist jetzt, im Rahmen eines Festivals namens "Über Schönheit", ein Abend zu sehen, der zeigt, was eine der profiliertesten Tanztruppen Chinas, die Jin Xing Dance Company aus Shanghai, von der Schönheit weiß.

Von Georg-Friedrich Kühn |
    Eine Tänzerin schmückt sich für ihren Auftritt. Lange blickt man zunächst in ihr frisches zartes Gesicht. Dann beginnt in dem Zeitraffer-Video die aufwändige Prozedur. Eine weiße Farbschicht wird aufgelegt, die Augenpartien werden purpurrot eingefärbt, Lidschatten und Brauen nachgezogen.

    Die Haare werden mit Bändern angepresst, künstliche Locken angeklebt, ein Perlenkranz und Lotosblüten an der Perücke appliziert. Schließlich wird ihr das bodenlange, gelb, blau, türkisfarbene Kleid mit den doppelt langen weißen Ärmeln angelegt. In der Pekingoper ist dies eine Königin-Figur, sagt Jin Xin beim Gespräch.

    " Ich selber würde mir nie eine solche Maske schminken. Ich bin Tänzerin. Als ich vor Jahren in einer Peking Oper auftrat, habe ich das lernen müssen. Es ist eine ganz spezielle Kultur. Kaum ein Chinese kennt das heute noch. Wichtig ist, wie das Gesicht präpariert ist. Das Gesicht ist das Zeichen für Schönheit, nicht die Brüste, der Po, die Beine, die Figur. Es ist eine andere Ästhetik als in Europa. Wir haben das erst begriffen durch die gemeinsame Arbeit hier an dem Stück. "

    Shanghai Beauty heißt das Stück, das die Jin Xing Dance Company aus Shanghai mit der Berliner Tanzkompanie Rubato entwickelt hat und bei dem die Königin-Figur am Ende in natura als Höhepunkt mit gleichsam schwebendem Schritt erscheint.

    Jin Xing gilt als eine der besten Tänzerinnen Chinas. Ursprünglich ein Mann, hat sie begonnen mit klassischem Ballett und chinesischem Tanz, dann die modernen Techniken studiert in New York. Nach einer Geschlechts-Umwandlung gründete sie ihre eigene Kompanie, erst in Beijing dann in Shanghai.

    Mit Shanghai Beauty, aufgeführt jetzt im Berliner Haus der Kulturen der Welt im Rahmen des Tanzprogramms des Festivals Über Schönheit, will man den unterschiedlichen Begriffen von Schönheit und Körperlichkeit nachspüren in Europa und Fernost.

    Es ist nicht der nackte Körper, der von alters her in China als "schön" gilt, sondern der kunstvoll durch Kleider und Schmuck verhüllte.

    So zeigen sich die 13 Tänzerinnen und Tänzer im ersten Teil auch eher hochgeschlossen, integrieren traditionelle Tanzformen beider Regionen in das Stück. Und dieser erste Teil ist von der Wirkung her der stärkere, authentischere. Nicht der Einzelne ist es, der sich hier exponiert. Immer wieder schnell integriert wird er in die Gruppe. Vielfach bewegen die Tänzer sich auch in gebückten Haltungen. Besonders eindrucksvoll, wenn eine Tänzerin dann über sich krümmende Hälse und -Rücken wandert.

    Gerade die Vermischung traditioneller Tanz-Formen aus beiden Kontinenten mit modernen Elementen im zweiten Teil hat bei einer Probevorführung in Shanghai Verwunderung ausgelöst, erzählt Jin Xin. Gefragt wurde von den Zuschauern nach der Geschichte dahinter, der Begründung.

    " Der Tanz rief lautes Gelächter hervor. Sie haben das so nicht erwartet. Aber es hat gewirkt. Es hat ihre Sinne geöffnet für etwas Neues. Auch bei chinesischen Tänzern mit klassischer Ausbildung. Das ist ein Dialog zwischen Ost und West, Tradition und Moderne - und wie wir sie heute sehen. Das ist viel interessanter als irgendeine Geschichte erzählen. "

    Noch eine weitere Produktion wird es geben mit den Tänzerinnen und Tänzern aus Shanghai. Dazwischen sind Gespräche geplant mit auch Tänzern aus Indien und Japan. Beim Publikum stieß schon der erste Abend auf sehr positive Resonanz.